Er gilt als sozialdemokratisches Urgestein in Österreich, war einer der am längsten dienenden Parlamentarier der SPÖ, in den 80er Jahren Wissenschaftsminister, später Nationalratspräsident und schließlich Bundespräsident. Auch mit 86 Jahren ist Heinz Fischer ein politischer Mensch geblieben. In diesen Tagen, da in Wien hinter verschlossenen Türen um die Bildung einer neuen Dreier-Koalition gerungen wird, ist er ein begehrter Gesprächspartner. Am Dienstag traf er in Wien Journalisten ausländischer Medien, um über die verfahrende politische Situation in Österreich zu reden. In den Schuhen seines Nachfolgers in der Hofburg, Alexander Van der Bellen, möchte er jedenfalls nicht stecken.
Bundespräsident Van der Bellen bremste die FPÖ aus
Die Entscheidung des amtierenden Präsidenten, FPÖ-Chef Herbert Kickl trotz des Wahlsieges der extremen Rechten nicht den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung zu erteilen, sorgt in unserem Nachbarland nach wie vor für heftige Diskussionen. Nicht wenige Beobachter, aber auch Spitzenpolitiker, sehen Van der Bellens Agieren als Steilvorlage für den FPÖ-Chef, sich als „Opfer“ zu inszenieren.
Tatsächlich errang dessen Partei vor wenigen Tagen bei der Landtagswahl in der Steiermark mit 35 Prozent einen weiteren Erdrutschsieg, in Umfragen legt die AfD-Schwesterpartei stetig zu. „Ich persönlich finde, dass Van der Bellen nichts falsch gemacht hat“, verteidigt Fischer den Präsidenten dennoch. „Das ist natürlich kein verfassungswidriges Vorgehen, und auch kein ungerechtes.“ Für das Erstarken der FPÖ nennt Fischer drei Gründe: Das „Flüchtlingsproblem“, die Tatsache, dass die FPÖ in „Fragen der Pandemie“, hier vor allem bei der letztlich gescheiterten Impfpflicht „Recht behalten“ hätte, sowie einen „Abnützungsprozess“ der beiden ehemals großen Parteien ÖVP und SPÖ.
Welchen Beitrag zum Aufstieg der extremen Rechten leistete seine eigene Partei, die SPÖ? Sieht der Politprofi Fehler? Fischer bleibt vage: Die Sozialdemokratie hätte eben heute nicht mehr die geschlossene Anhängerschaft aus Arbeitern, wie das jahrzehntelang der Fall gewesen sei. Eine „Spaltung“ der Meinungen hinsichtlich der FPÖ und in der Frage, ob man mit ihr nicht doch zusammenarbeiten kann, sieht Fischer sowohl bei den Konservativen als auch bei den Sozialdemokraten. Der Ex-Präsident spielt damit auf die immer zahlreicher werdenden Stimmen in seiner Partei an, die sich, gegen die vorherrschende Linie, sehr wohl eine solche Zusammenarbeit vorstellen können.
Fischer spart nicht mit Kritik am gesundheitlich angeschlagenen SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der als Anführer der Partei-Rechten und scharfer Kritiker von Parteichef Andreas Babler gilt: „Doskozil ist einer, den ich im Innersten bedauere, weil er so krank ist. Ich bezweifle, dass er im Burgenland seine absolute Mehrheit behaupten kann. Und wenn er sie nicht behaupten kann, wird er vielleicht gescheit genug sein, zurückzutreten und seine politische Laufbahn beenden.“
Wendet sich die ÖVP doch den extremen Rechten zu?
Und wie soll es in Wien weitergehen? Im Falle eines Scheiterns der äußerst schwierigen und bereits jetzt von Konflikten geprägten Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos erwartet Fischer, dass die ÖVP sich rasch doch der Kickl-FPÖ zuwenden werde – dann unter einem anderen Parteichef als noch-Kanzler Karl Nehammer.
Potenzial, dass die Gespräche platzen, sei vorhanden – auch in der SPÖ. Die Verhandlungen könnten vor allem am Geld scheitern. „Das kann doch nicht sein, dass uns die Vorgänger-Regierung ein Milliarden-Defizit hinterlassen hat, und beim Aufarbeiten jetzt soll nur ausgabenseitig gekürzt werden und einnahmenseitig soll nichts passieren“, zitiert Fischer den Unmut im SPÖ-Verhandler-Umfeld.
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