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Kindergrundsicherung: Koalitionsplan: Kommt die Kindergeld-Revolution?

Kindergrundsicherung

Koalitionsplan: Kommt die Kindergeld-Revolution?

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    Mädchen und Jungen im Kindergarten: Steigt bald für viele das Kindergeld als neue Grundsicherung?
    Mädchen und Jungen im Kindergarten: Steigt bald für viele das Kindergeld als neue Grundsicherung? Foto: Christian Charisius, dpa

    Der Streit um die Einführung des Bürgergelds ist bei vielen auch einen Monat nach dem offiziellen Start nicht vergessen: Lohnt sich das Arbeiten in unteren Gehaltsgruppen überhaupt? Befürworter und Gegner der Reform hauten sich unterschiedliche Musterrechnungen um die Ohren: Mal fiel der sogenannte Lohnabstand höher, mal minimal oder gar niedriger aus, je nachdem wer die Statistik in Auftrag gegeben hatte.

    Tatsächlich gibt es Sozialleistungen, die genau verhindern sollen, dass eine junge Familie mit einem Alleinverdiener oder Alleinerziehende bei ständig steigenden Mieten am Ende nicht kaum mehr in der Tasche haben, als wenn sie nicht arbeiten würden. Deshalb wurde einst mit Hartz-IV der sogenannte Kinderzuschlag eingeführt. Der im niedlichen Behördendeutsch abgekürzte KidZ sollte die Lohnlücke zwischen Arbeit und Sozialhilfe schließen, damit Eltern oder Alleinerziehende in weniger gut bezahlten Jobs oder bei Teilzeit besser und keinesfalls schlechter dastehen sollten als arbeitslose Hartz-IV-Empfänger.

    Warum zwei von drei auf den Kinderzuschlag verzichten

    In der Praxis konnte der Kinderzuschlag dieses Versprechen jedoch nur in eher seltenen Fällen halten. Der Antrag auf den Kinderzuschlag gilt als aufwendig und kompliziert. Zudem wissen wenig Betroffene, dass sie ein Recht auf die Leistung haben. Obendrein musste der Antrag dafür alle sechs Monate neu gestellt werden. So wird geschätzt, dass nur 20 bis 30 Prozent der Berechtigten die Leistung überhaupt beziehen. Ob aus Unkenntnis, wegen des Aufwands oder weil sie den Gang aufs Sozialamt scheuen und nicht als Bittsteller auftreten wollen. Verlierer sind die Kinder, wenn sie unter der Geldknappheit der Familie leiden.

    Seit Jahren gilt in Deutschland jedes fünfte Kind als armutsgefährdet, die Bundesregierung schätzt die Zahl auf insgesamt 2,7 Millionen. Die Ampel-Parteien haben aus diesem Grund eine grundlegende Reform der Sozialleistungen für Kinder im Koalitionsvertrag vereinbart: Die sogenannte Kindergrundsicherung soll Leistungen wie das Kindergeld, Bürgergeld-Zahlungen oder den Kinderzuschlag zu einer neuen Leistung für alle bündeln.

    Steigt das Kindergeld bald auf 354 Euro?

    Das bisherige Kindergeld soll dabei zum „Garantiebetrag“ für alle Familien werden. Die aktuell 250 Euro Kindergeld sollen auf längere Sicht – „perspektivisch“, wie es in einem Eckpunkte-Papier aus dem Familienministerium heißt – auf den „der maximalen Entlastungswirkung des steuerlichen Kinderfreibetrags“ steigen. Derzeit wären dies 354 Euro im Monat für alle Familien. Denn Gutverdiener profitieren mit dem Freibetrag bei der Steuer mehr als mit dem pauschalen Kindergeld.

