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Japan: Japan leitet Fukushima-Kühlwasser ins Meer

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Japan leitet Fukushima-Kühlwasser ins Meer

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    Zwölf Jahre nach dem Atom-Super-GAU in Fukushima beginnt Japan mit der Ableitung von aufbereitetem und in hunderten Tanks gelagertem Kühlwasser ins Meer.
    Zwölf Jahre nach dem Atom-Super-GAU in Fukushima beginnt Japan mit der Ableitung von aufbereitetem und in hunderten Tanks gelagertem Kühlwasser ins Meer. Foto: Shohei Miyano/Kyodo News/AP, dpa

    Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit. Aber als dann Fakten geschaffen waren, verbreitete sich die Notiz dann doch wie ein Lauffeuer in Japan: „Regierung beschließt Datum zur Freigabe des behandelten Wassers“, titelte der öffentliche Rundfunksender NHK am Dienstagmorgen, kurz nachdem das Regierungskabinett getagt hatte. Die Nachrichtenagentur Kyodo schrieb: „Japan beginnt das kontroverse Ableiten radioaktiven Wassers aus Fukushima.“ Es war die Nachricht des Tages für viele Menschen. 

    Bewegend ist das Thema über die letzten Wochen, Monaten, sogar Jahre immer wieder gewesen. Schließlich treibt die Frage ganz Japan seit nunmehr gut einem Jahrzehnt um: Was tun mit dem verbrauchten Kühlwasser, das die Temperaturen in der Atomruine von Fukushima auf erträglichen Temperaturen hält, damit weiteres Unheil vermieden wird? Denn seit dem Reaktorgau vom März 2011 ist die Zahl der mit radioaktivem Kühlwasser gefüllten Tanks auf über 1000 angestiegen. Bald geht der Platz für sie aus.

    Atomenergiebehörde hat keine Einwände

    So wird nun eben ab Donnerstag damit begonnen, die Tanks Schritt für Schritt zu leeren und das Abwasser in den Pazifischen Ozean zu leiten. Im Juli hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) die Pläne der japanischen Regierung für gesundheitlich bedenkenlos erklärt. Am Dienstag hieß es in einem Statement der IAEA erneut: „Der Ansatz und die Aktivitäten für diese Ableitung sind im Einklang mit internationalen Sicherheitsstandards und hätten eine vernachlässigbare radiologische Auswirkung auf Menschen und Umwelt.“ 

    Hintergrund ist das vom japanischen Konzern Toshiba entwickelte Reinigungssystem ALPS (Advanced Liquid Processing System), das aus dem Kühlwasser diverse radioaktive Substanzen herausfiltern soll. Durch diese Technologie wird das Wasser tatsächlich um 62 verschiedene Radionuklide erleichtert. Tritium kann es allerdings nicht herausfiltern. Dies wiederum will die Regierung so weit verwässern lassen, dass Standards der Weltgesundheitsorganisation eingehalten werden. Bis das gelagerte Kühlwasser komplett abgelassen ist, dürften 30 Jahre vergehen. 

    „Die Regierung übernimmt die volle Verantwortung, auch wenn es Jahrzehnte dauert“, erklärte Premierminister Fumio Kishida am Dienstag, um eine besorgte Bevölkerung zu beruhigen. Doch nicht nur in anderen Pazifikstaaten ist der Beschluss, das Wasser ins Meer zu leiten, höchst umstritten. Auch in Japan selbst macht sich Kishida damit unbeliebt. 

    Fischereiverband übt scharfe Kritik am Vorhaben

    So erklärte Masanobu Sakamoto, Vorsitzender des nationalen Fischereiverbands JF Zengyoren: „Wir können die Haltung der Regierung, dass eine Ableitung in den Ozean die einzige Lösung ist, nicht gutheißen.“ Der Verband sorgt sich um den Ruf der Fischereibranche in Fukushima, die traditionell ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Region ist. Seit dem Atomdesaster haben die Nachbarstaaten Südkorea, China und bis vor Kurzem auch Taiwan Nahrungsmittelimporte aus Fukushima untersagt. Die EU und die USA haben einstige Beschränkungen wieder aufgehoben. 

    Der Widerstand gegen den Entschluss der Regierung geht aber weit über direkt betroffene Personen hinaus. Im August ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo, dass 82 Prozent der Japaner der Meinung sind, die Regierung habe ihr Vorhaben nicht ausreichend erklärt. Den Premierminister, der schon länger mit geringen Beliebtheitswerten zu kämpfen hat, könnte diese Angelegenheit letztlich den Job kosten, glaubt Hiroshi Shiratori, Politikprofessor an der Hosei Universität in Tokio. „Sicherheit durch Wissenschaft und Seelenfrieden sind unterschiedliche Dinge“, erklärte er gegenüber Kyodo

    In mehreren Präfekturen im Nordosten Japans finden in diesem Jahr noch Regionalwahlen statt. Der Popularität von Kishidas konservativer Liberaldemokratischer Partei, die die Gefahren durch das Atomdesaster wiederholt heruntergespielt hat, dürfte der jetzige Start des geplanten Abflusses kaum guttun. Erschwerend hinzu kommt, dass diejenigen, die die Sicherheit der Reinigungsanlage betonen, erst im Frühjahr wieder in Erklärungsnot gerieten. Vor der Atomkraftanlage waren 44 Fische gefangen worden, bei denen Zäsiumwerte gemessen wurden, die bis zu 180-mal so hoch lagen wie der japanische Grenzwert von 100 Becquerel pro Kilo.

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