Papst Franziskus wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass seine Entschuldigung für die Verbrechen an der indigenen Bevölkerung in Kanada von Herzen kommt: „Ich bitte demütig um Vergebung für das Böse, das von so vielen Christen an den indigenen Bevölkerungen begangen wurde“, sagte Franziskus am Montag bei der ersten großen Begegnung mit Bewohnern des Indigenengebiets Maskwacis bei Edmonton.
Indigene wurden in Kanada insbesondere im Schulsystem der christlich geführten sogenannten Residential Schools (Internatsschulen) ihrer Rechte beraubt und gewaltsam assimiliert. Schon bei der Begrüßung des Papstes am Sonntag am Flughafen von Edmonton waren Vertreter der Indigenenvölker First Nations, Métis und Inuit zugegen. Seither ertönten bei fast allen Stationen des Papstes Indianergesänge und Trommel-Laute. Franziskus ist wegen eines schweren Knieleidens auf einen Rollstuhl angewiesen. In der Nacht auf Dienstag besuchte er die Herz-Jesu-Kirche in Edmonton, die älteste Indigenenpfarrei Kanadas, in der sich indigene Traditionen mit dem katholischen Glauben verbunden haben. „Unsere Kirche ist ein Ort, an dem sich die Überlebenden von Internatstraumata mit ihren Familien in einer inklusiven Gemeinde versammeln können“, sagte ein Pfarreimitglied an den Papst gewandt.
Franziskus: Katholiken Mitschuld an Entrechtung
In seiner Rede räumte Franziskus ein, dass „Katholiken zu einer Politik der Assimilation und Entrechtung beigetragen haben“, Menschen „ihrer kulturellen und spirituellen Identität beraubt“ wurden, Diskriminierung „im Namen einer Erziehung geschah, von der man annahm, dass sie christlich sei“. Der Papst sprach sich gegen Zwangsmissionierung aus. Es sei falsch, anderen ein kulturelles Modell aufzuzwingen, das gelte auch für die Kirche. Es sei eine „weltliche Versuchung“, Jesus vom Kreuz herunterzuholen, „um ihn mit Macht und äußerem Glanz kundzutun“.
In Kanada hatten seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre mehr als 150.000 Kinder meist indigener Abstammung in Internatsschulen brutale Assimilationsprogramme durchlaufen. 75 Prozent der insgesamt 130 Residential Schools wurden von der katholischen Kirche geführt. Mindestens 6000 Kinder starben in den Internatsschulen. Eine der Empfehlungen der Wahrheits- und Versöhnungskommission aus dem Jahr 2015 lautete, der Papst solle Kanada besuchen und sich im Namen der Kirche vor Ort entschuldigen. Bei den Stationen seiner Reise traf der Papstes zahlreiche Überlebende solcher Internate, die sich teilweise berührt von den Worten des Kirchenoberhaupts zeigten. Mehrere Häuptlinge sagten später, Besuch und Entschuldigung seien nur ein erster Schritt. Es sei unmöglich, über die Traumata hinwegzukommen.
Am Montagvormittag hatte Franziskus einen Friedhof mit Kindergräbern bei Edmonton besucht und war anschließend Indigenen in einer Freiluft-Arena begegnet. Dabei hielten die Angehörigen der westkanadischen Indigenen ein Transparent mit den Namen der getöteten Kinder.
Franziskus, der später mit einem Federschmuck beschenkt wurde, sprach davon, „wie durch das System der Internatsschulen eure Sprachen und Kulturen verunglimpft und unterdrückt wurden; wie Kinder körperlich und verbal, psychologisch und spirituell misshandelt wurden“.
Ein paar kleine Mokassins erinnerten den Papst an das Schicksal der Kinder
Im April war bereits eine Delegation kanadischer Indigener zu Besuch im Vatikan gewesen. Damals hatte Chief Marie-Anne Day Walker-Pelletier zwei Paar kleine Mokassins in den Vatikan mitgebracht als Zeichen für das Leid der Kinder. Am Montag gab Franziskus sie der Häuptlingsfrau aus Saskatchewan zurück. Die Geste sollte zeigen, dass der Papst und die Kirche sich des begangenen Unrechts bewusst sind und fortan bei der Heilung mitwirken.
Für den Donnerstag sind Begegnungen mit dem kanadischen Klerus geplant. Am Freitag will Franziskus in das nördliche Inuit-Gebiet nach Iqaluit reisen und dort erneut frühere Schüler der Internatsschulen treffen.