Erstmals hat Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch eines deutschen Bischofs wegen dessen Umgangs mit Missbrauchsfällen angenommen. Mit Franz-Josef Bode (Osnabrück) ist am Samstag völlig überraschend einer gegangen, der dies noch im Januar ausgeschlossen hatte. Es sei Teil seiner Verantwortung, im Amt zu bleiben, argumentierte er – ähnlich wie sein umstrittener Kölner Mitbruder Woelki. Er denke, sagte Bode, er "habe noch Zeit, neues Vertrauen aufzubauen".
Der 72-Jährige war nicht nur der dienstälteste Ortsbischof, er war auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Präsidiumsmitglied des innerkirchlich heftig umkämpften Reformprozesses "Synodaler Weg" – ein Schwergewicht. Erst vor knapp zwei Wochen kündigte er an, neue Segensfeiern für queere oder wiederverheiratet geschiedene Paare "zeitnah" in seinem Bistum umzusetzen, ebenso Taufen durch Nicht-Kleriker und Predigten von Nicht-Geweihten. Dass der Rücktritt dieses "Reformers" in katholisch-konservativen Kreisen jetzt regelrecht gefeiert wird, ist bezeichnend.
Bode gestand ein, in "einigen Fällen fahrlässig gehandelt" zu haben
Dabei gibt es keinen Grund zur Freude, zu betrüblich ist auch dieser Fall. Der gemeinsame Betroffenenrat der (Erz-)Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück hatte Bode kirchenrechtlich beim Vatikan angezeigt. Dieser habe "entgegen klaren päpstlichen Vorgaben gehandelt und bspw. sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige noch in diesem Jahr (2022, die Red.) als 'Beziehung' deklariert". In einem zuvor veröffentlichten Zwischenbericht zu einer unabhängigen Missbrauchsstudie für sein Bistum war Bode massiv belastet worden. Er habe sich nicht ausreichend um Opfer gekümmert und Täter im Amt gelassen. Bode gestand damals ein, in "einigen Fällen fahrlässig gehandelt" zu haben. Seine Glaubwürdigkeit sei "schwer beschädigt", sagte er.
Für seinen Rücktritt, für den er seine "zunehmend angeschlagene Gesundheit" als weiteren Grund anführte, bekundeten ihm die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" oder Journalisten Respekt. "Wir sind Kirche" erklärte zudem: "Sein Rücktrittsgesuch und die schnelle Annahme durch Papst Franziskus zeigen, wie Verantwortungsübernahme von Bischöfen und hohen Kirchenverantwortlichen praktiziert werden muss, wenn gravierende Fehler begangen wurden." Als vorbildliche Verantwortungsübernahme kann Bodes Rücktritt allerdings nicht gelten. Weder mit Blick auf ihn noch mit Blick auf den Papst.
Die Personalpolitik von Papst Franziskus wird immer willkürlicher
Dessen Personalpolitik wirkt immer willkürlicher. Immer stärker wird sie zur Belastung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, sagte das im Falle Woelkis mehrfach, zuletzt verbunden mit Kritik an Franziskus. Wisse der Papst eigentlich, was das auslöst, eine Nicht-Entscheidung?, stellte er mehr fest, als dass er fragte. "Das ist zum großen Schaden." Im Falle Woelkis lässt der Papst seit Jahren zu, wie sich dieser in juristischen Auseinandersetzungen verkämpft. Von moralischer Verantwortung – vor allem im Umgang mit Missbrauchsopfern – sei dagegen nichts zu sehen, lauten die Vorwürfe. Ein teils gespaltenes Erzbistum Köln, Rekordaustritte, ein nicht zu unterschätzender Schaden für die Kirche: All das nimmt der Papst, der Woelki selbst um ein Rücktrittsgesuch "bat", in Kauf.
Warum entscheidet Franziskus bei Bode so schnell, bei Woelki – der endlich und als Nächster gehen müsste – nicht? Warum genau nahm er andere Rücktrittsgesuche wie das des Hamburger Erzbischofs Heße oder das des Münchner Erzbischofs Marx nicht an, obwohl es Gründe genug gegeben hätte? Das Handeln des Papstes hinterlässt Fragen, angeschlagene Bischöfe und eine Kirche, die weiter an Glaubwürdigkeit verlieren wird.