Im Finale des historischen Prozesses gegen Donald Trump im Zusammenhang mit Schweigegeld für einen Pornostar haben Verteidigung und Anklage ihre abschließenden Argumente an die zwölf Geschworenen gerichtet. Der Wert verschleierter Zahlungen an Erotikdarstellerin Stormy Daniels und andere Personen, die vor der Wahl 2016 mit angeblichen Sexskandalen Trumps an die Öffentlichkeit gehen wollten, könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagte Staatsanwalt Joshua Steinglass bei seinem Schlussplädoyer in New York.
"Dieses Komplott, das diese Männer damals ausgeheckt haben, könnte durchaus dazu geführt haben, dass Präsident Trump gewählt wurde", sagte Steinglass übereinstimmenden Medienberichten zufolge. Er verwies dabei auf einen mutmaßlichen Plan von Trump, seinem damaligen Anwalt Michael Cohen und von David Pecker, dem Herausgeber eines Boulevard-Magazins, zum Unterdrücken unliebsamer Geschichten direkt vor der Präsidentenwahl 2016, um Trumps Chancen gegen Hillary Clinton zu wahren.
Vor dem Vortrag der Anklage hatte Trumps Verteidiger dessen Unschuld beteuert. Trump habe kein Verbrechen begangen und die Staatsanwaltschaft habe ihre Vorwürfe nicht belegen können, sagte Todd Blanche. Dem erneuten Präsidentschaftsbewerber droht bei einer Verurteilung eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, oder eine Geldstrafe. Trump hat auf nicht schuldig plädiert.
Blanche griff erneut die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen an: "Sie können Präsident Trump auf Grundlage der Aussagen von Michael Cohen nicht zweifelsfrei eines Verbrechens verurteilen." Der ehemalige persönliche Anwalt Trumps habe wie so oft zuvor auch bei seiner Zeugenaussage gelogen, beharrte Blanche. Es handelt sich um den ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen US-Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Vor Gericht in Downtown Manhattan geht es um mutmaßliche Dokumentenfälschung in 34 Fällen.
Drei Trump-Kinder unterstützen Vater im Gerichtssaal
Seit Mitte April wurden mehr als 20 Zeuginnen und Zeugen gehört. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Trump, dass er seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels habe verbessern wollen. Obwohl die - von keiner Seite bestrittene - Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrags an seinen damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verschleiern. Dies habe die Zahlungen zu illegaler Wahlkampf-Finanzierung gemacht.
Die Schlussplädoyers der Verteidigung und Anklage sind die letzte Möglichkeit in dem weltweit beachteten Prozess, die Meinung der zwölf Geschworenen zu beeinflussen. Die Jury wird sich danach zur Urteilsfindung zurückziehen. Dies wird für Dienstag oder Mittwoch erwartet. Normalerweise dauern diese Beratungen zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen. Richter Juan Merchan instruierte die Geschworenen: "Sie und Sie allein sind in diesem Fall die Richter der Tatsachen." Der Richter rügte Anwalt Blanche zum Ende seines Vortrags wegen dessen Forderung an die Jury, Trump nicht ins Gefängnis zu schicken. Die Geschworenen legen das Strafmaß nicht fest.
Trump erschien am Dienstag wie an jedem Sitzungstag in einem dunkelblauen Anzug. Er trug eine rote Krawatte und hatte teils handgeschriebene Notizen vor sich liegen, auf denen stand, dass der Prozess eingestellt werden müsse. Neben mehr als einem Dutzend Personen in Trumps Entourage waren auch drei seiner Kinder anwesend: Donald Trump Junior, Eric Trump und Tiffany Trump. Seine Ehefrau Melania blieb dem Prozess, in dem es um viele Details zur angeblichen Untreue Trumps ging, stets fern.
Sexuelle Details wie in einer Reality-Show
Tatsächlich war die Aussage von Pornostar Daniels ein Höhepunkt des Prozesses, auch weil sie peinlich genau erzählte, wie sie Sex mit Trump hatte. Den ehemaligen Präsidenten ließ das nicht besonders gut aussehen. Einen Prozess-Reporter veranlasste es dazu, das Verfahren mit einer Reality-Show zu vergleichen.
Staatsanwalt Steinglass und Verteidiger Blanche versuchten dabei am Dienstag, die Geschworenen mit unterschiedlichen Taktiken zu erreichen. Blanche versuchte an vielen Darstellungen der Anklage Zweifel zu säen, präsentierte den Geschworenen aber selten eine alternative Erklärung für die Ereignisse rund um das Schweigegeld. Steinglass dagegen rückte die Vorkommnisse in die Nähe einer Verschwörung, um den Ausgang der US-Präsidentenwahl illegal zu beeinflussen.
Vor allem Cohen hatte Trump bei seiner Aussage belastet: Dieser habe die Rückerstattung des - kurz vor seinem Wahlsieg bei der Präsidentenwahl 2016 gezahlten - Schweigegeldes als Anwaltshonorar an Cohen illegal verbucht. Bei einem harten Kreuzverhör durch Trump-Anwalt Blanche wurde zwar deutlich, wie oft der Kronzeuge in der Vergangenheit öffentlich gelogen hat, trotz der teils provokanten Fragen behielt der 57-Jährige aber die Contenance. Die Anklage bestritt nicht, dass Cohen eine langwährend Geschichte von Unwahrheiten hat, betonte am Dienstag jedoch auch, dass eine Reihe weiterer Zeugen und Dokumente dessen für den Fall zentrale Darstellung stützen.
Einstimmiges Urteil nötig
Das Urteil dürfte sich auch auf den gegenwärtigen Wahlkampf in den Vereinigten Staaten auswirken - die Frage ist bloß: wie stark und zu wessen Vorteil. Trump versucht die Anschuldigungen in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert.
Amtsinhaber Joe Biden scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren. Am Dienstag hielt das Wahlkampfteam des Präsidenten nun erstmals eine Kundgebung am Rande des Verfahrens ab. Vor dem Gericht ließ das Biden-Team unter anderem Schauspiellegende Robert De Niro sprechen, der Trump kriminelles Verhalten vorwarf.
Im Falle einer Verurteilung durch die Jury wird Richter Merchan das Strafmaß an einem gesonderten Termin festlegen. Sollten die Geschworenen sich auch nach längerer Beratung nicht einigen können, ist der Prozess geplatzt. In diesem Fall hätte die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Verfahren mit einer neuen Jury erneut aufzurollen.
Trump: Mal interessiert, stets grimmig
Der Prozess findet unter beispiellosem medialem Interesse und strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Downtown Manhattan statt. Trump war bei den Sitzungen stets anwesend und variierte die Farbe seiner Krawatte von Tag zu Tag. Für den kurzen Fototermin zu Beginn der Sitzung setzte er regelmäßig ein grimmiges Gesicht auf. Einige Zeugen-Befragungen schien Trump interessiert zu verfolgen, an anderen Tagen waren sich US-Medien sicher, dass er die Augen über längere Zeit geschlossen hielt, weil er eingedöst war.
Trump nutzte den Prozess und den Medienauflauf für den Wahlkampf und monologisierte vor Gerichtssaal 1530 häufig darüber, dass das Verfahren politisch motiviert sei. Dabei schaffte er es im Verlauf des Prozesses jedoch immer besser, sich an die Anweisung von Richter Merchan zu halten, sich nicht über Prozessbeteiligte zu äußern.
(Von Benno Schwinghammer, dpa)