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Gewalt und Unruhen in Kasachstan – Russland schickt Soldaten

Unruhen in Kasachstan

Kasachischer Präsident erteilt Schießbefehl gegen Demonstranten

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    Schwerbewaffnte Bereitschaftspolizisten in Almaty blockieren eine Straße, um Demonstranten aufzuhalten.
    Schwerbewaffnte Bereitschaftspolizisten in Almaty blockieren eine Straße, um Demonstranten aufzuhalten. Foto: Vladimir Tretyakov, AP/dpa

    Nach schweren Unruhen hat der Präsident der autoritär geführten Republik Kasachstan, Kassym-Schomart Tokajew, einen Schießbefehl gegen militante Demonstranten erteilt. "Ich habe den Sicherheitskräften und der Armee den Befehl gegeben, ohne Vorwarnung das Feuer zu eröffnen", sagte Tokajew am Freitag in einer Fernsehansprache, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Aus dem Ausland kämen Aufrufe zu einer friedlichen Lösung der Krise. "Welch eine Dummheit! Was für Verhandlungen kann es mit Verbrechern und Mördern geben?", so Tokajew. 

    Das Staatsoberhaupt erklärte, es hätten insgesamt 20.000 "Banditen" die Millionenstadt Almaty im Südosten des zentralasiatischen Landes angegriffen, wo die Unruhen in den vergangenen Tagen besonders heftig waren. Er bezeichnete Demonstranten auch als "Terroristen" und als aus dem Ausland gesteuert. Derzeit ist es schwierig, Informationen unabhängig zu überprüfen. Immer wieder wird in Kasachstan das Internet abgestellt, die Grenze wurde für Ausländer geschlossen.

    Die Republik Kasachstan in Zentralasien wird derzeit von schweren Unruhen erschüttert. Nun geht das Militär gewaltsam gegen Demonstranten vor. Bei der Erstürmung eines Polizeigebäudes seien in der Millionenstadt Almaty "Dutzende Angreifer eliminiert" worden, berichteten kasachische Medien am Donnerstag unter Berufung auf das Staatsfernsehen. Am Freitagmorgen gab das Innenministerium bekannt, dass bei den Unruhen insgesamt 26 Demonstrierende getötet worden seien. Über 3000 Menschen wurden offenbar festgenommen. Zudem haben die Behörden den Tod von 18 Sicherheitskräften bestätigt, zwei von ihnen seien geköpft worden.

    Als Reaktion auf die Unruhen hat der amtierende Präsident Kassym-Schomart Tokajew die Regierung entlassen und einen Ausnahmezustand im ganzen Land verhängt. Ein von Russland geführtes Militärbündnis entsandte unterdessen erste Soldaten nach Kasachstan, das eine Ex-Sowjetrepublik ist.

    Bei den Protesten in Kasachstan geht es um mehr als den Spritpreis

    Kasachstan ist reich an Öl- und Gasvorkommen und das neuntgrößte Land der Welt – mit gerade einmal etwas mehr als 18 Millionen Einwohnern. Die Republik grenzt unter anderem an China und Russland. Kasachstan wurde über Jahrzehnte von Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert. Auch nach seinem Rücktritt 2019 bewahrte er großen Einfluss auf das Land. Staatschef ist derzeit Kassym-Schomart Tokajew, ein ehemaliger Diplomat. In dem autoritär geführten Land laufen seit Tagen beispiellose Proteste. Auslöser der Unruhen war Unmut über gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen. Doch die Situation eskalierte schnell und schlug in teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, Korruption und Machtmissbrauch um.

    Demonstranten versuchen, einen Polizeibus zu blockieren.
    Demonstranten versuchen, einen Polizeibus zu blockieren. Foto: Vladimir Tretyakov, AP/dpa

    Die Lage in dem Land ist trotz Eingreifens von Militär und Polizei weiter unübersichtlich. Tokajew hatte deshalb ein von Russland geführtes Militärbündnis um Unterstützung gebeten – und umgehend eine Zusage erhalten. Nach Angaben der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit wurden am Donnerstag unter anderem russische Fallschirmjäger als Teil einer "Friedenstruppe" entsandt. Auf Fotos und in einem Video des Verteidigungsministeriums in Moskau war zu sehen, wie bewaffnete russische Soldaten Flugzeuge bestiegen.

