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Jean Ziegler feiert seinen 90. Geburtstag

Porträt

Provokateur und Selbstdarsteller: Soziologe Jean Ziegler wird 90

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    Jean Ziegler ist Soziologe, Politiker sowie Sachbuch- und Romanautor aus der Schweiz. Er feiert am 19. April seinen 90. Geburtstag.
    Jean Ziegler ist Soziologe, Politiker sowie Sachbuch- und Romanautor aus der Schweiz. Er feiert am 19. April seinen 90. Geburtstag. Foto: Herbert Neubauer, dpa

    Zum Abschied herrschte Che Guevara den erwartungsfrohen Jean Ziegler an: "Du bleibst hier in Europa. Im Hirn des kapitalistischen Monsters musst du kämpfen." Ziegler hatte davon geträumt, an der Seite des berühmten Revolutionärs den Kapitalismus in Lateinamerika und anderswo zu Fall zu bringen. Doch Che, der als Regierungsmitglied Kubas an einer UN-Konferenz teilgenommen hatte, blieb hart. Er stieg alleine in den Zug am Genfer Bahnhof und fuhr davon. Die Anekdote über den raubeinigen Umstürzler und den jungen Idealisten Iiegt inzwischen sechs Jahrzehnte zurück. Und die Geschichte gehört zu Zieglers Standardrepertoire, wenn er aus seinem turbulenten Leben berichtet. "An Che denke ich jeden Tag", sagt Ziegler im weichen Tonfall des Schweizers, er sitzt just in einem Café hinter besagtem Bahnhof in

    An diesem Freitag feiert der emeritierte Soziologieprofessor, Bestsellerautor, UN-Funktionär und Selbstdarsteller seinen 90. Geburtstag. Der stets höflich agierende Querulant mit schmuckem Wohnsitz in den Genfer Weinbergen gilt als einer der erfolgreichsten Kapitalismuskritiker weltweit - seine Bücher werden in Deutschland, den USA, Afrika und selbst in Korea verkauft. Zieglers Bilanz: "Ich glaube, dass ich einige Leute zum Nachdenken gebracht habe."

    Geboren in Thun wird Ziegler auf den Namen Hans getauft

    Geboren wird Ziegler als Sohn eines Richters und Armeeobersten am 19. April 1934 in Thun, Kanton Bern, und wird auf den Namen Hans getauft. Nach dem Abitur kehrt er dem bürgerlich-protestantischen Elternhaus den Rücken, geht nach Paris. Inspiriert von kommunistischen Zirkeln und Begegnungen mit Jean-Paul Sartre, zieht es ihn weiter. Der Suchende erlebt als UN-Mitarbeiter in 1960er-Jahren Elend und Krisen in Afrika. Er wechselt gleich mehrfach: von der Jurisprudenz zur Soziologie, vom Deutschen zum Französischen, von der gemäßigten Linken zum harten Sozialismus - und von Hans zu Jean.

    Seinen ersten großen Coup landete der frühere sozialdemokratische Abgeordnete 1976 mit dem Buch "Eine Schweiz, über jeden Verdacht erhaben". Ziegler zeichnete nach, wie Helvetiens Konzerne sich auf Kosten der Ärmsten im Globalen Süden bereicherten. Viele seiner Landsleute reagierten empört - nicht über die Firmen, sondern über Ziegler. Der Gescholtene legte 1990 nach. In "Die

    Jean Ziegler Thesen sind Attacken gegen den Westen - das bringt ihm Kritik ein

    Ziegler weiß: Je härter die Aussage, desto eher greifen die Medien zu. Jahrzehntelang tingelte er durch TV-Talkshows vor allem im deutschsprachigen Raum, glänzte als Selbstdarsteller und pries seine Bücher mit krassen Titeln wie „Wir lassen sie verhungern. Die Massenvernichtung in der Dritten Welt“. Zieglers zugespitzte Thesen und seine ständigen Attacken gegen den Westen, zumal gegen die USA, lösen auch Kopfschütteln aus. "Mit seinen Nachlässigkeiten macht Ziegler es seinen Gegnern fast schon zu einfach", lästert die Neue Zürcher Zeitung. Tatsächlich lesen sich viele der Bücher wie ein Fortsetzungsroman, in dem der selbstlose Ziegler den Raubtierkapitalisten und Imperialisten unentwegt Paroli bietet. Kopfschütteln löste Ziegler auch mit seiner Nähe zu Diktatoren aus, wie Libyens Muammar al-Gaddafi und Kubas Fidel Castro. "Ich stehe uneingeschränkt hinter dem kubanischen Modell", sagte Ziegler bis ins hohe Alter.

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