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Italien: Melonis Macht

Italien

Melonis Macht

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    Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni macht ein Selfie. Die rechte Politikerin gilt als eine der mächtigsten Frauen in der EU.
    Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni macht ein Selfie. Die rechte Politikerin gilt als eine der mächtigsten Frauen in der EU. Foto: Vlasov Sulaj/AP, dpa

    Italien gilt als politisches Labor. Hier erfanden die Ahnen Benito Mussolinis den Faschismus, den die deutschen Nationalsozialisten wenig später kopierten. In Italien koexistierten die Ideologien des Kalten Krieges, auf der einen Seite die vom Westen unterstützte Christdemokratie, daneben die aus Moskau finanzierte stärkste kommunistische Partei Europas. Den Linksterrorismus der Roten Brigaden ahmte die RAF in den 1970er-Jahren nach. Heute ist es der Vormarsch der neuen Rechten an die Macht, der Giorgia Meloni in Italien bereits vor zwei Jahren gelungen war und auf den sich nun Länder wie Frankreich und Deutschland einstellen müssen. Ein Blick auf das Italien Melonis könnte also ein Blick auf das Europa der Zukunft sein. 

    In Rom gibt es nun eine Debatte, die um die Frage kreist: Wie mächtig ist Giorgia Meloni? Manche, darunter zählt auch die 47 Jahre alte Ministerpräsidentin selbst, bezeichnen sie als die derzeit mächtigste Regierungschefin der EU. Meloni ging aus den EU-Wahlen vor zehn Tagen gestärkt hervor. Ihre Partei Fratelli d'Italia legte noch einmal um zwei Prozentpunkte im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2022 zu. Auch die kleineren Parteien ihrer Rechtskoalition verbuchten Zugewinne. Die italienischen Wählerinnen und Wähler bestätigten Meloni also in ihrer Regierungsarbeit. Andere europäische Führungskräfte, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz oder Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez, erlitten Wahlniederlagen. Ihre Tage scheinen gezählt. Nicht so Melonis. 

    Die Tage vieler europäischer Regierungschefs sind gezählt

    Von Donnerstag bis Sonntag richtete Italien den G7-Gipfel in einem Luxusressort im süditalienischen Apulien aus. Meloni trat auch bei diesem Anlass als starke Politikerin auf, umgeben von lauter politisch geschwächten Leadern. Neben Macron und Scholz kamen mit Kanadas Justin Trudeau, Großbritanniens Rishi Sunak, Japans Fumio Kishida und US-Präsident Joe Biden lauter Herren, deren Tage an der Macht gezählt sein könnten. Alle vier liegen in den Umfragen für bevorstehende Wahlen zurück. Meloni strahlte hingegen und landete einige politische und diplomatische Erfolge. 

    So setzte die Regierungschefin zum Unmut Kanadas und Frankreichs durch, dass in der G7-Abschlusserklärung ein klares Bekenntnis zum Recht auf Abtreibung getilgt wurde. Die G7-Staaten bekannten sich außerdem explizit zur Eindämmung der illegalen Immigration, dem wichtigsten innenpolitischen Thema für Meloni. Auch die Finanzierung der Ukraine mit 50 Milliarden Dollar, die unter anderem aus den Zinserträgen von eingefrorenen russischen Staatsgeldern finanziert werden sollen, ist ein politischer Erfolg, dessen sich Meloni rühmen kann und der sie weiter tief in der westlichen Allianz gegen Wladimir Putin verankert. 

    Schließlich gelang es Meloni, dass erstmals ein Papst dem Treffen der wichtigsten westlichen Industriestaaten beiwohnte. Franziskus hielt ein Referat über die Gefahren der künstlichen Intelligenz und dürfte sich über das fehlende Bekenntnis zur Abtreibung in der Schlusserklärung gefreut haben. 

    Sogar Melonis Regierung gehört zu den langlebigsten

    Ob der EU-Wahlerfolg sowie das gelungene Gipfeltreffen in Apulien die Römerin gleich zur mächtigsten Politikerin der EU machen, ist eine müßige Frage. Fest steht, dass der Einfluss der italienischen Regierung gewachsen ist. Das hat nicht zuletzt mit dem überraschenden Geschick Melonis bei der Führung ihrer Regierung zu tun. Ihren widerspenstigen Koalitionspartner Matteo Salvini von der nationalistischen Lega hält sie bisher in Schach. Mit 20 Monaten im Amt steht Meloni bereits jetzt einer der langlebigsten italienischen Regierungen der Nachkriegszeit vor. Derzeit sieht es so aus, als könne die Ministerpräsidentin ohne größere Probleme das Ende der Legislaturperiode im Jahr 2027 oder zumindest den Beginn des Wahlkampfes Ende 2026 erreichen. Die von ihr geplante umstrittene Verfassungsreform, die die Direktwahl des Ministerpräsidenten vorsieht, scheint politisch derzeit gar nicht notwendig. Auch im jetzigen System sind Kontinuität und Stabilität möglich, wenn politisch gewollt. Und wenn die in den vergangenen Jahren so wechselwilligen Wähler und Wählerinnen in Italien mitspielen. 

    Und doch steht Meloni mit ihrer postfaschistischen Partei für die extrem Rechte in Europa. Die italienische Ministerpräsidentin ist Vorsitzende der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die dieser Tage eine besondere Rolle bei der Machtverteilung in Brüssel und Straßburg spielen könnten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen könnte angesichts der vielen Abweichler im EU-Parlament auf die 24 Stimmen der Meloni-Parlamentarier angewiesen sein. Sozialdemokraten und Liberale wollen aber nicht mit der italienischen Rechten paktieren. So muss Meloni erst noch darauf warten, ihre politischen Trümpfe spielen zu können. Derzeit ist die italienische Ministerpräsidentin noch den Manövern zwischen Paris und Berlin ausgeliefert. Die Zeit aber spielt für sie.

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