Der Präsident des Umweltbundesamtes ist kein neutral vor sich hin arbeitender Beamter. Dirk Messner kämpft für den Klimaschutz und macht deshalb Vorschläge, für die er Prügel bezieht. So machte er sich für ein Verbot von Kaminen stark, damit weniger Treibhausgas aus den Schornsteinen kommt und die Luft sauberer wird. Jetzt knallt Messner wieder so eine Forderung auf den Tisch. "Wir müssen den Fleischkonsum zurückdrängen." Als Begründung für seinen Appell zitiert der Behördenchef Studien, wonach zwei Drittel des CO2-Ausstoßes der Landwirtschaft auf die Tierhaltung zurückgehen.
Messner richtet sich aber nicht nur an die Verbraucher, sondern an die Unternehmen, die Fleisch verkaufen. Er meint damit nicht die Metzger, sondern die großen Supermarktketten. Seine Beamten haben eine Studie in Auftrag gegeben, die untersucht, wie nachhaltig Aldi, Lidl, Edeka und Rewe sind. Das Ergebnis der Analyse: Es gibt schon viel Bio in den Regalen, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben. Studienleiter Christian Schader formuliert es etwas deutlicher. "Wir sehen einen positiven Trend, ganz klar. Aus meiner Sicht ist das viel zu langsam."
Die Energie-Frage im Supermarkt: Woher kommt der Kaffee?
Schader arbeitet nicht beim Umweltbundesamt, sondern beim Forschungsinstitut für ökologischen Landbau aus der Schweiz. Mit seinen Kollegen hat er sich im Auftrag von Dirk Messner angeschaut, wie nachhaltig die Ketten arbeiten. Sie kontrollieren zwischen 75 und 80 Prozent des Marktes.
Die Unternehmen haben sich an der Untersuchung beteiligt. Schader hat also nicht in den bundesweit 37.000 Märkten persönlich nachgesehen, wie die Lage ist. Eingang in die Studie fand zum Beispiel der Anteil nachhaltig erzeugter Produkte im Sortiment, wie zum Beispiel Bio-Kaffee, Bio-Kakao und Fisch aus zertifizierter Zucht. Oder ob die Geschäfte mit grünem Strom versorgt werden und wie verhindert wird, dass Nahrungsmittel weggeschmissen werden.
Die Forscher haben auch gefragt, ob Nachhaltigkeit ein Unternehmensziel ist und wie es in der Praxis umgesetzt wird, wo der Preis das Maß aller Dinge ist. Für jeden Unterpunkt gab es dann Noten von eins bis fünf, wobei fünf anders als in der Schule den Spitzenwert bildet. Im Gesamtdurchschnitt steht die Note von 2,5. Jede der Ketten hat Stärken und Schwächen, in der Summe liegen sie aber auf ähnlichem Niveau.
Heikelster Punkt war der Anteil von Fleisch, Wurst und Milchprodukten im Sortiment. Im Idealfall soll ihr Anteil am Umsatz 15 Prozent beziehungsweise 13 Prozent nicht übersteigen. Hier wollten die großen Vier aber nicht erst sagen, wie viel Geld sie damit einnehmen. Eine Analyse der Werbeprospekte, die die Forscher vorgenommen haben, deutet darauf hin, dass Fleisch- und Milchprodukte wichtige Umsatzbringer sind. Der Anteil von Produkten tierischen Ursprungs auf den Prospekten beträgt 46 Prozent, pflanzliche Ersatzprodukte wie Sojaschnitzel machen nur zwei Prozent aus.
Supermarktketten wehren sich gegen Vorwürfe
Julia Adou von Aldi Süd will nicht auf sich sitzen lassen, dass der Handel den Wandel bremst. "Wir haben unsere Rolle lange angenommen", sagt Adou bei der Vorstellung der Studie. Sie ist bei Aldi Süd zuständig für das Thema Nachhaltigkeit. Sie nennt ein Beispiel: Aldi Süd verkaufe seit 18 Jahren Bio-Fleisch und sei heute im Verbreitungsgebiet Marktführer. "Es hat 18 Jahre gedauert. Es gibt nach wie vor Straßenzüge in Deutschland, da braucht man kein Bio-Fleisch in die Regale zu legen", meinte Adou. Nur fünf Prozent der Kunden besuchten die Nachhaltigkeitsseiten von Aldi Süd im Internet, "die Masse der Menschen interessiert sich für Produkte, die hohe Qualität und einen guten Preis haben."
Wirklich etwas gebracht hat für Lidl-Manager Stefan Haensel das Siegel für die Haltungsformen von Fleisch von 1 für Stallhaltung bis 4 für Premium. "Die Nachfrage hat sich sukzessive nach höherwertigen Standards gesteigert." Einen Schub für mehr Nachhaltigkeit erwartet Haensel durch das 2023 greifende Lieferkettengesetz, dass den Handel verpflichtet genau darauf zu achten, unter welchen Bedingungen Nahrungsmittel hergestellt werden. Dirk Messner vom Umweltbundesamt reicht das nicht. Er verlangt gesetzliche Mindeststandards für den Einkauf von Kaffee, Kakao und Palmöl sowie ein Verbot besonders schädlicher Fischfangarten. Für seine Verhältnisse sind das vergleichsweise milde Forderungen.