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Hamas-Angriff in Israel: Hat das Militär die Hamas unterschätzt?

Israel

"Wie der Islamische Staat": Hat Israels Militär die Hamas unterschätzt?

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    Israelische Soldaten in der Ortschaft Ofakim an der Grenze zum Gazastreifen.
    Israelische Soldaten in der Ortschaft Ofakim an der Grenze zum Gazastreifen. Foto: Ilan Assayag, AP/dpa

    Hat Israel die Hamas unterschätzt? Arye Sharuz Shalicar wägt seine Worte vorsichtig ab. "Wenn und ganze Familien entführen." Der 46-jährige Shalicar, Sohn persischer Juden, in Berlin aufgewachsen und als junger Mann nach Israel ausgewandert, hat die Bilder der Opfer gesehen und schnell andere Bilder vor Augen: "Das erinnert stark an die Gräueltaten des Islamischen Staates in Syrien und im Irak." 

    Hamas, Islamischer Dschihad, Hisbollah: Ein Dreieck des Terrors

    Tel Aviv, zwei Tage nach dem Angriff der Terroristen. Shalicar sitzt in seinem Büro am Telefon und versucht im Gespräch mit unserer Redaktion das vermeintlich Unerklärliche zu erklären. Wie konnte das hochgerüstete Israel mit seiner modernen Armee und seinen legendären Geheimdiensten so schwer und so unerwartet getroffen werden? "Natürlich war uns bekannt, wem wir gegenüberstehen", sagt er. "Der Hamas, dem Islamischen Dschihad, der Hisbollah." Dieses Dreieck des Terrors dürfe man nicht unterschätzen. "Sein einziges Ziel ist die Vernichtung Israels." Im Moment allerdings ist das Land noch zu sehr damit beschäftigt, die letzten vom Gazastreifen aus eingedrungenen Terroristen zu stellen und die Grenze entlang des Küstenstreifens zu sichern, als dass es jetzt schon intensiv Ursachenforschung betreiben könnte. "Wie es zu diesem Angriff kommen konnte", sagt Shalicar, "muss natürlich untersucht werden. Dafür aber ist jetzt im Moment nicht die Zeit, noch sind wir mitten im Krieg." Er sei sich aber sicher, dass Israel aus den Ereignissen der vergangenen Tage sehr viel lernen werde. 

    Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Armee.
    Arye Sharuz Shalicar ist Sprecher der israelischen Armee. Foto: dpa

    Als ein Schwachpunkt hat sich offenbar der Grenzzaun erwiesen, den die Angreifer an mehr als 20 Stellen einfach mit der Kraft mehrerer Traktoren eingerissen haben. "Ein Grenzzaun ist keine Mauer", warnt Shalicar. "Ein Zaun ist verwundbar. Hätte dort eine Mauer gestanden, wären wir gar nicht erst in diese Situation geraten." Dass an der Grenze zu Gaza keine Mauer steht: dafür macht Israel die internationale Gemeinschaft verantwortlich, vor allem die Länder des Westens, für die eine Mauer etwas Teilendes ist, nichts Sicherndes. Wie einst in Berlin. Oder in Teilen des Westjordanlandes, wo eine ähnliche Mauer steht, für die Israel immer wieder scharf kritisiert wird. Den Preis für das Fehlen einer Mauer an der Grenze zu

    Angriff der Hamas: Israelische Armee zieht 300.000 Reservisten ein

    Überrumpelt wurden die israelischen Sicherheitskräfte auch an den wenigen Grenzübergängen zwischen Gaza und Israel wie dem in Erez, über den bis zum Samstag jeden Tag palästinensische Arbeiter zum Arbeiten nach Israel gekommen sind. "Diese Grenzübergänge wurden von den Killerkommandos der Hamas regelrecht gestürmt", sagt Shalicar. Sicher ist die Grenze zu Gaza auch drei Tage nach Beginn der Kämpfe noch nicht. Noch immer kommen Terroristen über sie nach Israel. Und die Löcher zu schließen, ahnt er, werde noch seine Zeit dauern. Im Moment hat der Kampf gegen die Angreifer, die sich in Israel noch versteckt oder verschanzt haben, Priorität. Und das offenbar mit Erfolg: Am Dienstag meldete die israelische Armee, sie habe die Kontrolle über die Dörfer und Kibbuzim, die direkt am Gazastreifen liegen, wiedererlangt. Was bleibt, ist das Entsetzen. "Die Ereignisse der vergangenen Tage haben in Israel eine tiefe Wunde gerissen", sagt Arye Sharuz Shalicar. "Diese Bilder bekommen wir nie wieder aus dem Kopf."

    Wie das israelische Militär weiter vorgehen wird, darf er nicht einmal in Umrissen skizzieren. Geheime Kommandosache. Nachdem die Armee mit der größten Mobilisierungsaktion in der Geschichte des Landes 300.000 Reservisten eingezogen hat, häufen sich allerdings die Spekulationen, dass sie möglicherweise eine Bodenoffensive im Gazastreifen plant und ihn nicht nur aus der Luft angreift. "Wenn in Gaza Unschuldige zu Opfern werden", sagt Shalicar dazu nur ganz allgemein, "dann fällt das in die Verantwortung der Hamas." Er wünschte, es würde keine unschuldigen Opfer geben. "Aber die Hamas verschanzt sich bewusst in Krankenhäusern, neben Kindergärten, in Schulen und Moscheen und benutzt Zivilisten so als menschliche Schutzschilde." Die mehr als 100 israelischen Geiseln, die die Terroristen nach Gaza entführt haben, dürften vermutlich unter ähnlichen Umständen gefangen gehalten werden. 

    Angeordnet hat Israel inzwischen die komplette Abriegelung des Gazastreifens. Verteidigungsminister Joav Galant sagt: "Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben." Das alles und noch viel mehr bezog Gaza bisher aus Israel. 

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