Unabhängige Regierungsberater haben Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ein gemischtes Zeugnis über seine dreijährige Amtszeit ausgestellt. In Schulnoten ausgedrückt, würde der Expertenrat für Klimafragen dem Grünen-Politiker wohl die Gesamtnote 3 geben. „Wenn man unser Gutachten liest, dann wird man sagen, das ist ein gemischtes Bild“, bilanzierte der Vorsitzende des Gremiums, Hans-Martin Henning, am Mittwoch in Berlin.
Habeck habe den Ausbau von Windkraft und Solarenergie „beherzt angegangen“, meinte der Professor für Energietechnik. Er lobte auch den „ganzheitlichen Ansatz“ des umstrittenen Heizungsgesetzes, das den Wirtschaftsminister viel Ansehen bei den Wählern gekostet hatte. Es habe das Potenzial, den Ausstoß an Kohlendioxid nennenswert zu senken. „Das Bild ist dennoch gemischt, weil natürlich etliche der Emissionsminderungen … auf wirtschaftlichen Rückgang zurückzuführen sind“, sagte Henning. Der Expertenrat war 2020 von der damaligen Bundesregierung mit der Aufgabe gegründet worden, die Klimapolitik Deutschlands eingehend zu bewerten. Ihm gehören Wissenschaftler verschiedener Hochschulen und Forschungseinrichtungen an.
Wo steht der deutsche Klimaschutz?
Um den Klimawandel zu bremsen, hat sich Deutschland im Pariser Abkommen verpflichtet, bis zur Mitte des Jahrhunderts den Ausstoß an Treibhausgasen auf Null zu senken. Auf dem Weg zu diesem Ziel hat sich die Bundesrepublik Zwischenziele gesteckt. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 um 65 Prozent reduziert werden. Die gute Nachricht: Im Vergleich zum zurückliegenden Jahrzehnt bis 2020 hat Deutschland beim Klimaschutz an Tempo zugelegt. Die schlechte: Aus Sicht der Klimaexperten wird trotz aller Anstrengungen und Fortschritte die Zwischenetappe verfehlt. „Die in den vergangenen Jahren beobachtete Geschwindigkeit der Treibhausgas-Emissionsminderung würde nicht ausreichen, um das gesetzlich festgelegte Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen“, schreiben die Forscher. Ihren Zahlen zufolge müsste die CO₂-Einsparung noch einmal um die Hälfte gesteigert werden, um auf den 2030-Pfad zu gelangen.
Welche Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft laufen beim Klimaschutz hinterher?
Während Kraftwerke wegen des Ausbaus an Erneuerbaren Energien seltener laufen und weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, die Industrie aufgrund der Wachstumsschwäche ungewollt klimafreundlicher ist, liegen die Bereiche Gebäude und Verkehr weit hinter Plan. Im Gebäudebereich hat Habeck ein politisches Waterloo erlebt und für massive Verunsicherung gesorgt. In der Folge brach der Absatz an Wärmepumpen ein, hat sich zuletzt aber wieder erholt. Wie sich der vorgesehene Ausbau der Fernwärme auf die Klimabilanz auswirken wird, kann noch nicht beziffert werden. Die Städte in ganz Deutschland arbeiten gegenwärtig an der dazugehörigen Wärmeplanung. Im Verkehrssektor hat die Ampel-Koalition mit der Einführung des Deutschlandtickets versucht, mehr Menschen in Bus und Bahn zu locken. Laut dem Expertenrat ist die Studienlage uneindeutig, wie viele Pendler durch die stark vergünstige Fahrkarte ihr Auto stehenlassen. Zuständig für die Verkehrspolitik war nicht der Grünen-Wirtschaftsminister, sondern Verkehrsminister Volker Wissing (Ex-FDP).

Wie müsste der Klimaschutz in Deutschland anders aufgestellt werden?
Nach Einschätzung der Fachleute leistet sich Deutschland teilweise einen überteuerten Klimaschutz und produziert dadurch eine soziale Unwucht. Als Beispiele nennt das Gutachten die ausgelaufene E-Autoprämie und das Deutschlandticket. Mit etlichen Steuermilliarden sei ein vergleichsweise geringer CO₂-Effekt erreicht worden. Die Förderung von E-Autos und die Zuschüsse für Solardächer sind der Analyse zufolge vor allem Besserverdienern zugutegekommen. Die höhere Belastung aus der CO₂-Besteuerung treffe vor allem Haushalte mit mittleren und kleinen Einkommen. Der Rat sieht in der Einführung eines Klimageldes eine Möglichkeit, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.
Sollte die nächste Bundesregierung den Klimaschutz drosseln?
„Ehrlich gesagt sehen wir das auch als keine sehr naheliegende Option, jetzt die Ziele einfach aufzugeben“, erklärte Ratsvorsitzender Henning. Er sieht die Politik durch das Pariser Abkommen, das gesetzlich verankerte Klimaziel und das Klimaurteil des Verfassungsgerichts an den eingeschlagenen Kurs gebunden. Er rät CDU und CSU auch davon ab, nach der Neuwahl das Heizungsgesetz wie angekündigt zu schleifen. Henning nannte es leichtsinnig und gefährlich, das Gesetz und die Wärmeplanung der Städte zurückzudrehen. Ein grünes Wirtschaftswunder, wie es Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen hatten, erwartet der Professor allerdings nicht. Das ökonomische Bild der Energiewende sei nicht schwarz-weiß.
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