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Klimaschutz: Habeck hat ein Dackel-Problem

Energiewende

Habeck will Deutschland klimafreundlich machen – und hat ein Dackel-Problem

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    Hantierte mit einem großen Balkendiagramm, um anschaulich zu machen, wie sich die Treibhausgasmengen in Deutschland verringern müssen.
    Hantierte mit einem großen Balkendiagramm, um anschaulich zu machen, wie sich die Treibhausgasmengen in Deutschland verringern müssen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Robert Habeck muss um die große Liebe der Deutschen zu Hunden wissen. Und davon, dass diese Liebe seinem großen Ziel im Wege steht. Als er sein Sofortprogramm für den Kampf gegen die Erderwärmung am Dienstag vorstellt, kommt er auf des Menschen liebsten Freund zu sprechen. Denn mit ihm gehen seine Halterinnen und Halter in der schönen Natur Gassi, dort wo künftig zur Weltenrettung Windräder stehen sollen, was wiederum den Widerstandsgeist anregt. „Da geh ich immer im Sommer spazieren mit meinem Waldi“, sagt Habeck und umschreibt damit das ärgste Problem der deutschen Energiewende.

    Es ist das „Bitte nicht in meinem Vorgarten“-Problem. Klimaschutz und Energiewende ja, aber ohne, dass ich aus meinem Fenster Windräder und Strommasten sehen muss. „Oder wo ich früher als Kind gespielt habe“, ergänzt der Wirtschaftsminister. Im Moment davor muss er plötzlich husten und hat große Mühe, die Worte herauszubringen, als wäre das ein Symbol für die Sperrigkeit des Vorgarten- oder Waldi-Problems.

    Deutschland muss pro Jahr dreimal so viel Klimagas einsparen wie bisher

    Was sich der Anführer der Grünen vorgenommen hat, ist natürlich noch viel größer als sperrig. Er hat über Weihnachten und den Jahreswechsel die Abteilungen seines Ministeriums rechnen lassen. Herausgekommen sind zwei griffige Formeln. Erstens: Deutschland muss pro Jahr dreimal so viel Klimagas einsparen wie bisher, also das Tempo verdreifachen. Zweitens: Die von Windrädern besetzte Fläche muss sich bis 2030 vervierfachen.

    Windräder auf den deutschen Höhen - in vielen Dörfern und kleinen Städten wehrt sich ein Teil der Bürger dagegen.
    Windräder auf den deutschen Höhen - in vielen Dörfern und kleinen Städten wehrt sich ein Teil der Bürger dagegen. Foto: Ralf Lienert

    Habeck hat Diagramme erstellen lassen und die blauen Balken, die die installierte Windkraftleistung zeigen, gehen in den nächsten Jahren steil nach oben. „Was wir vorhaben, ist megakompliziert“, sagt er. Damit er die Flächen für die Windräder zusammenbekommt, will er mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer reden und dafür auf Tournee gehen. Im Sommer soll die Runde enden.

    Zwar sind er und sein Stab überzeugt, den Länderchefs per Gesetz vorschreiben zu können, zwei Prozent ihrer Fläche für Windräder vorzuhalten. Aber ohne deren Mitwirkung wird es nicht gehen, weil sie die Landesentwicklungspläne entwerfen. In denen wird geregelt, wo Windparks entstehen können. An Bayerns Mächtigen, Markus Söder (CSU), sendet der Wirtschaftsminister die Botschaft, dass der die starre Abstandsregelung schnell abschaffen soll. Sie zwingt den Freistaat bislang auf die hinteren Ränge bei der Windkraft, weil der Abstand der weißen Spargel zu Wohnhäusern sehr weit sein muss.

    Steigt die Zahl der Windkraftgegner auch um den Faktor 4?

    Derzeit, so hat es Habeck ermitteln lassen, stehen auf 0,5 Prozent der Fläche Deutschlands Windräder, woraus sich der Faktor vier ergibt. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die Zahl der Windkraftgegner um denselben Faktor wächst. Derzeit gibt es in Deutschland rund 1000 Bürgerinitiativen, die sich das Panorama nicht verbauen lassen wollen, oder befürchten, dass Windräder krank machen.

