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Israel: Stürzt Netanjahu über die Korruptionsaffäre?

Israel

Stürzt Netanjahu über die Korruptionsaffäre?

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    Bisher ist am Ende fast immer alles gut ausgegangen. Doch nun steht der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor Gericht. Anlass für ihn und seine Mitstreiter, die Staatsanwaltschaft hart zu attackieren.
    Bisher ist am Ende fast immer alles gut ausgegangen. Doch nun steht der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor Gericht. Anlass für ihn und seine Mitstreiter, die Staatsanwaltschaft hart zu attackieren. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Der Satz steht und hat seine Berechtigung. Israel ist ein demokratischer Leuchtturm im Nahen Osten und darüber hinaus: Das wehrhafte Land ist der einzige Staat in der Region, der eine lange stolze Geschichte als Staat mit einem unabhängigen, funktionierenden Rechtssystem vorweisen kann. Umso schwerer wiegt, dass in den letzten Wochen und Monaten innerhalb des Landes, aber auch bei befreundeten Nationen, der Zweifel daran wächst, ob dieses Kompliment auch in Zukunft noch angemessen ist.

    Wenn der Sohn des Ministerpräsidenten, der auch als einer der wichtigsten Berater des Regierungschefs gilt, die Richter des höchsten Gerichtes Israels als „rechtsstaatliche Bande“ bezeichnet, die potenziell mit der „bösen globalistischen EU“ paktiert, muss man sich wohl Sorgen machen. Netanjahu selber schlug ähnliche Töne an: Er sei das Opfer einer Verschwörung. Ziel seiner Gegner – er nennt Medien und Staatsanwälte – sei es, den Volkswillen auszuschalten. „Ich stehe vor Ihnen mit geradem Rücken und erhobenem Haupt”, sagte der Regierungschef unmittelbar vor Prozessbeginn. Ein bisschen hat es den Anschein, als habe der nationalkonservative Politiker noch keine Strategie entwickelt, wie er mit dem Verfahren, das über mehrere Jahre laufen könnte, umgehen soll. Zunächst hatte er erklärt, dass er persönlich präsent sein werde, während seine Anwälte versucht hatten zu verhindern, dass er zum Auftakt vor Gericht erscheinen musste. Als das von den Richtern abgelehnt wurde, verlangte er, dass der Prozess live im Fernsehen übertragen wird.

    Für Netanjahu geht es um Betrug, Untreue und Bestechlichkeit 

    Was wird dem Politiker, der in seiner Heimat fast zärtlich „Bibi“ genannt wird, zur Last gelegt? Die Staatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vor. Mit Spannung wird insbesondere die Aussage von drei Kronzeugen erwartet – zumal es sich um frühere enge Mitarbeiter des Ministerpräsidenten handelt.

    Auf dem Tisch liegen eine ganze Reihe von Vorwürfen. Es geht beispielsweise um Vergünstigungen, die Netanjahu Bezeq, einem Unternehmen der Kommunikationsbranche, zugeschanzt haben soll. Die Generalstaatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass das zum Konzern gehörende Onlineportal Walla im Gegenzug positiv über Netanjahu berichtet haben soll. Die Frage wird sein, ob es der Staatsanwaltschaft tatsächlich gelingt, diese Anschuldigungen zu beweisen. Vom Prinzip her in dieselbe Richtung gehen die Verdächtigungen, dass Netanjahu gezielt den Kontakt zu dem Zeitungsverleger Arnon Moses gesucht haben soll, dessen Blätter immer wieder kritisch über die Regierung berichtet hatten. „Bibi“ soll Moses angeboten haben, dafür zu sorgen, dass die Auflage eines von einem US-Milliardär mitfinanzierten Konkurrenzblattes, das gratis auf dem Markt ist, gesenkt wird. Dafür wiederum soll der Regierungschef nicht nur verlangt haben, dass die Kritik an ihm zurückgefahren wird, sondern sogar punktuell negative Berichterstattung über politische Gegner angefordert haben.

    Befreundete Milliardäre sollen äußerst großzügig gewesen sein

    Profaner sind die anderen Anklagepunkte: Netanjahu wird beschuldigt, von befreundeten Milliardären hochwertige Präsente angenommen zu haben. Dabei geht es um teuren Schmuck, exquisite Zigarren und den in allen Medien gerne aufgeführten Champagner Rosé für die Familie. Alles in allem soll es dabei um Geschenke im Wert von fast 185.000 Euro gegangen sein.

    Der Regierungschef streitet alle Vorwürfe ab. Der Fall spaltet die Nation. Der Riss geht quer durch Familien. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit wird nach eigener Auskunft von rechtsgerichteten Aktivisten bedroht. Die für europäische Verhältnisse extrem respektlose Kritik an den Richtern aus dem Netanjahu-Lager – zum Teil garniert mit kruden Verschwörungstheorien – zeigt Wirkung.

    All dies fällt zusammen mit dem Ausnahmezustand im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie, der seit März gilt. Die Einheitsregierung mit dem früheren General Benny Gantz ist schließlich angetreten, den Kampf gegen das Virus voranzutreiben. Gantz allerdings hat immer wieder beteuert, dass er dafür sorgen werde, dass der Rechtsstaat intakt bleibt. Daran könnte er bald gemessen werden.

    Hält sich Netanjahu tatsächlich an die Rotationsvereinbarung?

    Schon jetzt spekulieren politische Beobachter, ob es tatsächlich zu der beabsichtigten und auch schriftlich fixierten Rotation nach anderthalb Jahren zwischen dem seit 14 Jahren regierenden Likud-Chef Netanjahu und Gantz, der die Reste des gespaltenen gemäßigten Bündnisses Blau-Weiß repräsentiert, kommt. Stabile Regierungsverhältnisse könnten angesichts der politischen Herausforderungen, die anstehen, noch wichtig werden. Schließlich hat Netanjahu angekündigt, dass er seine Pläne, palästinensische Gebiete zu annektieren, trotz weltweiter Proteste vorantreiben werde.

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