    Größte Profiteure der Kindergrundsicherung sollen aber Familien im unteren Einkommensbereich sein: Bis zu einer Einkommensgrenze sollen sie wie beim Kinderzuschlag einen deutlichen Aufschlag auf das Kindergeld bekommen, damit Kinder für Eltern und Alleinerziehende nicht zum viel beschworenen Armutsrisiko werden und der Abstand zum Bürgergeld gewahrt bleibt.

    Antrag auf Kindergrundsicherung soll digitale Revolution werden

    Um nicht die gleichen Hürden wie beim Kinderzuschlag zu errichten, plant Bundesfamilienministerin Lisa Paus eine regelrechte Revolution: Geht es nach der Grünen-Politikerin, wird jede Familie nach einem Datenabgleich bei den Kindergeldkassen der Bundesagentur für Arbeit mit den Einkommensdaten bei den Finanzämtern auf ihren Anspruch vom Staat hingewiesen. Danach könnten die Familien die Leistung mit wenigen Klicks im Internet beantragen.

    „Familien müssen sich bei der Kindergrundsicherung nicht mehr an verschiedene Behörden mit unterschiedlichen und komplizierten Verfahren wenden“, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium Ekin Deligöz. „Die Familienförderung wird transparent und gradlinig, gerade für Familien mit geringem Verdienst ist das ein erheblicher Fortschritt“, betont die Neu-Ulmer Grünen-Politikerin.

    Doch genau an dieser Stelle hakt derzeit das Koalitionsprojekt: Durch den wesentlich leichteren Zugang dürften sich die bisherigen Kinderzuschlag-Kosten verdoppeln oder verdreifachen, ebenso könnten die Ausgaben für das bisherige Kindergeld steigen. FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner machte bereits deutlich, dass er dafür wenig finanziellen Spielraum sieht: „Viele Vorhaben des Koalitionsvertrags sind sinnvoll und sollen, wenn es nach mir geht, auch kommen“, sagte er dem Westfalen-Blatt. „Aber sie müssen innerhalb des finanziell Möglichen abgebildet werden.“

    Ekin Deligöz: Koalition muss sich um Finanzierung der Kindergrundsicherung kümmern

    Ein Vertreter von Lindners Ministerium kritisierte vergangene Woche, dass Grünen-Ministerin Paus ihre Eckpunkte ohne finanzielle Kostenschätzung vorgelegt habe: „Es handelt sich offenbar um einen Schnellschuss vor der Berlin-Wahl.“ SPD und Grüne warnten daraufhin die FDP vor einer Blockade. „Die Kindergrundsicherung ist ein, wenn nicht das sozialpolitische Hauptprojekt der Koalition“, sagt auch Staatssekretärin Deligöz „Durch sie können wir die Kinderarmut deutlich zurückdrängen - das sind wir der heranwachsenden Generation einfach schuldig.“

    Im Laufe des Jahres solle Klarheit über die Kosten herrschen. „Die Koalition muss sich gemeinsam um die Finanzierung kümmern, das schließt den Finanzminister ein. Das wird nicht einfach, ist aber möglich, wenn alle an einem Strang ziehen“, sagt Deligöz.

    Auch die FDP betont, dass sie hinter dem Projekt steht: „Die Kindergrundsicherung ist eines der großen Vorhaben der Koalition im familienpolitischen Bereich und hat für die FDP-Fraktion eine hohe Priorität“, sagt der familienpolitische Sprecher Matthias Seestern-Pauly, „Wir wollen für Kinder und Jugendliche bessere Chancen schaffen und konzentrieren uns hierbei auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.“ Die Zusammenführung der Leistungen in ein unbürokratisches digitales Verfahren sei auch für die FDP ein wichtiges Ziel. Zudem sollen Kinder und Jugendliche auch selbstständig in einem digitalen Portal über direkte Angebote verfügen können: „Leistungen für Bildung und Teilhabe sollen allen Kindern zugänglich sein. Das werden unsere Maßstäbe sein, wenn wir uns im Bundestag als Gesetzgeber mit der Kindergrundsicherung befassen.“

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