    Kasachstan: Weitere Eskalation befürchtet

    Dem Militärbündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Belarus, Kirgistan, Armenien, und Tadschikistan an. Auch aus diesen Staaten seien Streitkräfte nach Kasachstan entsandt worden, hieß es. Der Organisation zufolge ist eine Hauptaufgabe der ausländischen Soldaten der Schutz wichtiger staatlicher und militärischer Einrichtungen.

    Russland bekenne sich zu seinen Verpflichtungen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. "Wir betrachten die jüngsten Ereignisse in einem befreundeten Land als einen von außen inspirierten Versuch, die Sicherheit und Integrität des Staates auf gewaltsame Weise durch den Einsatz ausgebildeter und organisierter bewaffneter Formationen zu untergraben." Die USA hatten jedoch bereits Berichte über mögliche Verwicklungen dementiert.

    Nachdem Russland nun Soldaten geschickt hat, wachsen die Befürchtungen vor einer weiteren Eskalation in dem Land. Internetseiten kasachischer Medien waren zwischenzeitlich auch vom Ausland aus nicht zu erreichen. So ist es recht schwer, Berichte aus dem Land unabhängig zu prüfen. Und offizielle Angaben gibt es quasi nicht – die Behörden hielten sich mit belastbaren Informationen zurück.

    Kasachstan: Mehr als 1000 Verletzte laut Ministerium

    Wie viele zivile Opfer es bislang gab, ist deshalb noch recht unklar. Laut Gesundheitsministerium wurden mehr als 1000 Menschen verletzt. 400 seien in Krankenhäuser gebracht worden, 62 davon seien in Behandlung auf Intensivstationen.

    Als Schwerpunkt der Ausschreitungen gilt Almaty. Die Stadt im Südosten des Landes ist eine kasachische Wirtschaftsmetropole. Bilder, die im Nachrichtenkanal Telegram verbreitet wurden, zeigten etwa Gebäude der Stadtverwaltung, die von Flammen geschädigt ist. Am Mittwoch waren auch andere öffentlichen Gebäude gestürmt worden. Das Internet-Portal Vlast berichtete, dass viele Supermärkte und Geschäfte geplündert worden seien, auch der Laden eines Waffenhändlers. Zudem seien viele Geldautomaten gesprengt worden. "In der Stadt riecht es stark nach Feuer." Wütende Demonstranten haben am Mittwochabend im nördlicher gelegenen Taldykorgan eine Bronzestatue von Nursultan Nasarbajew mit Seilen vom Sockel gezogen.

    Kasachstan: Ausnahmezustand bis 19. Januar

    Videos aus der Hauptstadt Nur-Sultan, die früher Astana hieß, zeigten dagegen einen normalen Alltag. Vor einigen Geldautomaten bildeten sich lange Warteschlangen, denn die Banken stellten vorübergehend ihre Arbeit ein. Mehrere Flughäfen des Landes waren geschlossen. Landesweit gilt zunächst bis zum 19. Januar ein Ausnahmezustand.

    Polizei und Demonstranten stehen sich in der Innenstadt von Almaty gegenüber.
    Polizei und Demonstranten stehen sich in der Innenstadt von Almaty gegenüber. Foto: Vladimir Tretyakov, AP/dpa

    Auch wenn es den Protestierend schon lange nicht mehr um den Spritpreis geht: Die Regierung versuchte die aufgeheizte Stimmung mit Obergrenzen für Kraftstoffpreise zu beruhigen. Damit sollen für Benzin, Diesel und Flüssiggas Regelungen für kommenden 180 Tage greifen. Außerdem wurden die Winterferien an Schulen verlängert. (mit dpa)

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