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Kindergrundsicherung: Was hinter dem Streit steckt

Familien

Was hinter dem Streit um die Kindergrundsicherung steckt

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    Trotz Arbeit ihrer Eltern gelten über eine Million Kinder in Deutschland als armutsgefährdet.
    Trotz Arbeit ihrer Eltern gelten über eine Million Kinder in Deutschland als armutsgefährdet. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Knapp drei Millionen Kinder und Jugendliche gelten im reichen Deutschland als arm. Das gilt nicht nur für den Nachwuchs, der in Familien aufwächst, die das aus dem früheren Hartz IV entstandene Bürgergeld erhalten, sondern auch für über eineinhalb Million Kinder, deren Eltern zu den Niedrigverdienern zählen. 

    Eigentlich hätten die meisten dieser Familien zusätzlich zum Kindergeld Anspruch auf den sogenannten Kinderzuschlag. Doch nach Schätzungen der Bundesregierung beantragt nicht einmal jede dritte anspruchsberechtigte Familie die Leistung, die das Kindergeld teils verdoppelt. Beide Leistungen zusammen können damit bis zu 500 Euro netto ausmachen. 

    Kindergrundsicherung: Der Staat spart sich beim komplizierten Kinderzuschlag Milliarden

    Doch viele Familien kennen den Kinderzuschlag gar nicht. „Gerade bei familienbezogenen Sozialleistungen gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Behörden, Zuständigkeiten und Anspruchsvoraussetzungen“, erklärten Forscher des Münchner Ifo-Instituts um den Münchner Volkswirtschaftsprofessor Andreas Peichl in einem Gutachten zum Reformvorschlag zur Einführung einer Kindergrundsicherung. „Eine Begleiterscheinung der Komplexität ist auch die Stigmatisierung durch den Gang zum Amt. Die gerade beim Kinderzuschlag beobachtete Nichtinanspruchnahme durch eigentlich anspruchsberechtigte bedürftige Familien ist eine Folge dessen.“ 

    Unter dem Strich hat der Staat dadurch in den vergangenen Jahren viele Milliarden Euro gespart. Und gerade um dieses nicht ausgegebene Geld streitet derzeit die Ampel-Koalition in Berlin

    Grüne wollen bei Reform auch für Normalverdiener mehr Kindergeld

    Die Kindergrundsicherung soll das Kindergeld, den Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und Zuschüsse für Bildung und auch Teilhabe an Freizeitangeboten wie Musikkurse in einer einzigen Leistung zusammenfassen. Und statt des mühsamen Gangs aufs Amt, der teilweise für einzelne Ausgaben nötig ist, und für den Kinderzuschlag alle sechs Monate soll die neue Kindergrundsicherung nach dem Willen der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus am besten automatisch ausbezahlt werden, so wie es auch beim Kindergeld für Normalverdiener-Familien gang und gäbe ist.

    Geht es nach den Plänen der Familienministerin, soll jede Familie nach einem Datenabgleich bei den Kindergeldkassen der Bundesagentur für Arbeit mit den Einkommensdaten bei den Finanzämtern auf ihren Anspruch vom Staat hingewiesen werden. Danach soll die Kindergrundsicherung mit wenigen Klicks im Internet beantragt werden können. Auch für Normalverdiener-Familien soll zudem das Kindergeld langfristig steigen. „Perspektivisch“, wie es in einem Eckpunkte-Papier der Ministerin heißt, auf den „der maximalen Entlastungswirkung des steuerlichen Kinderfreibetrags“. Derzeit wären dies 354 Euro im Monat für alle Familien.

    Denn Gutverdiener profitieren mit dem Freibetrag bei der Steuer mehr als mit dem pauschalen Kindergeld. Größte Profiteure der Kindergrundsicherung sollen aber Familien im unteren Einkommensbereich sein: Bis zu einer Einkommensgrenze sollen sie wie beim Kinderzuschlag einen deutlichen Aufschlag auf das Kindergeld bekommen, damit Kinder für Eltern und Alleinerziehende nicht zum viel beschworenen Armutsrisiko werden. Auch beim Bürgergeld soll die Kindergrundsicherung Grundlage werden. 

    Finanzminister Lindner gegen hohe Kosten bei Kindergrundsicherung

    Doch das Projekt, das sich die Ampel in besseren finanziellen Zeiten in den Koalitionsvertrag schrieb, wackelt. Allein wenn die meisten Berechtigten nun tatsächlich den Kinderzuschlag bekommen sollen, steigen die Kosten im Milliardenbereich. Auf zwölf Milliarden Euro Zusatzkosten jährlich veranschlagt Familienministerin Paus die Zusatzkosten. Finanzminister Christian Lindner verweist auf den geschrumpften Spielraum der Koalition und lehnt immer höhere Sozialleistungen ab. 

    „Statt über wirksame Mittel gegen die Gründe von Kinderarmut zu diskutieren, wird nur über weitere Milliardentransfers gesprochen“, betont der FDP-Chef. „Insbesondere sollten wir Spracherwerb und Bildung bei den Eltern fördern, damit sie auf dem Arbeitsmarkt ein eigenes Einkommen erzielen können“, fordert er. SPD-Chefin Saskia Esken springt dagegen den Grünen bei: „Ich gehe davon aus, dass wir den Betrag von zwölf Milliarden auch brauchen werden“, sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Die Summe sei aber noch eine Schätzung. Wichtigstes Ziel müsse sein, mehr Menschen aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten zu erreichen, betont Esken. 

    Allerdings soll die Kindergrundsicherung erst 2025 eingeführt werden und belastet damit wenigstens nicht den Streit um den Haushalt für das kommende Jahr, den die Koalition bis Juni lösen muss. Bis dahin spart sich der Bund immerhin noch einiges, wenn hunderttausende Familien weiter freiwillig auf den Kinderzuschlag verzichten. 

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