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Klimaschutz: Aktivisten verschärfen Methoden: Blockiert die "Letzte Generation" bald Flughäfen?

Klimaschutz

Aktivisten verschärfen Methoden: Blockiert die "Letzte Generation" bald Flughäfen?

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    Radikal protestieren Mitglieder der Bewegung "Aufstand der letzten Generation" für Klimaschutz.
    Radikal protestieren Mitglieder der Bewegung "Aufstand der letzten Generation" für Klimaschutz. Foto: Carsten Koall, dpa

    Die meistbefahrene Autobahn Deutschlands, der Berliner Stadtring, gilt seit Tagen als zentraler Ort des zivilen Widerstands. Als solchen haben ihn die Klimaaktivisten der Bewegung „Aufstand der letzten Generation“ ausgerufen. Seit Ende Januar blockieren sie täglich den Straßenverkehr in Berlin und anderen deutschen Großstädten, heften sich teils mit Sekundenkleber an den Asphalt, geraten mit Autofahrern aneinander, landen in Polizeigewahrsam. Wie aufgewühlt müssen Aktivisten sein, um solche Mittel zu wählen? Und sind es die richtigen?

    „Wir können es uns nicht mehr leisten, überhört zu werden“, sagt Carla Hinrichs, Pressesprecherin der Bewegung, an der nach eigenen Angaben rund 150 Menschen in Deutschland aktiv teilnehmen. Die Welt rase auf einen Klimakollaps zu, sagt Hinrichs. Dürren und Umweltkatastrophen in Folge der Erderwärmung könnten bereits in wenigen Jahren Ernteausfälle verursachen, Hungersnöte würden folgen.

    Mit diesem Wissen sei die aktuelle Lebensmittelverschwendung in Deutschland nicht zu ertragen, sagt die 25-jährige Jurastudentin. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel würden pro Jahr entsorgt. „Und das muss aufhören.“ Ihre Bewegung fordert zweierlei: Eine Agrarwende bis 2030. Vor allem aber ein „Essen-Retten-Gesetz“, mit dem Supermärkte verpflichtet werden sollen, noch genießbare Lebensmittel zu spenden. Erst wenn die Bundesregierung diesem Gesetz verbindlich zusagt, wollen die Protestierenden die Blockaden beenden.

    Die "Letze Generation" atmet den Geist der Apokalypse

    Bei einem digitalen Pressegespräch mit der „Letzten Generation“ wird schnell klar, wie heterogen die Gruppe ist. Da ist die junge Lea Bonasera, die während des Bundestagswahlkampfs mit sechs anderen 27 Tage lang in den Hungerstreik trat und so Olaf Scholz ein Podiumsgespräch abrang. Und da ist Ernst Höhmann – 72 Jahre, acht Enkel –, der mit zittriger Stimme aus einem Skript vorliest: „Wenn wir das Unheil abwenden wollen, müssen wir jetzt endlich die große Transformation mit voller Kraft umsetzen.“

    Von einer „Revolution für das Leben“ ist die Rede und vom „Widerstand“. Davon, dass dieser Protest nicht nur Recht, sondern vor allem Pflicht sei. Und dass die Medien Teil dessen sein sollten. „Lassen Sie es uns zusammen anpacken!“, appelliert Hinrichs. Im Gruppennamen wie auch in der Wortwahl – die „Letzte Generation“ atmet den Geist der Apokalypse.

    Doch warum protestieren Klimaaktivisten ausgerechnet auf Autobahnen gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln? „Das ist auf den ersten Blick vielleicht ein komisches Bild“, sagt Hinrichs. Petitionen, Demonstrationen und Mahnwachen hätten allerdings nicht den erwünschten Effekt gehabt. Um zu verhindern, dass die Regierung die Bewegung ignoriert, wollen die Aktivistinnen und Aktivisten die größtmögliche Störung hervorrufen. Und wo gehe das besser als auf viel befahrenen Autobahnen, sagt die 25-Jährige. Das gleiche Ziel verfolgten sie, als sie den Vorgarten des Kanzleramtes in einen Acker verwandelten und Kartoffeln anpflanzten. „Wir sind so verzweifelt und haben solche Angst, dass wir auch Grenzen übertreten und gegen Gesetze verstoßen.“

