Frau Vinke, wirtschaftspolitische Themen nehmen im aktuellen Wahlkampf deutlich mehr Raum ein als Klimafragen. Aber hängen die Bereiche nicht inzwischen zusammen?
KIRA VINKE: Die ökonomische Sicherheit kann nur in einem stabilen Weltklima gelingen. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass es keinen sich stark beschleunigenden Klimawandel gibt, weil dann die wirtschaftlichen Schäden enorm wären. Wir haben das im Ahrtal gesehen, wir sehen es bei Überschwemmungen weltweit. Auch Hitzewellen können zu Produktivitätsverlusten führen und schlimmstenfalls Krankenhäuser überlasten. Gleichzeitig verursacht auch die Nachhaltigkeitstransformation Kosten. Dennoch gilt - wie in vielen anderen Bereichen -, dass Prävention nicht nur deutlich kostengünstiger, sondern hier der einzige Weg ist, um große wirtschaftliche Schäden und zivilisatorische Risiken überhaupt abwenden zu können. Durch Anpassung allein wird uns dies nicht gelingen.
Die CDU hat mit ihren Plänen in der Energiepolitik für Aufsehen gesorgt. Zum einen will sie zurück zur Kernkraft, bekräftigt allerdings, dass sie Wirtschaft, Energie und Klimaschutz zusammendenken wolle. Wie sehen Sie die klimapolitische Einstellung der Union?
VINKE: Meine Wahrnehmung ist, dass es unterschiedliche Strömungen in der Unionsfraktion gibt. Da gibt es sowohl Personen, die sehr dem Klimaschutz verschrieben sind, als auch Personen, die das als weniger zentral ansehen. Was im Wahlkampf von verschiedenen Parteien leider zunehmend diskutiert wird, sind Lösungen, die es so gar nicht gibt. Weil das einfacher ist, als Antworten auf die schwierigen Fragen von Implementierung und Skalierung existierender Technologien zu entwickeln. Zum Beispiel wird viel über Kernfusion oder großskalige CCS-Mechanismen (Carbon Capture and Storage, eine Technologie zur Speicherung von CO2) gesprochen, statt über mehr Windkraft und den Schutz natürlicher Kohlenstoffsenkern, wie Wäldern und Mooren zu reden. Es wäre wichtiger, zunächst massiv in die Technologien und naturbasierte Lösungen zu investieren, die uns schon vorliegen.
Was würden Sie sich vom Wahlkampf inhaltlich wünschen?
VINKE: Ich würde mir mehr faktenbasierte Diskussionen wünschen. Damit meine ich auch eine Debatte, die die vielen grünen Technologien und den optimistischen Blick auf das, was bereits erreicht wurde, in den Vordergrund stellt. Darüber hinaus dürfen im Eifer des Gefechts die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen nicht übergangen werden. In den Debatten scheint Klimaschutz oft wie eine freiwillige Zusatzaufgabe behandelt zu werden, als sei er lediglich „nice to have“. Dem ist aber nicht so. Durch das Bundesverfassungsgericht wurde sehr klar aufgezeigt, dass wir einer Verpflichtung unterliegen, der wir nachkommen müssen – aus gutem Grund.
Was muss die folgende Regierung erfüllen, damit Klimaschutz ernster genommen wird und die Klimaziele erreicht werden können?
VINKE: Die nächste Bundesregierung braucht starke Partner. Im Zuge der Entwicklungen in den USA braucht es erstarkte Partnerschaften mit Ländern, wie zum Beispiel Brasilien, Japan und Südkorea. Insbesondere mit Staaten, die für die regelbasierte internationale Ordnung einstehen, sollten wir unsere Kooperationen vertiefen. Wir werden aber auch mit China weiter über Klimaschutz in Verhandlungen treten müssen, gerade wenn sich die USA auf nationalstaatlicher Ebene aus diesen Themen eher zurückziehen werden.
Im November waren Sie als Beobachterin beim UN-Klimagipfel in Baku. Unter anderem haben Sie dort eine Studie über die Verzweigung von Klimawandelkonflikten und der Vertreibung von Menschen vorgestellt. Wie waren die Reaktionen zu ihrer Studie? Welche Beobachtungen haben Sie gemacht?
VINKE: Das deckt sich in gewisser Weise mit dem, was wir auch gesamtgesellschaftlich wahrnehmen. Es gibt Verständnis und die gemeinsame Sorge, dass uns die Klimafolgen immer weiter in tiefe Krisen hineinführen. Gleichwohl tritt auch eine gewisse Lähmung auf, wenn es darum geht, mehr zu tun. Auch bei knappen Haushalten können wir uns aus dem Dilemma nicht befreien, dass fehlende Investitionen im Klimaschutz Deutschland später noch viel schwerer treffen werden.
Gerade die reichen Öl-Staaten stellen sich bei Klimathemen immer wieder quer. Wie schafft man es, Länder wie Saudi-Arabien und China auf die Seite des Klimas zu stellen?
VINKE: Im Fall Chinas müssen wir uns Sorgen darum machen, dass das Land seine Marktdominanz in allen grünen Technologien ausbaut und diese auch auf lange Sicht halten und ausweiten will. Peking fährt jedoch mehrgleisig: Einerseits wird der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben, andererseits investieren sie weiterhin in den Bau von Kohlekraftwerken. Was die Öl-Staaten angeht, ist das deutlich schwieriger, weil es ihr Kernwirtschaftsmodell ist, fossile Energieträger zu fördern und zu exportieren. Unsere Wirkungsmacht entfaltet sich erst dann, wenn wir nicht nur aus der Kohle, sondern möglichst schnell aus Öl und Gas aussteigen und die Nachfrage senken. Schwere Klimafolgen könnten künftig den Druck erhöhen. Freiwillig werden diese Staaten ihr Geschäftsmodell wohl kaum aufgeben, auch wenn sie inzwischen auch in erneuerbare Energien und Wirtschaftszweige investieren.
Woher nehmen Sie Hoffnung für Ihre Arbeit?
VINKE: Ich glaube an uns Menschen, die den globalen Klimaschutz voranbringen wollen. Es gibt momentan viel Gegenwind, aber ich frage mich immer: Was hält diesen Gegenwind zusammen? Netzwerke der Desinformation im Bereich des Klimaschutzes werden vor allem durch Geld zusammengehalten. Der Zusammenhalt derer, die sich für Klimaschutz privat oder beruflich, in der Wissenschaft engagieren, geht viel tiefer, weil er eben nicht auf Geld basiert. Sinnstiftende Arbeit, ehrenamtliches Engagement, gemeinsame Werte, Solidarität und das Streben nach einer besseren Zukunft sind tragfähiger als der schnelle Gewinn, der nicht nur in einen moralischen Abgrund führt. Das gibt mir doch sehr viel Hoffnung, dass diese Phase des Rückschritts zwar noch andauert, aber vorübergeht.
Zur Person
Kira Vinke ist Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Co-Vorsitzende des Beirats der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung. Die 36-Jährige forscht zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den Menschen und berät Politikerinnen und Politiker.
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