Die mit Spannung erwartete konstituierende Sitzung des Landtags von Thüringen in der Landeshauptstadt Erfurt verläuft wenig überraschend turbulent und musste am Donnerstag (26. September) bereits mehrfach unterbrochen werden.
Der AfD-Abgeordnete Jürgen Treutler leitete die erste Sitzung als Alterspräsident, also ältestes Mitglied des Parlaments, gemäß der Landtagsordnung. Da der 73-Jährige eine andere Vorstellung vom Ablauf der Tagesordnung vertrat als die Politikerinnen und Politiker der anderen Fraktionen, kam es zum Eklat und hitzigen Diskussionen.
Bereits früh intervenierte Andreas Bühl, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, und forderte Treutler auf, die Beschlussfähigkeit des Landtags festzustellen. Dieser bestand jedoch darauf, seine Rede zu Ende bringen zu dürfen, welche für die üblichen Konventionen einer Eröffnungsrede ungewöhnlich scharf ausfiel.
Eklat im Thüringer Landtag: Wahl des Landtagspräsidenten stark verzögert
Trotz Unterbrechung und einer Absprache der parlamentarischen Geschäftsführer aller vertretenen Parteien, wurde neuerlich pausiert, da Treutler – von der AfD so gebilligt – die Vereinbarung offenbar nicht umsetzen wollte. Vor dem Pult diskutierten die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien lebhaft - es dauerte etwa eine Stunde bis die Sitzung fortgesetzt werden konnte.
Als der AfD-Politiker dann wieder zu seiner Rede statt zur Feststellung der Beschlussfähigkeit ansetzte, unterbrach Bühl ihn und warf ihm vor, sein Amt nicht überparteilich auszuüben. „Sie haben kein Recht, in ihrer zeremoniellen Funktion als Alterspräsident davon abzuweichen“, so der CDU-Abgeordnete. Daraufhin unterbrach der Alterspräsident die Sitzung für weitere 30 Minuten.
Thüringens Wahl zum Landtagspräsidenten: Fraktionen wollen Muhsal (AfD) verhindern
Wie bereits im Vorfeld erwartet worden war, kam es auch bei der Frage der Wahl des Landtagspräsidenten zu großen Meinungsverschiedenheiten zwischen der AfD auf der einen und den übrigen Parteien (CDU, SPD, Linke, BSW) auf der anderen Seite.
Die AfD pocht als stärkste Fraktion auf das alleinige Vorschlagsrecht für das Amt an der Landtagsspitze. Die anderen Fraktionen wollen die Geschäftsordnung ändern, so dass der Landtagspräsident ab dem ersten Wahlgang „aus der Mitte des Parlaments“ gewählt werden kann. Was die Kontrahenten Treutler laut dpa übelnehmen: dass er nicht über die von ihnen geforderte Anpassung abstimmen ließ.
Was die Fraktionen mit einer Änderung der Spielregeln verhindern wollen: dass die AfD ihre Kandidatin Wiebke Muhsal zur Präsidentin des Thüringer Landtags macht. Gibt es jedoch keine Entscheidung, kann auch das Amt des Ministerpräsidenten in Thüringen nicht vergeben werden. Dieses wird seit mehreren Jahren von Bodo Ramelow (Die Linke) bekleidet.
Jürgen Treutler (AfD) in Thüringen: „Wahlergebnis zur Kenntnis nehmen“
Noch in seiner Rede hatte Treutler betont, dass es eine parlamentarische Gepflogenheit sei, dass die stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten stelle. Seit der Wiedergründung Thüringens sei dies nie infrage gestellt worden und die Menschen würden erwarten, dass diese Gepflogenheiten geachtet werden.
Es folgte der Aufruf von Jürgen Treutler an die Parlamentarier, „das Wahlergebnis nüchtern und sachlich zur Kenntnis zu nehmen“ und „den Willen des Souveräns ernstzunehmen“. Allerdings könnte es auch zu einem Kompromiss kommen.
Mittlerweile scheinen die Fronten derart verhärtet, dass in dem Streit die CDU-Fraktion das Landesverfassungsgericht angerufen hat. Seine Fraktion greife damit nach einer chaotischen Landtagssitzung zum letzten Mittel, wird der parlamentarische Geschäftsführer Bühl von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zitiert.
Turbulente erste Sitzung des Thüringer Landtags: AfD und die „Brandmauer“
Da die AfD mit 32,8 Prozent der Wählerstimmen bei der Wahl vor rund vier Wochen erstmals stärkste Partei im Thüringer Landtag wurde, pocht sie darauf, das zweithöchste Staatsamt besetzen zu dürfen. Keine der anderen im Landtag vertretenen Fraktionen will jedoch koalieren oder einen Landtagspräsidenten aus den Reihen der Alternative für Deutschland wählen. Politisch ist hierbei die Rede von einer „Brandmauer“.
Landtagswahl in Thüringen: Schon vier Jahre zuvor gab es Probleme
Bereits 2020 war es zu einem Eklat im Thüringer Landtag gekommen. Damals verhalf die AfD dem FDP-Politiker Thomas Kemmerich ins Amt des Ministerpräsidenten. Bei der Wahl hatte die Partei überraschend für ihn statt den eigenen Kandidaten gestimmt. Nur rund vier Wochen später trat Kemmerich als Ministerpräsident wieder zurück und Vorgänger Bodo Ramelow (Die Linke) wurde erneut zum Thüringer Regierungschef gewählt.
Mittlerweile steht fest: Der oder die Landtagspräsident/in wird am Donnerstag nicht gewählt, die Entscheidung wurde auf Samstag vertagt. Das Landesverfassungsgericht soll nun entscheiden, welche Regeln bei der Wahl gelten. Die CDU will in Sondierungsgesprächen kommenden Woche offenbar eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie der SPD ausloten.
Die CDU ruft um Hilfe!? Insbesondere von den Grünen kam in Thüringen der Vorschlag die Geschäftsordnung im Vorfeld der Wahl anzupassen, da sie zu schwammig ist und damit nicht rechtsextremistenfest. Die CDU hat das letztlich abgelehnt. Naivität? Überheblichkeit? Die Demokraten müssen viel strategischer vorgehen. Sie haben einen Gegner, der zu allem bereit ist.
Tja, das ist für die CDU wirklich dumm gelaufen. Aus unverständlicher Parteitaktiererei hat man versäumt, rechtzeitig für Klarheit zu sorgen. Schade, denn es wäre wichtig, diese rechtsextremistischen Umtriebe zu stoppen und so ein Theater zu verhindern, wie es die AfD abgezogen hat. Das war eine Schmierenkomödie, die nicht ins Parlament gehört. Aber das wird erst der Anfang sein. Man wird die Geschäftsordnung des Landtags immer anzugreifen versuchen, um die etablierten Kräfte lächerlich zu machen, wenn man die Geschäftsordnung nicht rechtzeitig wasserdicht macht.
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