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Kamala Harris: Aufbruch der Demokraten gegen Trump?

US-Wahl 2024

Die Frau, die sich was traut

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    Vizepräsidentin Kamala Harris ist die Nominierung kaum noch zu nehmen, alles deutet darauf hin, dass sie für die Demokraten ins Rennen ums Präsidentenamt geht.
    Vizepräsidentin Kamala Harris ist die Nominierung kaum noch zu nehmen, alles deutet darauf hin, dass sie für die Demokraten ins Rennen ums Präsidentenamt geht. Foto: Alex Brandon, dpa

    Gut drei Wochen waren sie aus den Schlagzeilen verschwunden. Die Beleidigungen und Verfehlungen, die Straftaten und Vorwürfe, für die Donald Trump seit Jahren berüchtigt ist. Bidens Alter, Bidens Rücktritt, der Attentatsversuch – Paukenschlag folgte auf Paukenschlag im amerikanischen Wahlkampf. Doch nun, da sich die Dinge sortieren und die Nominierung von Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten kaum mehr aufzuhalten ist, sind sie wieder da, die langen Listen mit Trumps Sünden. „Die Staatsanwältin wird den Fall gegen den Straftäter darlegen“, jubelt die demokratische Senatorin Elizabeth Warren und legt damit eine Rollenverteilung dar, die nun zur zentralen Erzählung der kommenden Wochen werden dürfte: Hier die Juristin, die für Recht und Gesetz eintritt. Dort der Mann, der sich nur an seine eigenen Regeln hält. Sie habe als Staatsanwältin und Generalstaatsanwältin von Kalifornien mit Verbrechern aller Art zu tun gehabt, sagt Harris bei einem Auftritt in der Wahlkampfzentrale der Demokraten im US-Bundesstaat Delaware. „Verbrecher, die Frauen missbraucht, Betrüger, die Verbraucher abgezockt und Schwindler, die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gebrochen haben. Hört mir also zu, wenn ich sage, dass ich Typen wie Donald Trump kenne.“

    Ob die demokratische Partei Joe Bidens Vorschlag folgt und statt seiner die 59-Jährige nominiert, entscheidet sich erst auf dem Parteitag vom 19. bis 22. August in Chicago. Doch zu nehmen ist ihr die Kandidatur kaum noch. Bereits jetzt haben etliche Delegierte angekündigt, ihre Stimme der Vizepräsidentin zu geben. Um zur Kandidatin gekürt zu werden, benötigt Harris etwas weniger als 2000 Delegiertenstimmen. Diese Hürde hat sie den Schätzungen verschiedener US-Medien zufolge schon erreicht. Wie groß die Kamala-Euphorie in der Partei und bei Unterstützern ist, zeigt zudem eine andere Zahl: Seit dem Rückzug ihres Chefs sammelte sie Spenden in Höhe von unglaublichen 81 Millionen US-Dollar in 24 Stunden - eine Rekordsumme. Tatsächlich scheint es, als sei den Demokraten ein regelrechter Befreiungsschlag geglückt. Und tatsächlich scheint Harris die Hauptrolle besser zu liegen als die Nebenrolle im Schatten Bidens. Thomas Jäger, US-Experte an der Universität Köln, formuliert es etwas weniger schmeichelhaft: „Generell gilt: Harris ist so profillos, dass sie sich neu präsentieren kann“, sagt er. Und das am besten schneller, als Trump seine Definition der Gegnerin unter das Wahlvolk bringen könne: die Quotenfrau, die unamerikanische Linke, die Notkandidatin.

    Kamala Harris verkörpert den amerikanischen Traum

    Der Rat ihrer Mutter, erzählte Harris einmal, habe stets gelautet: „Lass dir von den Leuten nicht sagen, wer du bist. Sag ihnen, wer du bist.“ Und so lässt ihr Team einen Hauch von Geschichte wehen, der ihr selbst und ihrer Kampagne Auftrieb verleiht: Sie könnte die erste Frau – eine schwarze noch dazu - sein, die es in das mächtigste Amt der Welt schafft. Es wäre nicht der erste historische Erfolg der Kalifornierin. 2020 wurde sie zur ersten schwarzen US-Vizepräsidentin, 2011 als erste Frau und erste Afroamerikanerin mit asiatischen Wurzeln Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Der Kampf für Frauenrechte prägt seit Jahren ihre Arbeit und könnte auch bei der anstehenden Wahl vor allem jüngere Wählerinnen mobilisieren. „Sie wird das Recht auf Abtreibung thematisieren, das Trump am liebsten gar nicht ansprechen würde“, sagt Jäger. In dem unerbittlich geführten Streit steht die Mutter zweier Stiefkinder vehement für die Selbstbestimmung von Frauen ein.

    Anders als Trump kann die Vizepräsidentin die Geschichte eines Lebens erzählen, das im Einwanderungsland USA viele teilen. Ihr Vater war aus Jamaika in die USA eingewandert, um Wirtschaft zu studieren. Ihre Mutter - eine Krebsforscherin und Bürgerrechtlerin - kam aus Indien und lernte Harris‘ Vater in den 60er Jahren in den USA kennen. Die Eltern ließen sich später scheiden, die Mutter zog mit Kamala und deren Schwester Maya zunächst nach Kanada. Doch auch Indien sei ein wichtiger Teil ihres Lebens, sagt Harris selbst, sie kennt das Land ihrer Mutter aus unzähligen Besuchen. Harris engagierte sich in jungen Jahren in der Anti-Apartheid-Bewegung, studierte an der traditionell afroamerikanischen Howard Universität in Washington, später an der University of California.

