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Klausur in Meseberg: Die Ampel-Regierung hat problematische Ministerpaare

Klausur in Meseberg

Die Ampel-Regierung hat problematische Ministerpaare

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    Kanzler Olaf Scholz mit seinem prominentesten Problempaar in Meseberg: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schickten sich wenig freundliche Briefe.
    Kanzler Olaf Scholz mit seinem prominentesten Problempaar in Meseberg: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schickten sich wenig freundliche Briefe. Foto: Julian Weber, dpa

    Zwei Tage auf dem Land, um den Ärger des Alltags zu vergessen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte seine Ministerriege nach Schloss Meseberg ins Brandenburgische eingeladen, um die Stimmung zu bessern. „Das, was hier stattgefunden hat, war ein sehr fühlbares Unterhaken“, sagte Scholz zum Abschluss am Montagnachmittag. Von ihm geisterte ein kleines Video durchs Internet, wie er bei einem kleinen Spaziergang frischen Schnee zu einem Ball formt. „Ich hab’ einen Schneeball geworfen, aber, wie es sich für einen Bundeskanzler gehört, auf niemanden“, erzählte er grinsend.

    Der Kanzler wirkte gelöst, aber nach etwas mehr als einem Jahr im Amt sind die Gemeinsamkeiten der Ampel-Koalition aufgezehrt. Im Kabinett des Sozialdemokraten haben sich unter seinen Ministern einige Problempaare gebildet. Sie machen das Regieren schwer. Selbst der grausam-bedrohliche Krieg in der Ukraine führt nicht dazu, dass die Regierung eine feste Einheit bildet.

    Das prominenteste Problempaar bilden Habeck und Lindner

    Prominentestes Problempaar bilden Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner. Beide waren zuletzt dadurch aufgefallen, dass sie sich böse Briefe schrieben, die bewusst der Presse zur Leseprobe durchgestochen wurden. An der angespannten Beziehung der beiden Alpha-Männer lässt sich der Grundkonflikt der Ampel-Koalition besichtigen. Der Grünen-Wirtschaftsminister hat die Vision, Wirtschaft und Gesellschaft eines Industrielandes in hohem Tempo auf klimaneutral umzubauen. Einen großen Teil der Rechnung soll der Staat tragen. Wenn es eine Milliarde mehr kostet - wen stört das? Er geht aber nicht nur mit dem Scheckheft umher, sondern spricht als strenger Vater auch Verbote aus, wie zum Beispiel das geplante Aus für Öl- und Gasheizungen. Am Ende der Landpartie gab sich Habeck nicht streng, sondern salomonisch. In der Abgeschiedenheit fern der Hauptstadt seien die Misstöne und Störgeräusche draußen geblieben. Es sei ein Privileg, in dieser Bundesregierung zu arbeiten.

    Der FDP-Finanzminister sprach von einer „guten Klausurtagung“. Dabei hat er eine andere Vision von der Zukunft wie Habeck. Der Staat soll das Geld zusammenhalten und Bürger und Unternehmen möglichst machen lassen. Die Schlagworte dafür sind Schuldenbremse, Autobahnausbau und Zukunft des Verbrennermotors. Dass sich die Arbeitsweise der Ampel-Regierung im zweiten Jahr zu einem einzigen Augenrollen gewandelt hat, liegt daran, dass Christian Lindner die Spielregeln geändert hat. Der 44-Jährige macht jetzt ernst mit der soliden Haushaltsführung. Bislang hat er mit Buchungstricks und Sondervermögen die Vorschrift des Grundgesetzes umgangen, zum Beispiel für die Aufrüstung der Bundeswehr oder den Schutzschirm gegen den Energiepreisschock. Diese auf Pump mobilisierten Milliarden sorgten dafür, dass die Risse in der Regierung zugeschüttet wurden. Damit ist es nun vorüber, was das Dreierbündnis schwer belastet. Alle Minister bekommen weniger Geld für ihre Herzensprojekte. Als Anführer der Grünen kämpft der Wirtschaftsminister nicht nur für seinen eigenen Beritt, sondern für die Anliegen der gesamten Partei. 

    Nebeneinander, doch politisch immer wieder überkreuz: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einem Gedenken anlässlich des Kriegsanfangs in der Ukraine vor einem Jahr mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
    Nebeneinander, doch politisch immer wieder überkreuz: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einem Gedenken anlässlich des Kriegsanfangs in der Ukraine vor einem Jahr mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Foto: Rolf Zoellner, epd/dpa

    Aus diesem Grund pflegt Habeck nicht nur zum Finanzminister ein schwieriges Verhältnis, auch der Beziehungsstatus mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist heikel. Wissing will mehr Schiene und mehr Autobahn, Habeck nur mehr Schiene. Ohne mehr Schiene wird der Verkehrssektor seinen CO2-Ausstoß nicht wie geplant senken. Doch Wissing lehnt es ab, die sprichwörtliche freie Fahrt für freie Bürger einzuschränken. Ausgang offen.

    Kompliziert ist auch die Zusammenarbeit zwischen Justizminister Marco Buschmann und Innenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Frau hält es für notwendig, dass die Telekommunikationsunternehmen zumindest kurzfristig die Internetdaten speichern, um gegen Kinderpornografie, Geldwäsche und organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Auch die Ermittler von Polizei und Geheimdiensten dringen darauf. FDP-Mann Buschmann verteidigt die klassische freiheitliche Position seiner Partei, die die Daten nur nach konkretem Verdacht speichern lassen will.

    Kanzler Olaf Scholz liegt mit seiner Außenministerin Annalena Baerbock im Clinch

    Als Chef der zankenden Riege ist es an Kanzler Scholz, Zusammenhalt und Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Dabei liegt er selbst mit seiner Außenministerin Annalena Baerbock im Clinch. Baerbock (Grüne) hat ihren Traum noch nicht aufgegeben, selbst Kanzlerin zu werden. Also fordert sie forsch Waffen für die Ukraine und erklärt, man führe einen Krieg gegen Russland. Auch gegen China will sie härter vorgehen, während Scholz im Verhältnis zu Moskau und Peking auf einem schmalen Grat wandelt. 

    Trotz der erkalteten Aufbruchsgefühle denkt in der Ampel keiner über eine Scheidung nach. Der Grund ist so simpel wie banal: Die Umfragewerte von SPD, Grünen und FDP sind schwach bis mittelprächtig. Die goldene Regel der Paartherapie lautet dazu passend, keinesfalls laut über eine Trennung zu sprechen. Denn sonst steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie kommt.

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