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Klimaproteste: "Die Möglichkeit, dass ich sterben werde, ist sehr präsent"

Klimaproteste

"Die Möglichkeit, dass ich sterben werde, ist sehr präsent"

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    Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick befindet sich seit dem 7. März im Hungerstreik.
    Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick befindet sich seit dem 7. März im Hungerstreik. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Etwa 500 Meter Fußweg trennen den Fordernden und den Geforderten. Als Wolfgang Metzeler-Kick an einem Aprilnachmittag von seinem täglichen Spaziergang zum Kanzleramt zurückkommt, fängt es gerade an zu regnen. Unbeeindruckt trottet der 49-Jährige langsam in das Zelt im Spreebogenpark, in dem er seit Anfang März wohnt. "Im Sitzen geht es mir ganz gut", sagt er daraufhin, etwas aus der Puste. Stehen sei ihm auf Dauer zu anstrengend, geschweige denn rennen. Der Aktivist befindet sich seit dem 7. März im Hungerstreik. Den Weg zum Kanzleramt und zurück kennt er mittlerweile: Metzeler-Kick gibt dort an der Pforte jeden Tag einen Brief mit seinen Forderungen an den Kanzler ab.

    "Herr Scholz, sprechen Sie es aus: Wir steuern in die Klimahölle." So und so ähnlich ist es auf Bannern und Zelten zu lesen, die auf einer Wiese im Regierungsviertel stehen. Metzeler-Kick ist dick eingepackt, trägt Wanderschuhe, mehrere Schichten Kleidung und eine Wollmütze. Er bittet darum, sich für das Gespräch hinzusetzen. Verständlich, seit Anfang März ernährt sich Metzeler-Kick von anderthalb Litern Wasser-Orangensaft-Salz-Gemisch pro Tag. An einem Aprilnachmittag blickt er besorgt auf die Flasche mit der orangen Flüssigkeit: "Die 125 Milliliter müssen bis zum Abend reichen."

    Die Letzte Generation ist für den Aktivisten nicht radikal genug

    2015 fing der Ingenieur für Umweltschutz an, sich zu engagieren. Zunächst bei "Parents for Future", dann immer aktiver. Sein Sohn verstehe mittlerweile den Sinn hinter dem Engagement seines Vaters, habe ihn im Berliner Camp jedoch noch nicht besucht. Dafür, dass Metzeler-Kick seit knapp einem Monat nichts mehr isst, wirkt er aufgeweckt, spricht klar und kann teils komplizierte Zusammenhänge deutlich erklären. Im Laufe der Zeit engagierte er sich immer aktiver, an der Letzten Generation führte kein Weg vorbei. Von der Organisation wendete er sich Anfang März ab, rief die eigene Gruppe "Hungern, bis ihr ehrlich seid" ins Leben.

    Seit dem 7. März ist das Zelt im Berliner Spreebogenpark das Zuhause des Aktivisten.
    Seit dem 7. März ist das Zelt im Berliner Spreebogenpark das Zuhause des Aktivisten. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Schnell fand er Gleichgesinnte, organisierte binnen weniger Tage den Hungerstreik. Waren ihm die Forderungen der Letzten Generation nicht radikal genug? "Ja", sagt Metzeler-Kick, "die Zeit zu handeln, ist limitiert." Die Letzte Generation warte seiner Ansicht nach zu lang, komme "nicht in die Gänge". Von den Ansprüchen her unterscheiden sich die beiden Organisation nicht groß. Die zentrale Forderung Metzeler-Kicks: Man müsse jetzt, auch wenn es schon viel zu spät sei, radikal auf Klimaschutz umsteuern. Er fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dieser solle den Tatsachen "ins Auge schauen" und diese in einer Regierungserklärung ansprechen. Zentral sei dabei nicht nur die Frage, wie man den CO2-Ausstoß stoppe, sondern auch, wie man das bereits angestoßene CO2 aus der Luft bekomme.

    Klimaaktivist Metzeler-Kick saß bereits in München in Haft

    Um seine Ansichten durchzusetzen, ist Metzeler-Kick bereit, alles zu geben: "Die Möglichkeit, dass ich sterben werde, ist sehr präsent." Wünschenswert sei es jedoch nicht, aufgeben komme ihm aber nicht in den Sinn. "Ich werde nichts essen, bis sich etwas verändert." Mittlerweile hat er Unterstützung: Seit dem 25. März befindet sich der Potsdamer Richard Cluse, 57, auch im Hungerstreik. Cluse und Metzeler-Kick kennen sich von gemeinsamen Aktionen bei der Letzten Generation. Beide saßen deswegen zudem eine Zeit hinter Gittern in München-Stadelheim. Laut dem 49-Jährigen macht das Streiken Cluse zu schaffen – für ein Gespräch reiche seine Energie nicht.

    Der Plan der beiden Ingenieure sei es, zu streiken, bis der Kanzler auf ihre Forderungen eingehe. Bislang sei es zu keiner Reaktion gekommen, "gerade erwarte ich aber auch nichts", sagt Metzeler-Kick. Wenn sich der Gesundheitszustand der Streikenden verschlechtere, hoffe der Münchner auf ein Zeichen von der Politik. Auf Nachfrage bestätigt die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann, der Bundeskanzler habe das Anliegen der Aktivisten zur Kenntnis genommen. "Wir kommentieren das jedoch nicht", sagte sie. Die Klimapolitik sei der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, der Hungerstreik bereite dem Kanzler durchaus Sorgen.

    Ende der Woche läuft die Genehmigung für das Klima-Camp ab. Dann müssen Metzeler-Kick und Cluse umziehen. Wohin es gehe, sei bislang noch unklar. "Aufgeben werden wir aber sicherlich nicht." 

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