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Justiz: Gegen die Grünen wird ermittelt, eine Anklage ist aber unwahrscheinlich

Justiz

Gegen die Grünen wird ermittelt, eine Anklage ist aber unwahrscheinlich

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    Zum Grünen-Vorstand, der den "Corona-Bonus" absegnete, gehören auch die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.
    Zum Grünen-Vorstand, der den "Corona-Bonus" absegnete, gehören auch die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Auf ihrem Bundesparteitag Ende Januar wollen die Grünen eigentlich über ihren künftigen Kurs beraten und eine neue Führungsspitze wählen. Stattdessen rückt nun das Handeln des noch amtierenden Bundesvorstands in den Blickpunkt. Weil der sich Ende 2020 selbst einen "Corona-Bonus" von je 1500 Euro genehmigte, ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft. Es geht um den Anfangsverdacht der Untreue, der sich gegen das sechsköpfige Spitzengremium richtet, das bis zur Neuwahl von Annalena Baerbock und Robert Habeck angeführt wird.

    Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
    Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Dass sich jetzt auch die Justiz für den Vorgang interessiert, der bereits öffentlich bekannt und von parteiinternen Rechnungsprüfern gerügt worden war, kommt für die Grünen zur Unzeit. Denn beim digitalen Parteitag im Berliner Velodrom soll aufgearbeitet werden, warum das Bundestagswahlergebnis am Ende deutlich schlechter ausfiel, als es die Umfragen zwischenzeitlich nahelegten. Insbesondere dürfte es da um die Rolle von Annalena Baerbock gehen, die gerade als neue Außenministerin im Ukraine-Konflikt zu vermitteln versucht.

    Rüge von den eigenen Prüfern

    Als Spitzenkandidatin der Grünen war Baerbock gut gestartet, zeitweise schien das Kanzleramt in Reichweite. Doch dem anfänglichen Hoch in den Umfragen folgte der Absturz, was mit einer Plagiatsaffäre um ihr Buch zu tun hatte, aber auch damit, dass sie Sonderzahlungen der Partei an sie in Höhe von 25.000 Euro verspätet an den Bundestag meldete. Über die Corona-Sonderzahlungen für den Parteivorstand war im Wahlkampf ebenfalls diskutiert worden. "Das hätten wir so nicht machen sollen", hatte Baerbock eingeräumt.

    Michael Kellner
    Michael Kellner Foto: Michael Kappeler, dpa

    Dieser Meinung sind auch parteiinterne Rechnungsprüfer. Der Bundesvorstand hätte sich den Bonus in dieser Höhe nicht selbst genehmigen dürfen, so der Tenor eines Berichtes, der der dpa vorliegt. Den Schritt hätte demnach der breiter besetzte Bundesfinanzrat der Partei absegnen müssen. Laut einem Parteisprecher wurden die Boni inzwischen von allen Beteiligten zurückgezahlt. Das betonte am Donnerstag auch Parteichef Robert Habeck, der deshalb von den Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse erwartet. "Ansonsten wird das jetzt noch einmal staatsanwaltschaftlich ermittelt und aufgeklärt. Und dann, denke ich, wird das Kapitel auch endgültig abgeschlossen." Auch der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte: "Ich gehe mal davon aus, dass das Verfahren am Ende so endet, dass da wenig dabei herauskommt."

    Warum blieb das Wahlergebnis hinter den Erwartungen zurück?

    Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beruhen auf mehreren Anzeigen von Privatpersonen gegen den sechsköpfigen Bundesvorstand der Grünen. Zu dem gehören neben den Vorsitzenden Baerbock und Habeck die stellvertretenden Parteichefinnen Ricarda Lang und Jamila Schäfer, Generalsekretär Michael Kellner und Schatzmeister Marc Urbatsch. Bis auf Letzteren gehören alle dem Bundestag an, der über die Ermittlungen bereits im Dezember informiert wurde. Die bisherige Vizechefin Ricarda Lang möchte beim Parteitag zusammen mit dem Hessen Omid Nouripour an die Spitze aufrücken, von der sich Baerbock und Habeck wegen ihrer Ministerämter zurückziehen.

    Nouripour hat bereits eine Aufarbeitung der Negativschlagzeilen im Bundestagswahlkampf angekündigt. Dabei solle es aber nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um den Blick nach vorne, auf Lehren für die kommenden Wahlen. Die Strukturen der Grünen seien noch immer auf 45.000 Mitglieder ausgerichtet, mittlerweile sei deren Zahl aber auf 125.000 gestiegen. Ob Nouripours Appell, bei der Fehleranalyse sachlich zu bleiben, wirklich fruchtet, ist kurz vor dem Parteitag jedoch unklar. Nicht ausgeschlossen wird etwa in den Reihen der Bundestagsfraktion, dass es mit dem Burgfrieden in der Partei nun vorbei sein könnte. Hatten sich die pragmatischen Realos und die linken Fundis ihre traditionelle Streitlust lange verkniffen, um den Wahlerfolg nicht zu gefährden, könnte der Flügelzwist jetzt neu aufflammen. Zumal im Fundi-Lager noch der Groll darüber schwelt, dass ihre Galionsfigur Toni Hofreiter bei der Vergabe der Ministerposten leer ausging. Er sei "ausgebootet" worden, heißt es, damit Ober-Realo Cem Özdemir ins Kabinett rücken konnte, wo er das Landwirtschaftsressort übernahm. Auch sonst, so heißt es in der Fraktion, könnte sich beim Parteitag der Frust von Politikern Bahn brechen, die sich etwa bei der Vergabe der Ämter in Bundesregierung oder Partei übergangen fühlten. Die Ermittlungen gegen den Bundesvorstand könnten den Streit anheizen.

    Droht eine Anklage?

    Dass die Staatsanwaltschaft am Ende tatsächlich eine Anklage erheben könnte, gilt nicht nur bei den Grünen als sehr unwahrscheinlich. So gibt sich die Partei betont gelassen. Ein Sprecher sagte: "Der Bundesvorstand ist das oberste geschäftsführende Gremium und war daher aus Sicht aller Beteiligten legitimiert, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Über die Auszahlung der ‚Corona-Boni‘ wurde bereits berichtet, die Bundesvorstandsmitglieder haben sie bekanntermaßen zurückgezahlt." Die betroffenen Vorstandsmitglieder und die Bundesgeschäftsstelle kooperieren demzufolge "vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft, um den Sachverhalt schnell und vollständig aufzuklären".

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