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Kommentar: 100 Tage Ampelregierung: Der Ukraine-Krieg wirft alle Pläne um

Kommentar

100 Tage Ampelregierung: Der Ukraine-Krieg wirft alle Pläne um

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    Die Ampelkoalition ist seit 100 Tagen im Amt. Eine Schonfrist war den Ministerinnen und Ministern nicht vergönnt.
    Die Ampelkoalition ist seit 100 Tagen im Amt. Eine Schonfrist war den Ministerinnen und Ministern nicht vergönnt. Foto: Michael Kappeler, dpa (Symbolbild)

    Zu sagen, diese Bundesregierung sei ins kalte Wasser geworfen worden, wäre weit untertrieben. Wenn schon, dann ist sie aus großer Höhe schmerzhaft durch die Eisschicht eines Sees gekracht, von dem keiner weiß, wie tief er ist. Nichts, aber auch gar nichts mehr ist noch wie es war für dieses neue Kabinett, seit Russland vor drei Wochen die Ukraine brutal überfallen hat.

    Der Koalitionsvertrag, die Finanzpläne, sie sind nur mehr Makulatur. Jetzt ist Krise und es geht bis auf Weiteres ausschließlich darum, sie mit möglichst geringen Schäden durchzustehen.

    Ampelkoalition: von Schonfrist keine Spur

    100 Tage blinkt die Ampel nun schon, dieser Zeitraum galt einmal als „Schonfrist“ in neuen Ämtern. Erst einmal das Haus kennenlernen, sich einen Überblick über die Themenlage verschaffen, einarbeiten - das war den Ministerinnen und Ministern um SPD-Kanzler Olaf Scholz nun wirklich nicht vergönnt.

    Gestartet ist das im Bund erste Bündnis aus SPD, Grünen und FDP mitten in die Corona-Pandemie hinein, die jetzt gerade Rekordhöhen bei den Infektionszahlen erreicht. Davon redet kaum jemand mehr, weil die russische Invasion der Ukraine alles andere überlagert. Selbst den Klimaschutz, der eigentlich das ganz große Ziel dieser Regierung sein sollte. Es geht nun um nichts weniger, als die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, nach Sicherheit, Wärme, Nahrung.

    Jahrzehntelang hat die Politik in Deutschland die Themen Sicherheit und Verteidigung sträflich vernachlässigt. Kanzler Olaf Scholz, der gerade eine bemerkenswerte Wandlung vom Zauderer zum Macher vollzieht, hat das in seiner „Zeitenwende-Rede“ im Bundestag eingeräumt und einen konsequenten Kurswechsel eingeleitet.

    Bundesregierung: Manche Wünsche werden platzen

    Doch der wird teuer, hat außerdem viele der traditionellen Rüstungsgegner bei SPD und Grünen verschreckt. Neben Scholz hat sich Finanzminister Christian Lindner von der FDP eine bemerkenswerte Machtposition aufgebaut.

    Angetreten als Hüter der Finanzdisziplin, ist es nun Lindner, der die Abermilliarden, etwa für die Ertüchtigung der maroden Bundeswehr, irgendwie bereitzustellen hat. Was bedeutet, dass andere Ressorts diverse Herzenswünsche vielleicht begraben müssen.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner will mit allen Mitteln 2023 wieder die Schuldenbremse einhalten.
    Bundesfinanzminister Christian Lindner will mit allen Mitteln 2023 wieder die Schuldenbremse einhalten. Foto: Gustavo Valiente, EUROPA PRESS/dpa

    Auf den Fundamenten Konsens, Vertrauen und Verschwiegenheit hat sich die Ampel gegründet, doch inzwischen fühlen sich die Grünen öfter außen vor, wenn Scholz und Lindner den Schulterschluss üben.

    Robert Habeck, eigentlich Vizekanzler, hat es auch in seinem Ressort nicht leicht: Wirtschaft und Klimaschutz lassen sich im Moment so schwer unter einen Hut bringen, wie nie zuvor. Die Industrie giert nach Energie, doch ohne Kohle- und Atomkraft ist die Abhängigkeit von Putins Öl und Gas drückend.

    Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird nun noch wichtiger, doch bis genügend grüner Strom vorhanden ist, wird Habeck viele Kröten schlucken müssen. Durch die Ukraine-Krise drohen sogar Lebensmittel knapp und immer teurer zu werden.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plant neue Maßnahmen zur Entlastung angesichts der steigenden Energiepreise.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck plant neue Maßnahmen zur Entlastung angesichts der steigenden Energiepreise. Foto: Axel Heimken, dpa

    Die Ampel muss an einem Strang ziehen

    Für die Regierung ist der Auftrag also klar: Kurzfristig garantieren, dass das Land nicht aus den Fugen gerät und auch die wohl größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg mit Anstand bewältigt wird. Langfristig dafür sorgen, dass Deutschland krisensicherer und weniger abhängig von Autokraten wird.

    Scholz, Lindner, Habeck - an dieser Dreierkonstellation wird sich Wohl oder Wehe der Ampel entscheiden. Nur so kann es gehen, an einem Strang ziehend, pragmatisch und aufs Wesentliche konzentriert, muss sich diese Regierung freischwimmen im eiskalten Wasser. Um möglichst bald wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.

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