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Kanzlerin in Moskau: Letzter Merkel-Besuch in Moskau: Am Ende schlug der Respekt in Kälte um

Kanzlerin in Moskau

Letzter Merkel-Besuch in Moskau: Am Ende schlug der Respekt in Kälte um

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    Blumen zum Abschied: Angela Merkel war zum 19. und letzten Mal als Kanzlerin bei Wladimir Putin zu Gast.
    Blumen zum Abschied: Angela Merkel war zum 19. und letzten Mal als Kanzlerin bei Wladimir Putin zu Gast. Foto: dpa

    Manchmal lassen sich Symbole ganz bewusst einsetzen. Für ihren letzten Moskau-Besuch als Bundeskanzlerin hat sich Angela Merkel einen speziellen Tag ausgesucht. Einen, der eben symbolhaft ist für den Knacks in den deutsch-russischen Beziehungen, der dafür steht, wie die lange Zeit stetige Vertrauensbasis zwischen Berlin und Moskau zu einer großen Enttäuschung wurde. Letztlich auf beiden Seiten. So saß Merkel also an dem Tag bei Putin, an dem sich die Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny jährte. Der Tag, der als Zäsur der Moskau-Berlin-Achse zu sehen ist.

    Resignation zwischen Putin und Merkel seit Vergiftung von Nawalny

    Das distanzierte und doch respektvolle Verhältnis Merkels zu Wladimir Putin war der Resignation gewichen, ja einer Kälte, wie es sie zuvor kaum gegeben hatte, bei Syrien nicht, auch nicht bei der Ukraine. Der „versuchte Giftmord“ samt „schwerwiegenden Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und muss“, wie Merkel sagte, zeigt, wie unvereinbar der Blick auf die Welt zwischen beiden Staaten heute ist. Gleichwohl sollte Merkel auch an diesem Freitag auf ihren realpolitischen Pragmatismus setzen, um in Fragen um Afghanistan,

    Die Kinder des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny machten ein Selfie mit Nawalny und dessen Frau Julia am Krankenbett in der Charite, wo dieser nach seiner Vergiftung behandelt wurde.
    Die Kinder des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny machten ein Selfie mit Nawalny und dessen Frau Julia am Krankenbett in der Charite, wo dieser nach seiner Vergiftung behandelt wurde. Foto: Daria Nawalny, Instagram, dpa (Archivbild)

    Die „schwerwiegenden Fragen“ hat die russische Regierung nicht beantwortet, natürlich nicht. Sie stichelt weiter. Just vor der Visite veröffentlichte das Außenministerium ein Statement, in dem Berlin eine Führungsrolle beim „künstlich geschaffenen Hype um Nawalny“ zugesprochen wird. Die „gezielte Provokation“ hätten „Deutschland und seine Verbündeten“ gewählt, um „Russland in den Augen der Weltgemeinschaft zu diskreditieren“, auch mit dem „Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten vor der Duma-Wahl einzumischen“. Der „Fall Nawalny“ sei „inszeniert“ worden, um die „Strategie“ der Deutschen „zur Eindämmung Russlands“ zu verfolgen. Mit solchen Mitteilungen steuert man nicht auf eine Verbesserung der Beziehungen hin. Beziehungen, die in vielem so eng sind.

    Andere Staatchefs gingen: Merkel und Putin waren immer da

    19 Mal war Merkel bereits in Russland bei Putin, sie war sein Draht nach Europa: beständig, nüchtern, beschlagen. Während andere Staatschefs gingen und kamen, sie war da. Und er war da. Sie haben gelernt, miteinander umzugehen. Putin testete die Deutsche stets gezielt, Merkel ließ seine Provokationen ins Leere laufen und sagte ehrlich, was sie von seiner Politik hielt. Sie hielt seinem starren Blick stand, hielt es trotz Hundeangst aus, dass sich sein Labrador Koni in Sotschi zu ihren Füßen legte, nahm später Mantel und Rosen von ihm an. Persönliche Befindlichkeiten stellte sie stets hintan. Auch bei Putin.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kremlchef Wladimir Putin bei einem Treffen im Juni 2019.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kremlchef Wladimir Putin bei einem Treffen im Juni 2019. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Im Kreml hält man die Europäer zwar oft für naiv, Anbiederung aber mag man gar nicht. Für das ehrliche Eintreten für ihre Überzeugungen respektieren die Russen Merkel, auch wenn sie diese Überzeugungen so gar nicht teilen. Sachlichkeit war Trumpf, auch harter, kompetenter Dialog. Drumherumreden, ob auf Deutsch oder Russisch, ist beider Sache nicht. Merkel spricht stets die Verletzungen von Menschenrechten an, die Aushöhlung der Pressefreiheit in Russland, die Morde an Kritikern. Vor Putin blieb die 67-Jährige stets auf der Hut. Merkel kennt die Mechanismen sowjetischen Machtgebrauchs, die bis heute nicht verschwunden sind.

    So verbindet die Geschichte Russland und Deutschland Merkel und Putin

    Merkels Beziehung zu Russland ist allein aus ihrer Biografie heraus eine besondere. Bereits als junge Frau erlebt sie eine große Verbundenheit zum Land, begeistert sich für Sprache und Literatur, reist in den 1970ern nach Moskau und Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, trampt durch den Kaukasus.

    Auch Putins Nähe zu Deutschland ist eine besondere. „Ähnliche Mentalitäten“ hatte der 68-Jährige einst sich und Merkel bescheinigt. Ein Irrtum. Denn die größte Zäsur in ihrem Leben bewerten beide völlig gegensätzlich: Während sich mit dem Ende der DDR für Merkel eine neue Welt öffnete, betrauert Putin bis heute das Ende der Sowjetunion. Er ist der „KGBschnik“ geblieben, zu dem er ausgebildet worden war, einer, der die Welt in Einflusssphären einteilt und skrupellos genug ist, um eigene Interesse zu verfolgen. Oft in Geheimoperationen. Sie hält das für vorgestrig, setzt auf Ausgleich und erlebt trotz ihres tiefen Verständnisses für Russland immer mehr Ratlosigkeit einem Staat gegenüber, dessen Präsident immer noch den kalten Krieger gibt.

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