Werden im kommenden Herbst und Winter Arzneimittel für Kinder wieder knapp? „Wir sind deutlich besser aufgestellt als im letzten Jahr“, zeigt sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) optimistisch. Die Versorgung mit Arzneimitteln für Kinder sei weitestgehend gesichert – wenn die Menschen auf Panikkäufe verzichten. „Bitte keine Hamsterkäufe“, appelliert Lauterbach daher an die Vernunft der Eltern. „Ein kleiner Hausvorrat ist immer sinnvoll“, sagt er mit Blick etwa auf Fiebermittel und ergänzt: „Das Horten ist es nicht.“
Angesichts zunehmender Warnungen vor einem Mangel an Arzneimitteln für Kinder und Jugendliche präsentierte Lauterbach einen Fünf-Punkte-Plan zur Sicherstellung der Versorgung. Die Industrie habe die Produktion teilweise verdoppelt, sodass „die technische Obergrenze“ erreicht sei, erklärte der SPD-Politiker. Industrie, Haus- und Kinderärzte und auch die Apotheken hatte er zu einem Spitzengespräch eingeladen, sie spielen in den Plänen des Gesundheitsministers eine zentrale Rolle. Zukünftig können die Apotheken die Darreichungsform oder die Packungsgröße variieren, ohne Rücksprache mit den Ärztinnen und Ärzten halten zu müssen oder gar ein neues Rezept anzufordern. Die rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit will Lauterbach für diese Fälle verbessern.
Lauterbach will "Gefechtsstand" für Medikamente
Gabriele Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, betonte, die Versorgung mit Medikamenten hänge davon ab, ob die Apothekerinnen und Apotheker „flexibel und mit größtmöglichen Entscheidungsspielräumen“ handeln könnten. Die Apotheken seien inzwischen „an der Belastungsgrenze“.
Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, sieht die Hausärzte vor ähnlichen Herausforderungen wie im letzten Jahr. Trotzdem rechne auch sie damit, dass „wir etwas besser in den kommenden Winter gehen können“.
Insgesamt scheinen alle Seiten also von einer entspannteren Lage im kommenden Winter auszugehen. Dennoch warnt Lauterbach: „Wenn es eine starke Grippe- oder RS-Virus-Welle geben sollte, können wir Engpässe nicht ausschließen.“ Um diese Situationen frühzeitig zu erkennen und darauf schnell reagieren zu können, stellte er eine neu gegründete „High-Level-Gruppe“ vor. Diese sei als „Gefechtsstand“ geplant, der die Lage wöchentlich beurteile und direkt an ihn berichte. Sollte es entgegen der aktuellen Annahme doch zu Versorgungsengpässen kommen, will Lauterbach kurzfristig Importe ermöglichen.
Genug Arznei nach dem Winter
Aus der Pharmaindustrie werden jedoch langfristige Lösungen über den Winter hinaus gefordert. Der Deutschlandchef des Arzneiherstellers Teva, Andreas Burkhardt, betonte, dass die maximalen Produktionskapazitäten aktuell erreicht seien. Die Aussetzung der Festbeträge auf Kinderarzneimittel habe zwar beim Inflationsausgleich geholfen, langfristig fehle der Ausweitung der Produktion aber die ökonomische Grundlage.
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie warnt in einer Pressemitteilung bereits: „Nach wie vor fehlen umfassende und strukturell tiefgreifende Maßnahmen.“ Unternehmen, die in Europa produzieren, könnten ihre Kosten nicht kompensieren.
Die Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland ist eine der zentralen Maßnahmen, mit denen Lauterbach Lieferengpässe bei Arzneimitteln in Zukunft verhindern will. Im Juni hat der Bundestag sein „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ beschlossen. Der Aufbau neuer Produktionsstätten wird jedoch Jahre in Anspruch nehmen.