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Italien: Muss Europa Giorgia Meloni wirklich fürchten?

Italien

Muss Europa Giorgia Meloni wirklich fürchten?

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    Giorgia Meloni geht als Favoritin in die Parlamentswahl in Italien am 25. September.
    Giorgia Meloni geht als Favoritin in die Parlamentswahl in Italien am 25. September. Foto: www.imago-images.de / IMAGO/Andrea Merola / IMAGO/Andrea Merola

    Giorgia Meloni könnte die erste Frau an der Spitze der italienischen Regierung sein. Doch es ist nicht der feministische Aspekt der Wahl am 25. September, der für Aufsehen sorgt. Es ist die Befürchtung, mit der 45 Jahre alten Römerin könnte der Faschismus durch die demokratische Vordertür in Italien an die Macht zurückkehren – 100 Jahre nach Benito Mussolinis Marsch auf Rom. Diese Sorge ist verständlich angesichts der katastrophalen Folgen, die der Faschismus im 20. Jahrhundert nach sich zog. Sie ist jedoch unbegründet.

    Schon Silvio Berlusconi hatte den Postfaschisten zur Macht verholfen

    Der italienische Neo- oder Postfaschismus wurde bereits vor 30 Jahren politisch wieder salonfähig, der angerichtete Schaden hält sich in Grenzen. Es war der Medienunternehmer Silvio Berlusconi, der in die Politik ging, sich mit den Erben des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) verbündete und mit deren Unterstützung Ministerpräsident wurde. 2001 bis 2006 beteiligte Berlusconi abermals die Postfaschisten an der Regierung. Die Aufregung im Ausland war groß. Die Regierung war allerdings die stabilste der Nachkriegszeit und blieb knapp vier Jahre im Amt – für italienische Verhältnisse eine halbe Ewigkeit.

    Auch die von Giorgia Meloni 2012 gegründete Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens), die bei der Wahl mit rund 25 Prozent der Stimmen rechnen kann, steht in der Tradition des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano, der 1946 von den besiegten Erben Mussolinis gegründet worden war. Die Flamme im Parteisymbol haben die Brüder Italiens übernommen, sie symbolisiert die Flamme auf dem Grab Mussolinis. Aus diesem Grund werden die Brüder Italiens als „postfaschistisch“ bezeichnet. Ein aufschlussreicher Hilfsausdruck, denn er markiert, dass die Partei faschistische Wurzeln, allen nostalgischen Träumereien ihrer Anhänger zum Trotz aber keine Wiederherstellung eines faschistischen Staates im Auge hat.

    Öffentlich bekennt sich Giorgia Meloni zur Demokratie

    Parteichefin Meloni hat sich mehrfach klar zur Demokratie bekannt und behauptet, die Rechte habe „den Faschismus seit Jahrzehnten der Geschichte überlassen“. Das Problem an dieser Haltung ist die Illusion, den Faschismus einfach in der Vergangenheit zu verorten und so zu tun, als spielten die damaligen Verbrechen keine Rolle mehr in der Gegenwart. Und doch: Zum Faschismus will Meloni nicht zurück. Sie verkörpert eine extreme, nationalistische Rechte wie Marine Le Pen in Frankreich, die AfD in Deutschland oder Vox in Spanien.

    Italien wird bis heute geprägt von seiner nicht aufgearbeiteten Geschichte. Nur ein Teil des Landes, der sich mit dem Partisanen-Widerstand ab 1943 identifiziert, feiert den 25. April als Tag der Befreiung vom Nazifaschismus. Der andere Teil, zu dem sich die Anhänger Melonis, aber auch der Lega Matteo Salvinis und Silvio Berlusconis hingezogen fühlen, will den Nationalfeiertag nicht begehen. Die damalige Spaltung des Landes in Faschisten und Antifaschisten hat sich über die Generationen hinweg fortgesetzt. Sie kann effektiv auch nur in einem tiefen Dialog der Generationen überwunden werden. Der ist allerdings nicht in Sicht.

    Beim rasanten Aufstieg Melonis spielen soziale Probleme, Wut und die enorme Volatilität des Wahlvolkes eine große Rolle. Die Brüder Italiens waren 2018 eine Minderheit mit vier Prozent der Stimmen. Ein Grund für ihren Aufstieg ist, dass Meloni die einzige Partei führt, die über Jahre hinweg in der Opposition geblieben ist, sämtliche Krisen-Regierungen attackieren konnte und als einzige politische Kraft (noch) nicht für die Missstände im Land verantwortlich gemacht werden kann. Ihr harter Stil, ihre (bislang nur rhetorische) Autorität und Klarheit überzeugen viele. Wählerinnen und Wähler in Italien wechseln die Parteien wie ihre Unterwäsche. Italien bietet dabei eine besonders vielfältige, variable und vom Populismus durchtränkte Parteienlandschaft.

    Seit dem Ende der letzten Regierung unter Berlusconi 2011 feierten erst die Sozialdemokraten unter Matteo Renzi, dann die Fünf-Sterne-Bewegung, schließlich die rechte Lega große Wahlerfolge. Pünktlich folgte wenig später stets der Absturz. Auf diese Dynamik muss sich angesichts von Inflation, Energiekrise und Krieg in der Ukraine auch Meloni gefasst machen.

    Was eine nationalistische Politik für Italien bedeuten würde

    Man sollte also angesichts der neofaschistischen Wurzeln der Brüder Italiens gelassen bleiben, sich aber eher Sorgen um die Folgen einer nationalistischen Politik machen. Zum einen hegen die Brüder Italiens den Plan, Italien in eine leichter steuerbare Präsidialrepublik nach französischem Modell umzuwandeln. Gefährlich ist zum anderen besonders das Vorhaben Melonis, Verfassungsänderungen durchzusetzen, um nationalen Bestimmungen Priorität vor europäischen einzuräumen. Zu welchen Problemen das führt, ist am Fall Polen zu sehen. Meloni hat angekündigt, als Regierungschefin mit der EU den italienischen Corona-Wiederaufbauplan neu verhandeln zu wollen, an den rund 200 Milliarden EU-Hilfen im Gegenzug für Reformen gekoppelt sind. Sie fordert mehr Geld für Energie-Infrastruktur auf Kosten der ökologischen Wende.

    Neuverhandlungen mit Brüssel haben einen hohen politischen und wirtschaftlichen Preis. Italien ist angesichts seiner immensen Staatsverschuldung auf die Milliarden angewiesen, doch die Zahlungen sind mit dem Erreichen konkreter Ziele verknüpft.

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