    Protestforscher: Je radikaler die Methoden, desto geringer der Erfolg

    Doch auf diese Weise könnte die Gruppe genau das Gegenteil erreichen, sagt Philipp Gassert, Protestforscher und Professor für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim. „Je radikaler ein Protest wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Forderungen erfüllt werden.“ Das Ziel jeder Bewegung sei, auf ein spezielles Thema aufmerksam zu machen. Das sei der „Letzen Generation“ gelungen. Doch es gebe eine Grenze: Sobald Aktionen destruktiv werden, Routinen und alltägliche Abläufe stören, verlieren Bewegungen Anhänger und die Zustimmung der Menschen, die sie eigentlich ansprechen wollen.

    Auch vonseiten der Politik gibt es Kritik: Zwar sei es toll, dass sich immer mehr Menschen aktiv für Klimaschutz einsetzen, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag. Doch bei jeder Form des Protests gelte der Grundsatz: Die Demonstrierenden dürfen sich selbst und andere nicht in Gefahr bringen. Und das sei bei den Blockaden der „Letzten Generation“ nicht gewährleistet. „Unangemeldet eine viel befahrene Straße zu besetzen, ist meiner Meinung nach kein geeignetes Mittel, um Mehrheiten für Klimaschutz zu gewinnen“, sagt die Grünen-Politikerin. Laut Schulze mache sich ihr Parteikollege und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bereits stark für Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung.

    Dass die Methoden der Protestierenden der gesamten Klimabewegung schaden, fürchtet Schulze nicht. Es gebe genügend Aktionen und Demonstrationen, die weniger radikal vorgehen und mit denen sich die Menschen identifizieren können. Fridays for Future sei das Paradebeispiel dafür, wie viel man mit friedlichem und ungefährlichem Protest erreichen könne.

    Die Aktivisten verteilen Mist im Ministerium und wollen Flughäfen blockieren

    Ohnehin scheint die Bewegung in Schulzes Heimat Bayern noch keine allzu große Rolle zu spielen. Die Gruppe werde nicht vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, heißt es aus dem Innenministerium in München auf Anfrage. Von zehn bis 30 aktiven Mitgliedern im Freistaat sprechen die Initiatoren, Tendenz steigend. Aber genau weiß das keiner so recht. Die Strukturen sind undurchsichtig. Die Koordination läuft in erster Linie online.

    Bisher sind nur zwei Aktionen der „Letzten Generation“ in Bayern bekannt. Am Dienstagmorgen blockierten Protestierende eine Kreuzung in der Bayreuther Innenstadt. Vor zwei Wochen legten fünf Aktivisten in Münchens Zentrum Obst und Gemüse auf die Straße und traten in einen Sitzstreik. Zwei davon klebten sich an die Fahrbahn. Nun erwartet sie eine Strafanzeige wegen Nötigung im Straßenverkehr.

    Der Protest der „Letzten Generation“ fokussiert sich weiterhin auf die Bundeshauptstadt mit Blockaden rund um den Stadtring. Gut 50 Zu- und Abfahrten hat die Strecke, alles potenzielle Verkehrsinfarktstellen. „Wir können natürlich nicht überall kontrollieren und sind deshalb hauptsächlich an den Knotenpunkten präsent“, sagt ein Sprecher der Berliner Polizei. Eines sei ihm aufgefallen: In der vergangenen Woche hätten die Beamten nur eine Person zum allerersten Mal aufgegriffen. „Einen haben wir dafür schon 18 Mal erwischt. Es ist ein überschaubarer Kreis, der in den letzten Wochen aber sehr aktiv war.“

    Doch der überschaubare Kreis verschärft jetzt die Mittel. Am Dienstag schleusten sich acht Aktivisten ins Bundeslandwirtschaftsministerium ein und verteilten Mist auf dem Teppich des Eingangsbereichs. Einen Tag darauf stellte die Gruppe dem Kanzler per offenem Brief ein Ultimatum: Sollte er bis Sonntag ein Essen-Retten-Gesetz zusagen, würden die Proteste ausgesetzt. Wenn nicht, dann sollen zukünftig nicht nur Autobahnen blockiert werden. Dann will die „Letzte Generation“ auch Häfen und Flughäfen in Angriff nehmen.

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