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Karriereende: Von Strauß bis Spiegel: Diese Rücktritte bewegten die Bundesrepublik

Karriereende

Von Strauß bis Spiegel: Diese Rücktritte bewegten die Bundesrepublik

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    Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) nach ihrer Pressekonferenz.
    Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) nach ihrer Pressekonferenz. Foto: Annette Riedl, dpa

    Der Rücktritt schien aus der Mode gekommen: Als der Druck auf Ex-Familienministerin Anne Spiegel wuchs, zogen manche Vergleiche zum ehemaligen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer. Dieser hatte in der letzten Bundesregierung beim Maut-Debakel Hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt – und konnte sich trotzdem bis zur Abwahl der unionsgeführten Regierung im Amt halten. Anders endete es für Spiegel: Sie trat am Montag letztlich zurück. Damit erging es ihr wie einigen anderen Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitikern der vergangenen Jahrzehnte.

    Franz Josef Strauß konnte sein Rücktritt nur vorübergehend stoppen

    Etwa Franz Josef Strauß. Er gilt heute als so etwas wie der Urvater der CSU – eines seiner Plakate hing sogar über dem Bett des jugendlichen Markus Söder. Strauß ließ einst die Redaktion des Spiegel durchsuchen, nachdem das Magazin kritisch über die Bundeswehr berichtet hatte. Strauß veranlasste Ermittlungsverfahren, die ergebnislos endeten. Im Zuge der sogenannten "Spiegel-Affäre" trat Strauß schließlich 1962 zurück. Seine politische Karriere endete damit aber nicht. Später wurde er Finanzminister, dann bayerischer Ministerpräsident und schließlich kandidierte er vergeblich fürs Kanzleramt.

    Franz Josef Strauß trat als Folge der "Spiegel-Affäre" zurück.
    Franz Josef Strauß trat als Folge der "Spiegel-Affäre" zurück. Foto: Hartmut Reeh, dpa (Archivbild)

    Das "Cleverle" verhielt sich nicht so clever

    "A Hund isser scho" gilt in Strauß' Freistaat als höchstes Kompliment. In Baden-Württemberg wollte man wohl über den früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) etwas ähnliches sagen, drückte es aber anders aus: Ihn bezeichnete man gerne als "Cleverle". Nicht so clever handelte er, als er sich von Firmen Urlaubsreisen bezahlen ließ. Die Folge der sogenannten "Traumschiff-Affäre": Späths Rücktritt.

    Lothar Späth stolperte über Urlaubsreisen, die er nicht bezahlt hatte.
    Lothar Späth stolperte über Urlaubsreisen, die er nicht bezahlt hatte. Foto: Jan-Peter Kasper, dpa

    Engholm kostete eine Affäre die Kanzlerkandidatur

    Björn Engholm, damals SPD-Chef und Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, stolperte darüber, dass er den Untersuchungsunterausschuss des Landtages zur "Barschel-Affäre" belogen hatte. Dabei ging es unter anderem um die Bespitzelung durch einen Mitarbeiter der CDU-geführten Staatskanzlei. 1993 trat Engholm von allen Ämtern zurück – auch von seiner geplanten Kanzlerkandidatur.

    Björn Engholm war bis zu seinem Rücktritt von allen Ämtern SPD-Vorsitzender und schleswig-holsteinischer Ministerpräsident.
    Björn Engholm war bis zu seinem Rücktritt von allen Ämtern SPD-Vorsitzender und schleswig-holsteinischer Ministerpräsident. Foto: Andreas Altwein, dpa (Archivbild)

    Streibl begründete den Vorwurf der Amigo-Kultur in der CSU

    Max Streibl, der nach Strauß' Tod in die Staatskanzlei einzog, war Urheber eines Skandals, dessen Name den Christsozialen noch heute nachhängt: der "Amigo-Affäre". Ihm wurde vorgeworfen, Bestechungsgeld von Industrieunternehmen angenommen zu haben. Überliefert ist, dass Steibl sich noch mit einer Drohung im CSU-Parteivorstand retten wollte: "Hier drin befindet sich brisantes Material – über jeden von euch!“ Vergeblich – 1993 trat er zurück.

