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Katholische Kirche: Was der Tod von Benedikt XVI. für Papst Franziskus bedeutet

Katholische Kirche

Was der Tod von Benedikt XVI. für Papst Franziskus bedeutet

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    Papst Franziskus könnte nun freier in seinen Entscheidungen sein. Doch es gibt ein Aber...
    Papst Franziskus könnte nun freier in seinen Entscheidungen sein. Doch es gibt ein Aber... Foto: Andrew Medichini, AP/dpa

    Im Lager der katholischen Traditionalisten rumort es. Als Benedikt XVI. am Silvestertag starb, läuteten die Glocken des Petersdoms nicht. Es folgte auch nicht, wie vor päpstlichen Begräbnissen üblich, eine feierliche Prozession der Kardinäle, um den Leichnam in den Petersdom zu begleiten. Papst Franziskus unterbrach auch nicht die Tradition der Generalaudienzen. Der Vatikan verfügte nicht einmal einen Feiertag für seine Angestellten am Tag der Begräbnisfeier. Der in der Kurie und einschlägigen Internetforen erhobene, aber wohl unzutreffende Hauptvorwurf lautet: Franziskus hat den Namen seines Vorgängers in seiner Trauerpredigt nur ein einziges Mal erwähnt und damit insgeheim seine Geringschätzung gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. zum Ausdruck gebracht.

    Tod und Begräbnisfeier Benedikts XVI. haben die verborgenen Gefühlszustände in der katholischen Kirche offengelegt. Die konservative, traditionalistische Fraktion macht aus ihrer Abneigung gegen Papst Franziskus keinen Hehl. Bereits seit Amtsbeginn ist ihnen Jorge Bergoglio ein Dorn im Auge. Insbesondere die Neuerungen zu Beginn des Pontifikats, wie etwa die Zulassung wieder verheirateter Geschiedener zu den Sakramenten, war für sie Anlass zu heftigen Protesten. Mit der Fortdauer des Pontifikats nahm auch die Kraft des Papstes aus Argentinien zu Reformen und damit die Schlagkraft seiner Kritiker ab. Franziskus hat außerdem die meisten seiner einflussreichen Gegner im Vatikan entmachtet, sodass in den vergangenen Jahren die Reibungen nicht mehr so deutlich zum Vorschein kamen. Der Tod Benedikts hat diesen Prozess nun vorläufig beendet. Die Empfindlichkeiten treten mit einem Schlag wieder deutlicher hervor.

    Den Ultrakonservativen in der Kirche fehlt eine Identifikationsfigur

    Auf der einen Seite kommt nun wieder der Unmut des konservativen Flügels zum Vorschein, der dem Papst mutwillige Missachtung der Größe seines Vorgängers vorwirft. In gewisser Weise wirkte Papst Benedikt XVI. bis zu seinem Tod als stabilisierendes Element im Kräftemessen der Fraktionen. Franziskus bezeichnete Ratzinger einmal als „weisen Großvater“, als „Mann, der mir den Rücken mit seinem Gebet stützt“. Diese Stütze fällt nun weg. Zu sehen ist das etwa an der Medienoffensive seines langjährigen Privatsekretärs Georg Gänswein. Noch vor der Begräbnisfeier gab der 66-jährige Erzbischof Details aus dem gemeinsamen Leben mit dem emeritierten Benedikt XVI. im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae zum Besten, die nun allzu gerne von Franziskus-Gegnern als Kanonenfutter genutzt werden. 

    Georg Gänswein (oben), langjähriger Privatsekretär des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI., kniet am Sarg.
    Georg Gänswein (oben), langjähriger Privatsekretär des verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI., kniet am Sarg. Foto: Oliver Weiken, dpa

    Was den Ultrakonservativen allerdings nach dem Tod Benedikts fehlt, ist eine Identifikationsfigur. Die aufmüpfigen Kardinäle Raymond Leo Burke, Gerhard Ludwig Müller, George Pell oder Robert Sarah wurden von Franziskus ihrer Ämter in der Kurie enthoben. Es ist nicht auszuschließen, dass der wendige Privatsekretär nun zum Sprachrohr der Franziskus-Kritiker auserkoren wird, er füllt diese Rolle bereits aus.

    Gänsweins Memoiren sollen pikante Details enthalten

    Schon kommende Woche sollen Gänsweins Memoiren („Nichts als die Wahrheit“) mit pikanten Details in Italien erscheinen. Allerdings agiert der Erzbischof ebenfalls ohne konkreten Einfluss. Franziskus stellte ihn 2020 als Präfekt des päpstlichen Hauses kalt. Der Freiburger musste dafür büßen, dass Benedikt XVI. mitten in der Debatte um die Weihe verheirateter Männer einen Aufsatz veröffentlichte, in dem er den Pflichtzölibat vehement verteidigte.

    Franziskus ist ohne den emeritierten Papst im Rücken in gewisser Weise freier in seinen Entscheidungen. Seine Kritiker könnten nun aber auch unberechenbarer werden. 

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