Die iranische Justiz hat einen zweiten Demonstranten hingerichtet. Madschidreza Rahnavard starb am Montag in der Stadt Maschhad am Galgen, wie Staatsmedien meldeten. Der junge Mann war erst am 19. November festgenommen worden, weil er zwei regimetreue Milizionäre erstochen haben soll. Rahnavard wurde öffentlich gehenkt – ein Zeichen dafür, dass das Regime mit den Hinrichtungen die Protestbewegung abschrecken will. Präsident Ebrahim Raisi hatte angekündigt, "mit Entschlossenheit" gegen die Demonstranten vorzugehen.
Das iranische Staatsfernsehen sendete Aufnahmen, die angeblich zeigten, wie ein Mann auf zwei andere Männer einstach. Der Täter soll Rahnavard gewesen sein. Vor Gericht soll er ausgesagt haben, er hasse die regierungstreue Basidsch-Miliz, weil diese Demonstranten verletzt und ermordet habe. Er wurde wegen "Krieges gegen Gott" verurteilt, ein Vorwurf, der von der Justiz benutzt wird, um Regimegegner abzuurteilen. Nach Einschätzung von Menschenrechtlern haben Angeklagte in solchen Prozessen keine Chance auf ein faires Verfahren.
Mit öffentlichen Hinrichtungen sollen im Iran Exempel statuiert werden
Zwischen Rahnavards Festnahme und seiner Hinrichtung lagen nur gut drei Wochen. Auch die öffentliche Hinrichtung in Maschhad spricht dafür, dass das Regime mit seinem Fall ein Exempel statuieren wollte. Nach Zählung des Journalisten Kian Sharifi, der den Iran für den Dokumentationsdienst der britischen BBC beobachtet, war es erst die zweite öffentliche Exekution im Iran in diesem Jahr; insgesamt liegt die Zahl der Hinrichtungen im Iran seit Januar bei 500. Maschhad ist die Heimatstadt von Revolutionsführer Ali Khamenei.
Am Donnerstag hatte die Justiz den 23-jährigen Mohsen Schekari wegen Teilnahme an einer Demonstration gegen die Regierung hingerichtet. Amin Riahi, der auf seiner Internetseite "Iran Prison Atlas" die Gefängnisse, Richter und Prozesse im Iran beobachtet, teilte unserer Zeitung unter Berufung auf interne Tonaufzeichnungen des Regimes mit, rund 80 Menschen seien wegen "Krieges gegen Gott" angeklagt und müssten mit der Todesstrafe rechnen. Schekaris Hinrichtung sei ein Signal des Regimes gewesen: Der Staat könne jederzeit Anklage wegen "Krieg gegen Gott" erheben und Angeklagte exekutieren. Ahmad Khatami, ein Geistlicher und bekannter Hardliner, begrüßte die Hinrichtung von Schekari und forderte die "härtesten Strafen" gegen Mitglieder der Protestbewegung. Präsident Raisi sagte, der Staat werde "mit Entschlossenheit" alle bestrafen, die Mitglieder der Sicherheitskräfte töteten. Schekari war zum Tode verurteilt worden, weil er angeblich einen Polizisten mit einem Messer verletzt hatte.
Anzeichen für ein Ende der Proteste im Iran gibt es derzeit nicht
Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass sich die Protestbewegung von den Drohungen des Regimes abschrecken lässt. Kurz nach Schekaris Hinrichtung gab es neue Berichte über Proteste. In der Hauptstadt Teheran versammelten sich Demonstranten in dem Stadtvierteil, in dem Schekari festgenommen worden war. Die Drohung des Regimes könne das Gegenteil von dem bewirken, was die Regierung erreichen wolle, sagte Riahi unserer Zeitung. "Videos von Mohsen Schekari und seiner trauernden Familie könnten die Iraner in ihrem Ziel bestärken, das Regime zu stürzen."
Raisis harter Kurs verstärkt zudem die internationale Isolierung des Iran. Die EU will die iranische Revolutionsgarde mit neuen Sanktionen bestrafen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, er habe den iranischen Außenminister Hossein Amirabdollahian in einem Telefonat aufgefordert, keine Demonstranten mehr hinzurichten und die Freiheitsrechte der Iraner zu respektieren. Amirabdollahian verbat sich erwartungsgemäß jede Einmischung von außen und warf besonders Deutschland vor, im Umgang mit dem Iran zu "Terrorismus, Gewalt und Hassreden" aufzurufen.