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Kalte Progression: So verdient der deutsche Staat an der Inflation

Kalte Progression

So verdient der deutsche Staat an der Inflation

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    Nach einer Studie des Ifo-Instituts hat der Staat durch die Effekte der kalten Progression seit 2010 rund 70 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen.
    Nach einer Studie des Ifo-Instituts hat der Staat durch die Effekte der kalten Progression seit 2010 rund 70 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen. Foto: Oliver Berg, dpa

    Mehr als sieben Prozent Inflation, aber nur zwei oder drei Prozent mehr Lohn oder Gehalt: Für Millionen von Arbeitnehmern in Deutschland wird das Jahr 2022 ein Verlustgeschäft. Der Staat dagegen verdient an dieser Situation kräftig mit. Nach einer Schätzung der Bundesbank nehmen die Finanzämter in diesem Jahr 13,5 Milliarden Euro mehr ein, weil die Steuertabellen nicht an die hohe Inflation angepasst worden sind.

    Das Phänomen, im Steuerdeutsch kalte Progression genannt, ist fast so alt wie das Steuersystem selbst. Dabei wird eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen, während gleichzeitig durch das nominell höhere Gehalt die Steuerbelastung steigt. Ein Arbeitnehmer zahlt also mehr Steuern, obwohl seine Kaufkraft nicht gestiegen ist.

    Kalte Progression: Höhere Steuern, aber nicht mehr Geld

    Verantwortlich dafür sind zum einen die Steuerprogression, die nach dem steuerfreien Existenzminimum durch stark steigende Steuersätze geprägt ist, und zum anderen die Inflation.

    Preise für Waren und Dienstleistungen steigen permanent, was bei faktisch unverändertem Einkommen die Kaufkraft schmälert. Nach einer groben Faustregel führt jeder Prozentpunkt mehr an Inflation damit zu zusätzlichen Einnahmen von zwei Milliarden Euro aus der Lohnsteuer für den Fiskus.

    Die Koalition hat zwar den Steuertarif für das Jahr 2022 vor kurzem reformiert und damit den Effekt der kalten Progression etwas gedämpft. Berechnungen des Bundes der Steuerzahler für unsere Redaktion aber zeigen, dass dies noch nicht ausreicht. Vergleicht man den geltenden Tarif für das laufende Jahr mit einem fiktiven Tarif, dem eine Inflation von sieben Prozent zugrunde liegt, ergibt sich folgender Nachholbedarf für 2022:

    • Ein Single mit einem Monatsbrutto von 2500 Euro müsste noch einmal um 104 Euro entlastet werden, damit die kalte Progression vollständig abgebaut ist.
    • Ein Single mit einem Monatsbrutto von 4000 Euro zahlt, Stand jetzt, 224 Euro zu viel an Steuern.
    • Eine Doppelverdienerfamilie mit zwei Kindern und einem Monatsbrutto je Partner von 3000 Euro müsste in diesem Jahr noch um 278 Euro entlastet werden.
    • Eine Doppelverdienerfamilie mit zwei Kindern und jeweils 3500 Euro brutto verliert durch die kalte Progression 356 Euro.

    Der einfachste Weg, diese heimliche Steuererhöhung zu verhindern, wäre die Anpassung der Steuertabellen an die Inflationsraten, wie es die alten Bundesregierungen seit dem Jahr 2013 mehrfach getan haben. Nun aber, da die Preissteigerung lange nicht mehr gekannte Höhen erreicht hat, können sich die Ampelparteien nicht darauf einigen, die Einkommenssteuertarife an die Preisentwicklung zu koppeln. „Die Abschaffung der kalten Progression nützt vor allem den Top-Verdienern und ist kein geeignetes Instrument, um Familien mit unteren und mittleren Einkommen zielgenau zu unterstützen“, kritisiert allen voran Familienministerin Lisa Paus, die früher Finanzexpertin der grünen Bundestagsfraktion war.

    Finanzminister Christian Lindner (FDP) dagegen kontert im Handelsblatt: „Von einer Änderung des Tarifverlaufs profitieren kleine und mittlere Einkommen am stärksten.“ Bei höheren Einkommen sei der Entlastungsbetrag in Euro zwar höher, aber dort sei auch die Steuerbelastung insgesamt größer.

    Spitzenverdiener sollen bei der Steuerentlastung außen vor bleiben

    Spitzenverdiener will auch Lindner weitgehend von der Entlastung ausnehmen, indem er die Einkommensgrenze für die Reichensteuer nicht erhöht. Sie soll weiterhin ab einem zu versteuernden Salär von 277.000 Euro fällig werden. Für alle Einkommensklassen darunter plant er eine Kombination aus einem höheren Grundfreibetrag, einem höheren Kindergeld und einer entschärften Progression.

    Beschäftigte mit einem Einkommen von bis zu 25.000 Euro würden so nach Berechnungen der FDP knapp elf Prozent weniger Steuern zahlen, bei 40.000 Euro wären es etwa 5,5 Prozent weniger. Wer zwischen 40.000 und 60.000 Euro verdient, könnte noch mit einer Steuerentlastung von 4,4 Prozent rechnen, danach sinkt die Entlastung schrittweise auf nur noch 1,4 Prozent bei einem Gehalt zwischen 100.000 und 150.000 Euro. Insgesamt würden die Steuerzahler so um etwas mehr als zehn Milliarden Euro entlastet.

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