Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Koalitionsverhandlungen: Wann steht die neue Regierung?

Koalitionsverhandlungen

Union und SPD wollen sich nicht stressen lassen

    • |
    • |
    • |
    Hatten einen ambitionierten Zeitplan vorgegeben: Friedrich Merz und Carsten Linnemann. Am Montag klang das schon weniger optimistisch.
    Hatten einen ambitionierten Zeitplan vorgegeben: Friedrich Merz und Carsten Linnemann. Am Montag klang das schon weniger optimistisch. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Eigentlich waren Fotos ja verboten. „Keine Statements, keine Pressekonferenzen, keine Kommunikation von Zwischenergebnissen, keine Selfies etc.“, verordneten sich Union und SPD in einem als „Handreichung zu den Koalitionsverhandlungen 2025“ betitelten Papier. Zumindest diesen Plan haben manche Verhandler bereits verworfen. Jochen Ott (SPD) postete am Freitag erst ein Foto von den unterschiedlich bunten Socken seiner Verhandlungskollegen auf Instagram und legte dann später am Tag mit einem Selfie von sich und dem CDU-Politiker Nathanel Liminski (CDU) nach. „Da wir in unterschiedlichen Arbeitsgruppen verhandeln und auch nicht mehr in Berlin sind, gilt für diesen Schnappschuss aus Köln das Selfie‑Verbot hoffentlich nicht“, schrieben die beiden. Die Aufregung hielt sich in Grenzen. Zumindest daran scheinen die Verhandlungen also nicht zu scheitern.

    Die Union mahnt zum „Politikwechsel“

    Nein, die Streitpunkte liegen woanders. Zwar gab sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag in Berlin betont optimistisch – was er aus den 16 Arbeitsgruppen höre, sei ermutigend, sagte er. „Gleichzeitig gibt es offenkundig Dissenspunkte“. Linnemann sprach von einem Politikwechsel, den Deutschland jetzt brauche. Und machte klar, wo dieser Politikwechsel stattfinden müsse: in der Wirtschaftspolitik, bei der Migration, „aber auch im Sozialen, Stichwort: Bürgergeld“. Das darf durchaus als Botschaft an die Verhandlungspartner der SPD verstanden werden. Die Sozialdemokraten nannte Linnemann betont nur „mögliche“ Koalitionspartner. Und legte in Richtung der Kanzlerpartei nach: „Die Menschen haben kein Weiter-so gewählt“. Die Union immerhin hätte mit dem Schuldenpaket bereits einen „sehr, sehr hohen Kredit in Anspruch genommen“. Und mahnte: „Aber die andere Seite der Medaille, die muss jetzt folgen. Ansonsten wird auch das viele Geld nichts nützen.“

    Nach Einigkeit klang das noch nicht. Immerhin ist aber die erste Etappe geschafft. Bis Montagnachmittag, 17 Uhr, haben die Arbeitsgruppen ihre Konzepte für den Koalitionsvertrag abgegeben. Nun berät in den kommenden Tagen die 19-köpfige Steuerungsgruppe um die Parteichefs und Generalsekretäre über die konkrete Ausgestaltung des Koalitionsvertrags. Sie sollen jetzt diese Dissenspunkte, wie Carsten Linnemann sie nennt, aus dem Weg räumen.

    Konkret sind die größten Hürden folgende: Die SPD will Vermögende und Gutverdiener stärker besteuern, das lehnt die Union ab. Umgekehrt stemmt sich die SPD gegen niedrigere Abgaben für Unternehmen. In der Migration ist man sich weiter uneins, ob Asylsuchende auch zurückgewiesen werden sollten, wenn die Nachbarländer nicht mitmachen. Und dass die Union mit dem Bürgergeld eines der zentralen Errungenschaften der SPD in der Ampel abschaffen möchte, wollen die Sozialdemokraten nicht zulassen.

    Carsten Linnemann dämpft die Erwartungen auf eine schnelle Einigung

    Die Koalitionäre gaben sich am Montag Mühe, deshalb keinen Zweifel an den Gesprächen aufkommen zu lassen. Zentrale Themen seien auch in der Vergangenheit nicht in „Arbeitsgruppen oder Unterarbeitsgruppen“ verhandelt worden, sagte beispielsweise NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Dass „fundamentale Änderungen, wie wir sie brauchen, in der Chefrunde verhandelt werden, ist, glaube ich, nicht verwunderlich.“

    Trotzdem versucht die Union allzu hohe Erwartungen zu dämpfen. Ein gründlich ausgearbeiteter Koalitionsvertrag sei wichtiger als Schnelligkeit. Oder wie es Carsten Linnemann ausdrückte, der am Montag in Metapher-Laune war: „Wenn der Mantel unten falsch eingeknöpft ist, dann kriegen sie den oben nicht mehr zu.“

    In Richtung der Journalistinnen und Journalisten im Konrad-Adenauer-Haus sagte er: „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen.“ Dabei war es die Union selbst, die mit einem ambitionierten Zeitplan diesen Druck überhaupt erst aufgebaut hatte. Bis Ostern, so gab es die Union vor, sollte die neue Regierung stehen. Spätestens in der ersten Aprilwoche müssten dann abschließende Fragen geklärt werden. Zuletzt klangen die Verhandler dabei aber weniger optimistisch.

    Und nicht nur die Verhandler, sondern auch die Bevölkerung. In den Umfragen sackte zuletzt vor allem die Union ab. Linnemann versuchte den Pessimismus etwas zu dämpfen. Und verwies dabei gleich zwei Mal auf die deutsche Nationalmannschaft. Erstens warnte er davor, die Koalition verfrüht schlechtzureden. Nach dem Achtelfinale 2014 gegen Algerien hatte man die Nationalmannschaft auch kritisiert und später sei Deutschland Weltmeister geworden. Und zweitens zitierte Linnemann noch den Bundestrainer Julian Nagelsmann: „Wir reden nur noch über Probleme, und nicht mehr über Lösungen“. Zumindest die Nationalmannschaft ist damit ja auf Erfolgskurs.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Helmut Eimiller

    Die Union hätte mit dem Schuldenpaket bereits einen „sehr, sehr hohen Kredit in Anspruch genommen“, umschreibt Linnemann die abrupte 180-Grad-Wende seiner Partei. Um bei diesem Bild zu bleiben: Einen Kredit kann man nur innerhalb des eingeräumten Kreditrahmens in Anspruch nehmen. Im Wirtschaftsleben bedarf es hierfür eines überzeugenden Business-Plans und auch die Politik sollte ihren Finanzbedarf dem Souverän genau erläutern. Sie hatte bei der Bundestagswahl die beste Gelegenheit dafür, diese wurde aber leider nicht genutzt. Stattdessen ließ man nun den alten und abgewählten Bundestag über ein überdimensioniertes Finanzpaket entscheiden; einen Bundestag, der nicht mal in der Lage war, den Haushalt für 2025 ordnungsgemäß zu verabschieden. Und Kaufprämien für E-Autos hätte man dem Souverän kaum als Investition in die Infrastruktur verkaufen können. „Das war definitiv das letzte Mal, dass ich auf so etwas reinfalle.“ – so auch die WELT-Überschrift zur CDU-Austrittswelle

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden