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Katar: Hartnäckige Vorwürfe gegen Katar trüben Vorfreude auf WM

Katar

Hartnäckige Vorwürfe gegen Katar trüben Vorfreude auf WM

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    Seit dem Zuschlag für die WM steht  Katar unter Druck: Immer wieder wurde die Ausbeutung von Arbeitern auf den Stadionbaustellen kritisiert.
    Seit dem Zuschlag für die WM steht Katar unter Druck: Immer wieder wurde die Ausbeutung von Arbeitern auf den Stadionbaustellen kritisiert. Foto: Hassan Ammar, dpa

    Acht moderne Stadien, mehr als eine Million erwartete Besucher, garantierter Sonnenschein: Das Emirat Katar will mit der ersten Fußball-WM auf arabischem Boden "die Welt beeindrucken", wie Emir Scheich Tamim bin Hamad Al-Thani sagt. Doch knapp drei Wochen vor dem Turnierstart steht Katar am Pranger. Menschenrechtler beklagen Repressionen gegen Homosexuelle, Aktivisten warnen westliche Fans, sie könnten nach bierseligen Siegesfeiern eingesperrt werden. Auch Teilnehmer der WM äußern sich kritisch. Die Regierung von Katar weist alle Vorwürfe zurück und klagt über eine Kampagne gegen das Land.

    Katar versucht, dem Imageverlust entgegenzuwirken

    Kritik am Verbot außerehelicher und homosexueller Beziehungen, an der Ausbeutung von Bauarbeitern in den WM-Stadien und an Einschränkungen des Alkohol-Konsums begleiten die Vorbereitungen auf das Turnier in dem islamischen Land seit Jahren. Katar versuchte, dem Imageverlust entgegenzuwirken, indem es die Lage der Arbeiter verbesserte, und zusagte, dass alle Fans willkommen seien. Das kleine Emirat mit seinen drei Millionen Einwohnern, das durch seine riesigen Gasvorräte reich geworden ist, hat Milliardensummen in die WM gesteckt, die zum Aushängeschild werden soll.

    Proteste und Boykott-Aufrufe gibt es auch in deutschen Bundesliga-Stadien.
    Proteste und Boykott-Aufrufe gibt es auch in deutschen Bundesliga-Stadien. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Doch vor dem Anpfiff des Turniers am 20. November wächst der Druck auf Katar. Die australische Nationalmannschaft schloss sich jetzt mit einem Video der weltweiten Kritik an. Die Spieler sprechen über Homophobie und andere Missstände in Katar. Auf Twitter wurde der Clip innerhalb eines Tages mehr als 300.000-mal angeschaut.

    Katar erklärte dazu, kein Land der Welt sei "perfekt". Doch die Kritik geht weiter. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete, vier Trans-Frauen, eine bisexuelle Frau und ein homosexueller Mann seien willkürlich festgenommen und im Polizeigewahrsam misshandelt worden. Polizisten hätten ihre Opfer geohrfeigt, getreten und verprügelt – seien sich offenbar sicher, dass sie nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Die Behörden wiesen den Bericht zurück, unterbanden aber die Protestaktion des britischen Aktivisten Peter Tatchell, der an einer Straße in Katar mit einem Plakat gegen den Umgang mit Homosexuellen demonstrierte. Tatchell wurde nach eigenen Angaben knapp eine Stunde lang von den Behörden festgesetzt und aufgefordert, seine geplante Weiterreise nach Australien so rasch wie möglich anzutreten. Homosexualität ist in Katar strafbar.

    Umgang mit Arbeitern an WM-Baustellen in Katar teils unmenschlich

    Auch heterosexuelle Fans seien gefährdet, sagen Katar-Kritiker. Zwar duldet das Emirat für den Verlauf des Turniers, dass Paare ohne Trauschein ein gemeinsames Hotelzimmer beziehen können. Dennoch seien besonders Frauen in Gefahr, sagt Bloggerin Radha Stirling: Sie könnten nicht darauf hoffen, von den Behörden in Katar vor sexuellen Übergriffen geschützt zu werden. Vor sechs Jahren sei eine niederländische Touristin nach einer Vergewaltigung zur Polizei gegangen – und wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

    In der Debatte über den Umgang mit Arbeitern an den WM-Baustellen kommt Katar ebenfalls nicht aus der Defensive. Nach Enthüllungen über unmenschliche Arbeitsbedingungen hat das Land zwar einige Kritiker mit Reformen wie der Einführung eines Mindestlohns und einer Stärkung von Arbeiterrechten überzeugen können. Luca Visentini, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, nannte die Verbesserungen eine "Erfolgsgeschichte". Menschenrechtsorganisationen fordern jedoch Entschädigungen für die Opfer früherer Ausbeutung in Höhe von hunderten Millionen Euro.

    Katars Staatsoberhaupt: Tamim bin Hamad Al Thani. spricht von einer Kampagne gegen sein Land
    Katars Staatsoberhaupt: Tamim bin Hamad Al Thani. spricht von einer Kampagne gegen sein Land Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Auch das Thema Alkohol wird Katar vor der WM nicht los. Um die islamisch geprägten Gesetze des Emirats mit den Vorlieben vieler ausländischer Gäste in Einklang zu bringen, erlauben die Behörden den Alkohol-Ausschank während der WM nicht nur in Ausländer-Hotels, sondern auch in speziellen Fan-Zonen außerhalb der Stadien. WM-Chef Nasser al-Kather fachte Zweifel an der Toleranz für den Alkohol-Konsum aber mit dem Hinweis auf Ausnüchterungszellen an. "Extrem betrunkene" Fans sollten an sichere Orte gebracht werden, sagte er dem britischen Sender Sky News. Dort werde darauf geachtet, "dass sie sich und anderen nicht schaden". Aktivisten warnen Fans: Niemand wisse, was Katar unter "extrem betrunken" verstehe. Bloggerin Stirling erklärte: Da das Emirat keine Promillegrenzen kenne, könne jeder verhaftet werden, der in einer Fan-Zone getrunken habe und diesen Bereich verlasse.

    Emir al-Thani sieht sein Land ungerecht behandelt: Kein anderer Gastgeber-Staat einer WM habe eine solche Kampagne erdulden müssen. Katar habe konstruktive Kritik als Ansporn für Verbesserungen genommen, aber erfahren müssen, dass "doppelte Maßstäbe" angelegt würden. Die Beschwerden des Emirs zeigen, wie frustriert die Führung in Doha vor dem Turnier ist. Doch ohne grundlegende Reformen werde die Kritik nicht aufhören, sagt der frühere HRW-Chef Kenneth Roth auf Twitter voraus: "Die Welt schaut zu."

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