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Jean-Marie Le Pen: Tod des Front National Gründers und Holocaust-Leugners

Frankreich

Holocaust-Leugner und „Front National“-Gründer Jean-Marie Le Pen ist tot

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    Der rechtsnationale Politiker Jean-Marie Le Pen ist tot.
    Der rechtsnationale Politiker Jean-Marie Le Pen ist tot. Foto: Stephane De Sakutin, dpa/AFP (Archivbild)

    Seine Anhänger nannten ihn „den Hinkelstein“, in Anspielung an seine bretonischen Wurzeln, galt er doch als so massig, unformbar und beharrlich wie die Felsbrocken in der Bretagne. Für seine – zahlreichen – Kritiker war er „der Teufel der Republik“, der jahrzehntelang mit seinen rassistischen und antisemitischen Provokationen schockierte, mehrmals verurteilt wurde, unter anderem wegen Aufstachelung zum Rassenhass oder Gewaltanwendung, und der die extreme Rechte im Land dauerhaft etablierte. Am Dienstag ist Jean-Marie Le Pen im Alter von 96 Jahren gestorben, wie seine Familie mitteilte. Hinter ihm lag eine außergewöhnlich lange politische Karriere.

    Allerdings galt er seit längerer Zeit geschwächt und hatte sich seit Februar 2024 unter richterlicher Vormundschaft befunden. Zum Prozess wegen des Vorwurfs der Veruntreuung von EU-Geldern gegen etliche Politiker seiner Partei im vergangenen Herbst war er, obwohl einer der mutmaßlichen Hauptverantwortlichen, nicht zugegen. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen hatte er sich an seinem 90. Geburtstag mit der jüngsten seiner drei Töchter und Nachfolgerin an der Spitze der von ihm mitbegründeten Partei, Marine Le Pen, versöhnt. Sie erfuhr von seinem Tod direkt bei ihrer Rückkehr aus Mayotte im Indischen Ozean.

    Jean-Marie Le Pen: Gaskammern der Nazis „Detail der Geschichte“

    2015 ließ sie ihn vom Front National (FN) ausschließen und ihm die Ehrenpräsidentschaft aberkennen. Zu lange hatte er ihre Versuche, der Partei ein moderateres Image zu verpassen, gezielt gestört. Zum wiederholten Mal und obwohl ihm die Aussage bereits mehrere Verurteilungen eingebracht hatte, tat er die Gaskammern der Nazis im Zweiten Weltkrieg als bloßes „Detail der Geschichte“ ab. Um endgültig mit ihm und dem zur Belastung gewordenen Erbe zu brechen, benannte Marine Le Pen die Partei 2018 in „Rassemblement National“ („Nationale Sammelbewegung“) um: ein Affront, den er als „politischen Mord“ verurteilte. Tatsächlich leben aber sein Geist und seine Ideologie, die auf striktem Nationalismus sowie der Ablehnung von Ausländern, Einwanderern und Muslimen basiert, in der Nachfolgepartei weiter. Zu seiner Enkelin Marion Maréchal, die politisch radikaler auftritt als ihre Tante, hatte er einen besonderen Draht.

    Jean-Marie Le Pen wuchs in der Bretagne auf. Seinen Vater, einen Fischer, verlor er als Jugendlicher, als dieser während des Zweiten Weltkriegs mit seinem Boot auf eine Mine lief und starb. Rührte von diesem traumatischen Erlebnis sein später so ausgeprägter Hass auf alle Andersartigen? Bereits während seines Jura- und Politikstudiums in Paris stand Le Pen einer Studierendenvereinigung mit rechtsnationalem Gedankengut nahe. Im Anschluss trat er als Freiwilliger der französischen Fremdenlegion bei. Er begann eine Offizierslaufbahn und wurde im Indochina-Krieg, an der britisch-französisch-israelischen Militäraktion gegen Ägypten in der Suez-Krise und im Algerienkrieg eingesetzt. Dass er sich dort auch an Folterungen gegen Aktivisten der „Nationalen Befreiungsfront“ (FLN) beteiligte, gab er später unumwunden zu.

    An der Wahlurne hat Marine Jean-Marie Le Pen längst überflügelt

    Sein erstes Abgeordnetenmandat errang Le Pen 1956 im Großraum Paris auf der Liste der kleinbürgerlichen Protestbewegung um Pierre Poujade, mit dem er sich bald darauf überwarf. Zog er 1958 als Unabhängiger erneut in die Nationalversammlung ein, so schärfte er zunehmend seine rechtsextreme Position und gründete 1972 mit Gesinnungsgenossen – darunter ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS – den Front National, dessen Präsident er für die nächsten Jahrzehnte wurde. Finanziell ausgesorgt hatte Le Pen, seit ihm der reiche Unternehmer und FN-Sympathisant Hubert Lambert nach seinem Tod 1975 ein erhebliches Vermögen sowie eine schlossartige Villa im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud vermacht hatte. Hier lebte er bis zuletzt mit seiner zweiten Frau Jany. Von seiner ersten Frau und Mutter der drei Töchter, Pierrette Lalanne, ließ Le Pen sich 1987 nach einem öffentlich ausgetragenen Rosenkrieg scheiden. Diese hatte die ganze Familie für Le Pens Biografen verlassen. Als sie Unterhaltszahlungen von ihm einforderte, erklärte ihr Ex-Mann öffentlich, sie könne ja putzen gehen – woraufhin sie sich in äußerst knapper Putzfrauen-Kluft im US-Playboy ablichten ließ. Eine Demütigung auch für die Kinder.

    In seinen Memoiren räumte er ein, zuvor seien sie eher „Mann und Frau“ als fürsorgliche Eltern gewesen – die Töchter bekamen sie wenig zu sehen. Dafür berichten ehemalige Weggefährten von ausgelassenen Feiern und Le Pens Talent, andere mitzureißen. „Ich singe überall: unter der Dusche wie jedermann, in der Küche, natürlich wenn ich mit meinen Freunden schlemme, im Büro, auf den Sitzen der Nationalversammlung“, schrieb er von sich. Seit den 80er Jahren wuchs Le Pens politischer Einfluss, dessen Warnungen vor der „Überfremdung“ Frankreichs und Forderungen nach einem autoritären Staat zunehmend Anklang fanden. 1984 zog der EU-Gegner ins Europaparlament ein, wo er bis 2019 noch als Mitglied der ultranationalistischen „Allianz für Frieden und Freiheit“ saß. Zunehmend erzielte er Wahlerfolge mit dem Front National, der vom wachsenden Misstrauen gegen die etablierten Parteien profitierte: 1995 erhielt Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 15 Prozent der Stimmen, 2000 wurde er in den Regionalrat der südlichen Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur, einer traditionellen FN-Hochburg, gewählt. Als größter Triumph gilt sein überraschender Einzug in die Stichwahl der Präsidentschaftswahl 2002 gegen Jacques Chirac. In Massenprotesten drückten viele Franzosen auf der Straße ihr Entsetzen darüber aus – anders als 15 Jahre später, als Marine Le Pen ein noch deutlich besseres Ergebnis gelang als einst ihrem Vater. In der Wahlurne hat sie ihn längst überflügelt; möglich wurde dies aber nur, indem sie sich von ihm, dem allzu schamlosen Provokateur, absetzte. Der 29-jährige Parteichef Jordan Bardella würdigte ihn als Mann, „der Frankreich immer gedient hat“. Tatsächlich hat er seinen Vor-Vorgänger kaum gekannt – der Generationenwechsel war längst vollzogen.

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