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Kernenergie: Ausstieg oder nicht? Der neue Atomstreit

Kernenergie

Ausstieg oder nicht? Der neue Atomstreit

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    In einer Sondersitzung musste Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Entscheidung rund um den deutschen Atomausstieg verteidigen.
    In einer Sondersitzung musste Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Entscheidung rund um den deutschen Atomausstieg verteidigen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Gemessen an der Vehemenz der Vorhaltungen hatte Robert Habeck gute Laune vor dem Verhör. Der Bundeswirtschaftsminister sah sich mit einer Rücktrittsforderung des Koalitionspartners FDP, mit der Forderung eines Untersuchungsausschusses aus den Reihen der CDU, mit dem Vorwurf des verspielten Vertrauens konfrontiert. 

    „Ich freue mich auf die Ausschusssitzung“, sagte Habeck am Freitag und lächelte, bevor er in die kurzfristig anberaumte Sondersitzung des Ausschusses für Klima und Energie ging. Den Grünen-Politiker holt dieser Tage ein Schatten ein, den er abgeschüttelt glaubte. Es geht um den deutschen Atomausstieg, jenes Projekt, das am Anfang der grünen Partei steht. Seit einem Jahr sind die drei letzten deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet. Weder sind deshalb die Strompreise nach oben geschossen noch die Lichter ausgegangen in Deutschland, wie seinerzeit an die Wand gemalt wurde. „Wir sind super durch die Krise gekommen“, sagte Habeck.

    Die Grünen gewannen den Kampf gegen Kernenergie – vorerst?

    Nach fast einem halben Jahrhundert des Kampfes gegen die Kernenergie haben die Grünen diesen gewonnen. Union und FDP mögen sich damit noch nicht abfinden und zwingen den Minister in kleine Gefechte, obwohl es die frühere CDU-Kanzlerin Angela Merkel war, die das beschleunigte Atom-Aus nach dem Super-Gau im japanischen Fukushima auf den Weg gebracht hatte. Der Anlass des Scharmützels: Das politische Magazin Cicero hat die Akten über die Abschaltung der verbliebenen AKW vor Gericht freigeklagt. Aus der Auswertung zieht das Blatt den Schluss, dass die Grünen die Öffentlichkeit und den eigenen Minister getäuscht haben. Der Strippenzieher, der Ex-Staatssekretär und einstige Habeck-Vertraute Patrick Graichen, habe dafür gesorgt, dass ein wichtiger Aktenvermerk nicht auf dem Schreibtisch seines Chefs landete.

    Die entsprechende Passage lautet, dass eine Laufzeitverlängerung der Atommeiler bis Ende März 2023 dabei helfen könne, eine gefährliche Energiemangellage zu verhindern. Es war die Zeit, als der Energiemarkt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine verrückt spielte. Deutschland war hochgradig abhängig von den Gas-Exporten des Kreml, es grassierte die Sorge vor kalten Wohnungen und stillstehenden Fabriken. Die Preise für Strom, Gas und Öl explodierten.

    Habeck: Gespräche mit Betreibern waren für Atomausstieg ausschlaggebend

    In dieser dramatischen Situation erschien es zumindest zweifelhaft, die drei Kernkraftwerke wie geplant vom Netz zu nehmen. Die Grünen wollten jedoch unter keinen Umständen ihr Lebenswerk gefährden. Es bedurfte eines Machtworts von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), um einen Streckbetrieb bis ins Frühjahr letzten Jahres anzuweisen. Es ging den Grünen bei ihrem Widerstand nicht um die drei Monate Aufschub, sondern sie fürchteten, dass der beinahe vollendete Atomausstieg noch einmal generell angefasst würde. Dafür hätten die Kernkraftwerke aber frisches Brennmaterial gebraucht, was sich nur bei einem Weiterbetrieb für mehrere Jahre gelohnt hätte. Gleiches gilt für umfassende Sicherheitsüberprüfungen, die nötig gewesen wären. 

    Habeck wehrte sich am Freitag gegen den Vorwurf, in seinem Haus seien ihm bewusst Informationen vorenthalten worden. Alle relevanten Fragen seien in den Runden mit den Chefs der Atomkonzerne erörtert worden. „Insofern ist also die Annahme, dass da eine Art Geheimwissen wäre, das mich nicht erreicht hätte, falsch“, sagte er. Für ihn seien aber die Gespräche mit den Atomkraftwerk-Betreibern ausschlaggebend gewesen. „Entscheidend ist, dass ich in den wirklich relevanten Runden, und das sind die Runden mit den Versorgungsbetreibern, also RWE, ENBW und Eon, immer die richtigen Fragen stellen konnte. Und da bin ich sicher, dass die gestellt wurden.“ Die Betreiber hätten damals gesagt, die vorhandenen Brennelemente seien bis Jahresende aufgebraucht. Später seien diese Angaben korrigiert worden: „Da hieß es dann, die können doch noch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen. Und entsprechend wurde dann auch noch einmal die Laufzeit verlängert.“

    Die FDP fordert keinen Rücktritt des Wirtschaftsministers mehr, die Opposition ist kritischer

    Seine Ausführungen in der Sitzung haben zumindest die FDP überzeugt. Von der Forderung nach Rücktritt blieb nichts mehr übrig. Es mache keinen Sinn, „über irgendwelche Rücktritte zu philosophieren“, erklärte der klimapolitische Sprecher der Liberalen, Olaf in der Beek. „Und ich möchte auch sagen, so wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat.“

    Die Opposition sah den Minister hingegen nicht von den Anschuldigungen reingewaschen. „Die Bundesregierung hat eine ergebnisoffene Prüfung der Laufzeitverlängerung im Februar 2022 zugesagt. Die Aktenlage legt aber den Verdacht nahe, dass dies nicht der Fall war“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber (CSU), unserer Redaktion. Wenn sich der Verdacht weiter erhärte, „dann zerstört das Vertrauen in die Politik und fördert die Politikverdrossenheit“.

    Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger reagierte gewohnt wortmächtig. Dass Habeck Informationen zum Atomausstieg unterdrückt haben soll, sei „ein politischer Skandal erster Güte“. Die Vorwürfe klingen für Aiwanger plausibel: „Die Grünen wollen offensichtlich aus Ideologie, koste es, was es wolle, aus der Atomenergie heraus und Fachargumente nicht hören“, sagte er unserer Redaktion.

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