Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kirchenaustritte: "Die Menschen denken nach, wo sie schnell sparen können"

Kirchenaustritte

"Die Menschen denken nach, wo sie schnell sparen können"

    • |
    Katholischen Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der letzten Herbstvollversammlung in Fulda.
    Katholischen Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der letzten Herbstvollversammlung in Fulda. Foto: DPA

    Am Streit um die Piusbrüder und den Holocaust-Leugner Richard Williamson kann es nicht gelegen haben, dass die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Deutschland 2008 in die Höhe schnellte. Dieser Konflikt eskalierte nämlich erst in diesem Jahr.

    Neben Kostendruck und Wirtschaftskrise macht der Religionssoziologe Detlef Pollack von der Uni Münster sinkende Religiosität für die Austritte verantwortlich: "Menschen, die austreten, haben zumeist die Beziehung zu Glauben und Kirche verloren. Die Wirtschaftslage ist dann der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt", erklärt Pollack.

    "Die Menschen denken darüber nach, wo sie schnell sparen können", bestätigt Michael Mädler, der Sprecher der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. 19 361 Austritte hatte sie 2008 zu verkraften, 2007 waren es erst 14 880. Hat die Landeskirche deshalb vorige Woche auf die Möglichkeit hingewiesen, die Kirchensteuer zu stunden? Dabei handele es sich um eine absolute Einzelfallentscheidung "bei nachvollziehbaren, persönlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten", heißt es. Mädler bezeichnet das Angebot als eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise, nicht aber auf die gestiegenen Austrittszahlen.

    Der Augsburger Bischöfliche Finanzdirektor Klaus Donaubauer nennt konkrete Fakten, warum die Leute die Kirchensteuer einsparen: die höhere Besteuerung der Renten, die neue Zinsabgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte, die anhaltend hohen Lebenshaltungskosten, "aber auch ein weiteres Fortschreiten des Individualisierungsprozesses".

    Warum das Bistum Augsburg ganz vorne liegt, darüber gibt es keine Aufschlüsse, der Austritt erfolgt ohne Angabe von Gründen. "Die Schwelle, aus der Kirche auszutreten, wird niedriger", weiß Pfarrerin Silke Kirchberger von der evangelischen Kircheneintrittsstelle in

    In der Tat ist die kirchliche Statistik komplexer, als es die Austrittszahlen nahelegen. 2008 gab es in der Diözese Augsburg 507 Wiederaufnahmen früher ausgetretener Katholiken sowie 11 697 Taufen, die 6935 Austritte mehr als ausgleichen - allerdings nicht die 14 650 Bestattungen, die im Jahresverlauf anfielen. Deshalb sank die Gesamtzahl der Katholiken im Bistum von 1,404 auf jetzt 1,39 Millionen Gläubige.

    Aber nicht nur für Kirchenmitglieder leistet die Diözese viel. Ihre Kindergärten, Beratungsstellen und 38 Schulen stehen jedem Bürger unabhängig von seiner Religion offen. "Der vielfältige Dienst der Kirche für die Menschen ist ein hohes und unverzichtbares Gut auch und gerade für unsere Gesellschaft", sagt Donaubauer. Die Kirchensteuer trage mit 86 Prozent zur Finanzierung des kirchlichen Wirkens bei.

    Der pensionierte Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp unterscheidet indes subtil zwischen den "bürgerlichen" Wirkungen des Kirchenaustritts - eben die Befreiung von der Kirchensteuerpflicht - und der "Trennung von der Kirche". Das Verwaltungsgericht Freiburg ist im Juli seiner Argumentation gefolgt. Nun fürchten die deutschen Bischöfe einen Dammbruch. "Wir haben uns entschieden, dagegen vorzugehen", sagt ihr Vorsitzender Erzbischof Robert Zollitsch. Man sieht sich am Gericht in Mannheim.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden