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Kirche: Annäherung: Kardinal Marx feiert Queer-Gottesdienst

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Annäherung: Kardinal Marx feiert Queer-Gottesdienst

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    Kardinal Reinhard Marx setzte ein Zeichen: In München hielt er eine Messe zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gemeinde in München.
    Kardinal Reinhard Marx setzte ein Zeichen: In München hielt er eine Messe zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gemeinde in München. Foto: Julia Steinbrecht/KNA-Pool/dpa (Archivbild)

    Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da ging ein Aufschrei durch die katholische Kirche in Deutschland. Das kategorische Nein des Vatikan zur Segnung homosexueller Paare brachte viele Katholiken hierzulande auf die Barrikaden - und sogar geweihte katholische Priester widersetzten sich im Mai 2021 ganz offen und deutlich dem Diktat aus Rom.

    Im Rahmen der Aktion "Liebe gewinnt" gab es überall in Deutschland Segensfeiern für homosexuelle Paare. Seither ist einiges passiert. Im Januar dieses Jahres outeten sich 125 queere Beschäftigte der Kirche und protestierten unter dem Motto #OutInChurch gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in dieser Woche kündigte der Vorsitzende, der Limburger Bischof Georg Bätzing, eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes an. In der katholischen Kirche kann es einen bislang den Job kosten, wenn man sich zum Beispiel zu einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft bekennt. 

    Vertreter der Initiative #OutInChurch übergaben den Bischöfen bei ihrer Vollversammlung eine Petition, die rund 118.000 Menschen unterzeichnet haben. Darin stehen sieben Kernforderungen, etwa Segensfeiern für queere Paare. Weiter heißt es: "Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden." Bätzing hatte betont, die Bischöfe müssten reagieren. "Da ist Druck im Kessel."

    Kardinal Marx feiert Gottesdienst zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gemeinde

    Womöglich auch weil er das genau so gut weiß wie Bätzing, hat sich der Münchner Kardinal und frühere DBK-Vorsitzende Reinhard Marx zu einem Schritt entschieden, der so vor einigen Jahren wohl noch undenkbar gewesen wäre. Er hat beschlossen, den Gottesdienst zum 20-jährigen Bestehen der Queer-Gemeinde in der Münchner Kirche St. Paul zu feiern. Dass zum Jubiläum dieser katholischen Messen für queere Menschen und ihre Freunde der Erzbischof den Gottesdienst feiert, ist eine Besonderheit.

    Nach Angaben von Thomas Pöschl, Sprecher der Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (Huk) gibt es nur rund zehn Queer-Kirchengemeinden in Deutschland - "mit Wissen und Duldung" ihrer jeweiligen Bischöfe. Es habe auch schon Besuche und gemeinsame Gottesdienste gegeben - meist auf Wunsch der Bischöfe aber "im vertraulichen Kreis", hinter verschlossenen Türen. "Angst vor der Obrigkeit und vor dem "Skandal"", sagt Pöschl. "Kardinal Marx ist jetzt erstmals sehr öffentlich." Für Marx passt der Auftritt am Sonntagabend wohl ins neue Image des Reformers, das er sich in den vergangenen Monaten - vor allem mit seinem abgelehnten Rücktrittsgesuch an Papst Franziskus - angeheftet hat. 

    Huk

    fordert großen Druck auf Kirche

    Aus Sicht von Pöschl tut sich insgesamt aber dennoch zu wenig. "Im Herbst 2018 hatten wir alle 27 Diözesan- und 39 Weihbischöfe einzeln angeschrieben und ihnen Unterschriften "pro Partnerschaftssegnung" übersandt, die wir beim Katholikentag gesammelt hatten", sagt er. "Ganze 11 haben überhaupt geantwortet, davon 2 nur formal, dass unser Schreiben angekommen ist." Nur großer Druck könne etwas bewirken: "Nur massives Einfordern von Reformen, zum Beispiel seitens des ZdK, der Reformgruppen, #Outinchurch und so weiter treibt Bischöfe an, aber weiterhin bleibt mindestens die Hälfte schweigsam und macht keinerlei Zusagen."

    Es gebe zwar inzwischen "stärkere Hoffnungszeichen", dass sich etwas bewege in der katholischen Kirche. "Aber Skepsis ist weiterhin angebracht", betont Pöschl. "Nach Jahrzehnten der Eiszeit unter den Vorgängern von Papst Franziskus gibt es seit wenigen Jahren zunehmend Dialog um Reformen", sagte er. Aber: "Unverbindliche oder nicht nachhaltige Erklärungen einzelner Würdenträger sind zu wenig." (Britta Schultejans, dpa)

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