    Volle Hütte über Windräder und Stromleitungen - in Bürgerforen will Habeck die Menschen von der Energiewende überzeugen.
    Volle Hütte über Windräder und Stromleitungen - in Bürgerforen will Habeck die Menschen von der Energiewende überzeugen. Foto: Fred Schöllhorn

    Habeck will deshalb reden. Bürgerbeteiligung soll nicht mehr heißen, dass auf dem Gemeindeamt die Akten ausliegen, die sich einige wenige anschauen, sondern die volle Turnhalle, „weil man sich nicht über Paragrafen austauscht, aber sich dann in die Augen schaut“, wie es der 52-Jährige nennt. Der Politikphilosoph hat dabei die Vision, ganz Deutschland zur Turnhalle zu machen. Der radikale Wandel der Art zu leben, soll im Gespräch der auseinanderfallenden Gesellschaft über das gute Ziel gelingen. Bei Habeck klingt das so: „Wir müssen uns helfen gegenseitig, noch mal neu aufeinander zugehen.“

    Am neuen Miteinander, an einem neuen Stil in der Politik, der das Einigende sucht und nicht das Trennende, arbeitet der Mann aus dem hohen Norden Deutschlands schon länger. Er wollte damit Kanzlerkandidat der Grünen werden, aber das wurde Annalena Baerbock. Seit ihrem Scheitern ist Habeck wieder die unbestrittene Nummer 1 bei den Grünen.

    Aus den Froschfeunden werden die Krötenschlucker

    Doch auch er konnte nicht verhindern, dass die Partei in die Regierung holperte. Anton Hofreiter als Frontmann des linken Flügels bei der Vergabe der Ministerämter ausgebootet, an die FDP die beiden wichtigen Ministerien Finanzen und Verkehr verloren, die Atomkraft auf dem Weg zur Einstufung als nachhaltige Technologie – all das sorgt für Verdruss. Berichte über den Fehlstart werden mit welkenden Sonnenblumen illustriert. Die früher als Froschfreunde titulierten, heißen heute Krötenschlucker.

    "Nein, Toni , Du wirst leider nicht Minister." Der Chef des linken Flügels ging bei der Vergabe der Kabinettsposten leer aus.
    "Nein, Toni , Du wirst leider nicht Minister." Der Chef des linken Flügels ging bei der Vergabe der Kabinettsposten leer aus. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Habeck macht deshalb Tempo bei der Regierungsarbeit, weil er es für nötig hält und weil es den Nebeneffekt hat, andere Überschriften zu produzieren. Bis Ostern soll das erste Gesetzespaket von seinen Leuten ausgearbeitet sein, im Sommer das zweite folgen. Eine Sprecherin des Hauses, die schon einige Minister hat kommen und gehen sehen, ist ehrlich beeindruckt über die Schlagzahl, die der neue Chef vorgibt. Neben dem Waldi-Problem müssen ihm solche Kleinigkeiten gelingen, wie die Umrüstung der Energiefresser Stahlwerke, Aluhütten oder Papierfabriken auf Grün. Sie sollen trotz des dadurch entstehenden Kostennachteils in Deutschland weiterproduzieren.

    Damit Wasserstoff als sauberer Brennstoff zur Verfügung steht, soll das milliardenschwere Förderprogramm aufgestockt werden. Weil Grüne, FDP und SPD nicht unendlich Geld zur Verfügung haben, deutet vieles darauf hin, dass die Förderung von Elektroautos abgeschmolzen wird.

    Strom, Benzin und Gas werden teurer

    Das Flächenproblem der Windkraft entspannen, soll ein Solarprogramm für die Dächer. Bei neuen Gewerbebauten soll die Photovoltaik-Anlage Pflicht, bei Wohnhäusern zur Regel werden. Gegen eine Pflicht für Eigenheime und Mehrfamilienhäuser sperrt sich der Koalitionspartner FDP. Wie verpflichtend die Regel ausgestaltet wird, lässt der zuständige Klimaschutz-Minister offen.

    Ach ja: Strom, Benzin und Gas werden teurer. „Die Verbraucher und Unternehmen ächzen unter den hohen Preisen. Diesem Preisanstieg muss schnellstmöglich Einhalt geboten werden“, fordert die CSU-Klimapolitikerin Anja Weisgerber. Die Energiepreise sind jetzt Habecks Preise.

    Ob er angesichts der gewaltigen Transformation, die er steuern muss, nicht mit dem Scheitern rechnet, fragt ihn ein Journalist. Habeck antwortet mit Hölderlin. Wo Gefahr ist, wächst auch das Rettende.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcast-Serie "Gespalten – Gundremmingen und das Ende der Atomkraft" an.

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