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Istanbul: Machtkampf im Irak: Droht ein neuer Bürgerkrieg?

Istanbul

Machtkampf im Irak: Droht ein neuer Bürgerkrieg?

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    Ein Demonstrant mit einem Plakat Al-Sadr.
    Ein Demonstrant mit einem Plakat Al-Sadr. Foto: Ameer Al-Mohammedawi, dpa

    Es war das Jahr nach der US-Invasion im Irak und dem Sturz von Diktator Saddam Hussein – George W. Bush wähnte sich am Ziel: „Das irakische Volk hat sein Land zurück“, verkündete der damalige amerikanische Präsident im Juni 2004. Saddam war in Gefangenschaft, sein Regime und seine Armee hatten sich aufgelöst. Nun werde der Irak zu einem demokratischen Vorbild im Nahen Osten, glaubte die Bush-Regierung. Doch dieser Traum wurde zu einem Albtraum.

    Zuerst brach ein jahrelanger Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten aus, der hunderttausende Menschen das Leben kostete. Dann fiel die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Westen des Irak ein. Heute beherrscht die Gewalt zwischen rivalisierenden schiitischen Gruppen das Land: Truppen des Predigers Muktada al-Sadr kämpfen gegen Iran-treue Milizen. Die Folge sind militärische Eskalationen wie in den vergangenen Tagen und eine Lähmung der Politik. Trotz des Ölreichtums des Landes leben zehn von 40 Millionen Irakern in Armut. Die Infrastruktur ist marode, aber für Reparaturen ist kein Geld da. Die grassierende Korruption hat den Staat seit dem Sturz von Saddam nach Regierungsangaben mindestens 150 Milliarden Dollar gekostet.

    Ein neuer Bürgerkrieg im Irak ist wahrscheinlich

    Ein neuer Bürgerkrieg und eine Spaltung des Landes sind heute wahrscheinlicher als eine Lösung der Probleme. Weil Bush nur darauf aus war, Saddams Herrschaft zu zerstören, aber keinen Plan zum Wiederaufbau mitbrachte, entstand ein Machtvakuum, das von Milizen und dem mächtigen Nachbarn Iran gefüllt wurde.

    Die iranische Regierung strebt nicht nur deshalb nach Einfluss im Irak, weil sie ihre Macht in der Region ausbauen will. Auch die Geschichte spielt eine Rolle. Im Iran ist die Erinnerung an den irakischen Angriffskrieg von 1980 bis 1988 noch wach – damals starben rund eine halbe Million Iraner. Teheran will sicherstellen, dass vom Irak nie wieder eine Gefahr ausgeht. Auch ist die iranische Einmischung dem Irak manchmal eine willkommene Hilfe. Nach den Erfolgen des Islamischen Staates ab 2014 hatten iranische Offiziere und pro-iranische Milizen einen großen Anteil daran, dass die Extremisten wieder aus dem Land gedrängt werden konnten.

    Das nach Saddams Sturz errichtete System produziert Stillstand

    Heute gehören pro-iranische Kämpfer offiziell zu den staatlichen irakischen Streitkräften, doch ihre Loyalität gilt Teheran, nicht Bagdad: In den vergangenen Tagen lieferten sie sich Feuergefechte mit Sadrs Miliz, mehrere dutzend Menschen starben. Gleichzeitig bröckelt der staatliche Zusammenhalt. Die Kurden im Nordirak konnten vor fünf Jahren nur mit Waffengewalt davon abgehalten werden, sich abzuspalten. Der nördliche Nachbar Türkei schickt regelmäßig Truppen in den Irak, um die türkisch-kurdische PKK zu bekämpfen, die dort ihr Hauptquartier hat. Der IS bleibt gefährlich. Während Sadrs Kämpfer und pro-iranische Milizionäre in Bagdad aufeinander schossen, griff der IS im nordirakischen Mossul an.

    Vor drei Jahren hatten die Iraker die Nase voll: Hunderttausende gingen auf die Straße, um politische Reformen zu fordern, und setzten Neuwahlen 2021 durch. Sadrs Gruppe wurde stärkste politische Kraft, scheiterte aber mit der Regierungsbildung. Jetzt fordert er wieder Neuwahlen.

    Dass dies viel bringen würde, ist unwahrscheinlich. Das nach Saddams Sturz errichtete System, das auf Machtteilung zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden basiert, begünstigt Korruption und produziert Stillstand. Die inner-schiitischen Spannungen zwischen Sadr und dem Iran sind zum entscheidenden Faktor geworden. Pro-iranische Parteien verlieren zwar an Rückhalt, doch der Iran ist entschlossen, keine anti-iranische Regierung an die Macht kommen zu lassen – egal wie die Wahlen ausgehen. Sadr ist ebenso entschlossen, kein pro-iranisches Kabinett zuzulassen.

    Beide Seiten können zehntausende bewaffnete Männer mobilisieren. Die Gewalt in Bagdad könnte ein Vorbote künftiger Auseinandersetzungen gewesen sein.

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