    Der damalige Ministerpräsident Max Streibl (CSU) nahm 1993 seinen Hut.
    Der damalige Ministerpräsident Max Streibl (CSU) nahm 1993 seinen Hut. Foto: Brüchmann, dpa (Archivbild)

    Ein Pool-Foto von Mallorca vor Kriegsbeginn kommt nicht gut an

    Der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums wird oft Ferne zur Truppe vorgeworfen – gerade, wenn es sich um Ministerinnen handelt. Aber niemandem wurde bisher eine so große Distanz nachgesagt wie Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD): Kurz vor einem Bundeswehreinsatz in Mazedonien ließ er sich von einem Klatschmagazin mit seiner Lebensgefährtin im Swimmingpool auf Mallorca fotografieren. Außerdem war er in mehrere Affären verwickelt. Zu einem Rücktritt aber kam es nicht: Stattdessen entließ der Bundespräsident den Minister im Jahr 2002 auf die Bitte des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder hin.

    Rudolf Scharping (SPD) wurde vom Bundespräsident entlassen.
    Rudolf Scharping (SPD) wurde vom Bundespräsident entlassen. Foto: Frank Kleefeldt, dpa

    Zu Guttenberg ist der Erfinder der "Salamitaktik"

    Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), für viele Konservative einst ein politischer Hoffnungsträger, womöglich gar Kanzleraspirant, schaffte es indirekt auf Platz drei des Jugendwort des Jahres 2001 – mit "guttenbergen", einem nach ihm benannten Verb. Es steht für Abschreiben. Das hatte der Verteidigungsminister nämlich in eklatanter Weise in seiner Doktorarbeit getan. Stück für Stück gestand er die Vorwürfe ein, prägte damit die sogenannte "Salamitaktik" und trat schließlich 2011 zurück.

    Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Rücktrittserklärung in Berlin.
    Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Rücktrittserklärung in Berlin. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Wulff wulffte den Anrufbeantworter des Bild-Chefredakteurs

    Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff hat es ebenfalls zum eigenen Verb gebracht: "wulffen". Es hat gleich zwei Bedeutungen: zum einen, jemandem den Anrufbeantworter vollzuquatschen – das hatte Wulff verhängnisvollerweise beim damaligen Bild-Chefredakteur getan, zum anderen, nicht wirklich zu lügen, aber auch nicht mit der Wahrheit rauszurücken. Wulff wurde vorgeworfen, eine Anfrage im niedersächsischen Landtag falsch beantwortet, Einflussnahme auf Medien versucht und eine kostenlose Urlaubsreise angenommen zu haben. Er trat schließlich 2012 zurück. Zwei Jahre später wurde er von einem Gericht von strafrechtlichen Vorwürfen freigesprochen.

    Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff trat wegen der Wulff-Affäre zurück.
    Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff trat wegen der Wulff-Affäre zurück. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Nahles wurde von der SPD vom Hof gejagt

    Die damalige SPD-Chefin Andrea Nahles stolperte nicht über einen Skandal, sondern über eine historische Wahlschlappe bei der Europawahl 2019 – und den wachsenden Unmut in ihrer Partei.  „Ich hoffe sehr, dass es Euch gelingt, Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken“, riet sie ihrer damals stark zerrütteten Partei. Sie legte 2019 den Partei- und Fraktionsvorsitz sowie ihr Bundestagsmandat nieder und zog sich komplett aus der Politik zurück.

    Andrea Nahles, damals SPD-Chefin, trat 2017 von allen politischen Ämtern zurück .
    Andrea Nahles, damals SPD-Chefin, trat 2017 von allen politischen Ämtern zurück . Foto: Thomas Frey, dpa

    Spiegel trat als erste Ampel-Ministerin zurück

    Den jüngsten Rückzug aus der Spitzenpolitik trat Anne Spiegel an – aber nicht ganz freiwillig. Die bisherige Bundesfamilienministerin war wegen ihres Handelns nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands im Jahr 2021 massiv in die Kritik geraten. Als rheinland-pfälzische Umweltministerin war sie zehn Tage nach dem Unglück mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren. In einer emotionalen, kurzfristig anberaumten Pressekonferenz begründete sie dies mit familiären Problemen – doch der vermeintliche Befreiungsschlag reichte nicht aus. Am nächsten Tag wuchs der Druck aus der eigenen Partei. Daraufhin trat Spiegel zurück. Ihre Nachfolgerin soll Lisa Paus werden.

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