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Israel: Umstrittene Justizreform spaltet Israel: Wie geht es jetzt weiter?

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Umstrittene Justizreform spaltet Israel: Wie geht es jetzt weiter?

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    Die Proteste gegen die Justizreform in Israel ebben nicht ab.
    Die Proteste gegen die Justizreform in Israel ebben nicht ab. Foto: Ariel Schalit/AP, dpa

    Israel kommt nicht zur Ruhe. Ärzte streiken aus Protest gegen die Justizreform, Reservisten beabsichtigen, sich nicht mehr zum Militärdienst einziehen zu lassen – und auf den Straßen von Tel Aviv und Jerusalem demonstrieren Befürworter und Gegner des Vorhabens zu Zigtausenden. Was aber plant die Regierung konkret? Und ist die einzige Demokratie im Nahen Osten tatsächlich in Gefahr, wie die Kritiker von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu behaupten? 

    Die Ausgangslage: Im Mai hat Israel groß den 75. Jahrestag der Staatsgründung gefeiert. Eine Verfassung aber hat das Land bis heute nicht. Zwar haben verschiedene Regierungen eine Reihe von Gesetzen erlassen, die verfassungsähnlichen Charakter haben – der Einfluss des höchsten Gerichtes aber ist größer als in anderen Staaten. Ein System der checks and balances, das die Macht im Land fein austariert, gibt es in Israel nicht. Der Gerichtshof und die Generalstaatsanwältin sind praktisch die einzigen Kontrollinstanzen, da das Land weder eine zweite politische Kammer wie den Bundesrat in Deutschland noch den Senat in den USA hat und auch keine föderale Struktur mit Landesparlamenten und -regierungen. In Ermangelung einer Verfassung sind eine Reihe von Zuständigkeiten nicht klar geregelt und werden daher vom Obersten Gericht selbst ausgelegt. Netanjahus rechtsreligiöse Koalition wirft der Justiz vor, dabei vor allem linke Positionen zu vertreten und sich zu sehr in die Politik einzumischen. Gegenwärtig träfen Menschen Entscheidungen, die nie gewählt worden seien, sagt Justizminister Jariv Levin. Auch deshalb will die Regierung den Einfluss des

    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu.
    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Foto: Abir Sultan/epa, dpa

    Israel hat am Montag den ersten Teil der Justizreform beschlossen

    Die erste Entscheidung: Am Montag hat die Knesset, das israelische Parlament, den ersten Teil der Reform beschlossen. Danach kann das Gericht Entscheidungen der Regierung oder einzelner Minister nicht mehr als „unangemessen“ verwerfen. Mit diesem Argument hatte der Gerichtshof Anfang des Jahres noch die Entlassung von Innenminister Arie Derie erzwungen, der unter anderem wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Wenn solche Eingriffe nicht mehr möglich sind, fürchten Netanjahus Kritiker, ebne das der willkürlichen Besetzung von Spitzenposten und der Korruption den Weg. Auch die Vergabe von Zuschüssen oder das Erteilen von Lizenzen für Unternehmen seien nicht mehr kontrollierbar. Netanjahu dagegen spricht von einem „notwendigen demokratischen Schritt“, der es der Regierung wieder erlaube, stärker im Sinne der Bürger zu handeln. Die Erfüllung des Wählerwillens, sagt er, sei das Wesen der Demokratie und nicht ihr Ende. In Umfragen lehnt eine Mehrheit der Israelis die Justizreform jedoch ab.

    Die nächsten Schritte: Nach der Sommerpause will die Koalition die Besetzung des höchsten Gerichtes neu regeln. Bisher entscheidet eine Kommission aus Abgeordneten, Regierungsvertretern, Richtern und Anwälten in einem komplizierten Verfahren, wer

    Israel gilt zunehmend als gespaltenes Land

    Die Motive dahinter: Israel ist ein zunehmend gespaltenes Land, in dem die Interessen der einzelnen Bevölkerungsgruppen weit auseinander klaffen. Netanjahus Koalitionspartner haben teilweise sehr spezielle Interessen an einer Schwächung der Justiz: Die ultraorthodoxen Parteien wollen verhindern, dass der Gerichtshof Privilegien wie die Befreiung der Orthodoxen vom Militärdienst oder die Finanzierung von Religionsschulen für gesetzeswidrig erklärt. Die religiös-zionistischen Parteien wiederum wollen sicherstellen, dass das Gericht sie beim Siedlungsbau nicht ausbremst. Netanjahus Gegner auf der linken Seite des politischen Spektrums nehmen die Justizreform zum Anlass, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn neu zu thematisieren und ihm egoistische Motive zu unterstellen – nach dem Motto. Eine schwache Justiz bringt keinen Premier zu Fall. 

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