So holprig wie der mit dicken Feldsteinen gepflasterte Platz vor Schloss Meseberg ist auch der bisherige Weg der Bundesregierung verlaufen. Knapp zwei Jahre haben SPD, Grüne und FDP nun zusammen regiert, gut zwei liegen noch vor ihnen - wenn das Bündnis denn hält. Denn erbitterter Streit ist an der Tagesordnung, zuletzt fetzten sich Grüne und FDP lautstark um die Kindergrundsicherung. Dass es mit dem ständigen Hadern nun vorbei ist, will Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem zweitägigen Halbzeittreffen seines Kabinetts in der Abgeschiedenheit Brandenburgs zwar nicht versprechen.
Doch, so der SPD-Politiker, die Koalition habe sich eine deutlich geräuschlosere Zusammenarbeit vorgenommen. Seine Regierung, so deren Chef, habe viel Liegengebliebenes abgearbeitet und könne eine stolze Bilanz vorweisen. "Aber es ist dann so, dass wir uns schon vorgenommen haben, dass das geräuschloser stattfindet", kündigt er nach der Kabinettsklausur in Meseberg an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) vergleicht die Ampel mit einer Baustelle: "Wir sind eine Regierung, wo gehämmert und geschraubt wird. Das führt zu Geräuschen, wie Sie schon festgestellt haben." Es komme aber eben auch was dabei raus. Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen will in den bisherigen Auseinandersetzungen sogar eine Stärke sehen. Es gehe darum, verschiedene Blickwinkel abzuwägen, "um die Mitte und die Handlungsfähigkeit stabil zu halten".
Neben der Kindergrundsicherung beschließt die Regierung das Wachstumschancengesetz
Den Eindruck, die Ampel habe sich nur mit Gruppentherapie beschäftigt, versucht Scholz schnell zu zerstreuen. Bei der vorangegangenen Kabinettssitzung habe sich die Regierung auf wichtige Maßnahmen geeinigt, die der schwächelnden Wirtschaft wichtige Impulse gäben. Beschlossen wurde das Wachstumschancengesetz, das zuvor von Familienministerin Paus (Grüne) im Streit um die Kindergrundsicherung blockiert worden war. Es umfasst 50 steuerpolitische Maßnahmen, die deutsche Unternehmen in den kommenden Jahren um rund 32 Milliarden Euro entlasten sollen. Kern ist eine Prämie für klimafreundliche Investitionen. Neu hinzugekommen sind verbesserte Abschreibungsregeln für Wohngebäude, die Anreize für den Neubau setzen sollen, der zuletzt hinter den Hoffnungen zurückblieb. Firmen sollen Verluste zudem künftig steuerlich leichter verrechnen können.
Durch höhere Schwellenwerte und Pauschalen soll das Steuersystem zudem entbürokratisiert werden. Lindner hofft dadurch auf einen Konjunkturschub: "Wachstum können wir nicht mit immer neuen steuer- und kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen herbeisubventionieren, denn ein solches Wachstum wäre nicht nachhaltig." Das Gesetz wird nun im Bundestag beraten, auch die Bundesländer müssen zustimmen. Damit würden sie allerdings Milliarden an Steuereinnahmen einbüßen.
So hat etwa Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) bereits Widerstand in der Länderkammer angekündigt. "Dass der Bund nur ein gutes Drittel der Kosten und Länder und Kommunen zwei Drittel schultern sollen, das ist für uns auf keinen Fall tragbar", sagte er. Der Deutsche Städtetag wählt drastische Worte. Das Wachstumschancengesetz sei "eine echte Hiobsbotschaft für die Städte"", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn das Wachstumschancengesetz so kommt, wie es jetzt geplant ist, bedeutet das für die Kommunen voraussichtlich bundesweit Steuerausfälle von mehr als sieben Milliarden Euro." Das sei für die Städte kaum zu verkraften.
Kommt der Industriestrompreis? Auch nach Meseberg bleiben Fragen offen
Auch lähmender Bürokratie will die Bundesregierung zu Leibe rücken. "Wir sind überzeugt, viele Betriebe in Deutschland leiden unter einem bürokratischen Burn-out", sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP). Demnach sollen etwa die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Auch die bisherigen Meldescheine für Hotelgäste sollen entfallen. Und die vorgeschriebenen Listen über Allergene, Zusatzstoffe und Aromen in lose verkauften Lebensmitteln müssten künftig nicht mehr schriftlich, sondern nur noch digital beim Verkäufer vorliegen.
Zur Enttäuschung von Wirtschaftsverbänden bleibt aber auch nach Meseberg eine Frage offen, die vielen Unternehmen gerade massive Bauchschmerzen macht: Wie sollen energieintensive Branchen die massiv gestiegenen Strompreise verkraften? Scholz drückte sich um eine klare Positionierung zu einem subventionierten Industriestrompreis. Den fordern Wirtschaftsminister Habeck und die SPD-Fraktion, Lindner hingegen lehnt ihn ab. Scholz sagte nur: "Die Frage der Sicherung einer billigen Energieversorgung ist ein Dauerthema der Regierung." Deshalb sollten etwa erneuerbare Energien und Netze rasch ausgebaut werden.