    In Rechtsfragen gilt sie als durchsetzungsstark

    In ihren Jahren als kalifornische Justizministerin fiel sie durch eine bisweilen harte Law-and-Order-Politik auf, brachte Eltern ins Gefängnis, die die Schulpflicht ihrer Kinder missachteten. Ihre Erfahrung als Staatsanwältin kam Harris bei der Arbeit als Senatorin immer wieder zugute. Berühmt-berüchtigt wurde sie für ihre hartnäckige Fragestellung. Als klug, zielstrebig und konzentriert wird sie von Weggefährten beschrieben. Und doch konnte sie ihre Präsidentschaftsambitionen bislang nicht in die Tat umsetzen. 2020 scheiterte sie in den Vorwahlen, ihre Umfragewerte waren desaströs. Auch darum wird Harris bis heute von ihren Kritikern als Quotenfrau verunglimpft, die von Biden nur deshalb als Vize an Bord geholt worden war, weil sie die passende Hautfarbe und das passende Geschlecht habe. An persönliche Angriffe musste sie sich gewöhnen. Sexismus und Alltagsrassismus gehören zu ihrem Alltag.

    Und doch hat sie einen ganz banalen, aber wichtigen Trumpf, den sie ausspielen kann: Sie ist weder Biden noch Trump. „Double haters“ heißen jene Wählerinnen und Wähler, die in den USA im aktuellen Wahlkampf eine große Gruppe bilden: Sie konnten weder mit dem einen noch mit dem anderen Kandidaten etwas anfangen.

    Und was würde die Wahl von Harris für Deutschland und Europa bedeuten? „Harris würde die Außen- und Außenwirtschaftspolitik von Biden fortsetzen, möglicherweise mit größeren Anforderungen an die EU-Staaten und Deutschland“, glaubt Experte Thomas Jäger. „Denn ihr fehlt die lange Verbundenheit mit Europa.“ Der große Unterschied zu Trump sei, dass sie in der Nato eine wichtige Allianz sehe und die EU als Partner akzeptiere. „Die Konflikte mit China, Russland und Iran werden auch unter Harris auf die transatlantischen Beziehungen ausstrahlen und von den europäischen Staaten ein stärkeres geopolitisches Engagement verlangen, insbesondere die Fähigkeit, sich selbst verteidigen und Russland abschrecken zu können“, prophezeit der Experte.

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    5 Kommentare
    Leo Mattern

    Vorsicht, wonach Sie sich sehnen! Weder Biden noch Harris treffen politische Entscheidungen gemäß der Wähler, sondern im Interesse finanzieller und wirtschaftlicher Machthaber. Und dies gilt in großem Ausmaß auch für Trump. Ich setze auf Robert F. Kennedy Jr., einen Rechtsanwalt, der viel für die Umwelt und öffentliche Gesundheit litigiert hat und sich bestens mit Korruption in Sachen Regierung und Privatsektor auskennt, und den die Medien bisher vergeblich auszugrenzen versuchten.

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    Helmut Eimiller

    Vielleicht profitiert Kennedy vom Mythos um JFK. Aber bei näherem Hinsehen verliert auch diese Lichtgestalt viel an Strahlkraft. Der GEO-Artikel „JFK - die Wahrheit und der Mythos“ zum 55. Todestag entspricht in etwa meiner Einschätzung von den USA. (Selbst war ich zwar nie außerhalb Europas, aber meine Tante führte ein unglückliches Leben als Apothekergattin in Milwaukee. Auch leb(t)en Freunde von mir in den USA und ich habe seit Jahrzehnten Briefkontakte auch mit Amerikanern.)

    Wolfgang Leonhard

    Dieser Robert F. Kennedy jr. ist ein Impfschwurbler und Verschwörungstheoretiker, kurz gesagt ein Spinner. Kamala Harris scheint entgegen aller Erwartungen das Momentum Trumps nach dem gescheiterten Attentat beenden zu können. Sie braucht nun noch einen bodenständigen, konservativen Vizepräsidentenkandidaten, dann könnte der Trumpismus bald Geschichte sein.

    Helmut Eimiller

    „Denn ihr fehlt die lange Verbundenheit mit Europa.“ Auch beim noch amtierenden US-Präsidenten ist in der Wirtschaftspolitik keine Verbundenheit mit Europa zu erkennen. „Manche Beobachter in Europa und anderswo in der Welt aber reiben sich die Augen: Zweieinhalb Jahre nach dem Abgang des polternden America-First-Politikers Donald Trump scheint sein freundlicher Nachfolger eine kaum weniger nationale Wirtschaftspolitik zu betreiben.“ (Karl Doemens am 13.08.23)

    Wolfgang Schwank

    Der Hype um Frau Harris erschliesst sich mir nur bedingt. Als grosse Politikerin mit Ergebnissen hat sie sich bis dato nicht profiliert. Ihre beiden Hauptthemen sind weit hinter den Erwartungen geblieben. Momentan ist - wie dort üblich - das Betteln um Spenden Hauptbestandteil der Politik. Am 5. November wird wohl leider dieser unberechenbare Ex-Präsident die Nasenspitze vorne haben. Sich darauf vorzubereiten, sich mit den Gegebenheit auseinanderzusetzen, das ist es war notwendig ist. Wer auch immer dort gekürt wird, er oder sie werden wie seit Jahrzehnten einen USA first-Kurs fahren. Im Vordergrund stehen Einfluss und Macht, wirtschaftlich und militärisch. Unterschiede mag es dann geben in der Frage, welches Klientel bevorzugt bedient und wo der geopolitische Schwerpunkt gesetzt wird.

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