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Irak: Terroranschlag in Bagdad: Der IS meldet sich blutig zurück

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Terroranschlag in Bagdad: Der IS meldet sich blutig zurück

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    Sicherheitskräfte patroullieren an einem Ort eines tödlichen Anschlags im belebten Geschäftsviertel in der irakischen Hauptstadt.
    Sicherheitskräfte patroullieren an einem Ort eines tödlichen Anschlags im belebten Geschäftsviertel in der irakischen Hauptstadt. Foto: Hadi Mizban, dpa

    Hunderte weißer Kerzen stecken in dem sandigen Boden. In ihrer Mitte liegen ein paar irakische Fahnen, um die Lichter herum kauern junge Leute. Sie trauern um die 32 Toten in ihrem Wohnviertel Bab al-Sharqi, die durch einen Doppelanschlag auf den örtlichen Kleiderbasar ums Leben kamen. In der Nacht zu Freitag bekannte sich der „Islamische Staat“ zu dem mörderischen Attentat auf den Arbeiterbezirk in Bagdad, der am östlichen Ufer des Tigris liegt. Der Angriff habe den schiitischen Muslimen gegolten, verkündete die Terrormiliz auf ihrem Propaganda-Kanal bei Telegram, der auch die Namen der beiden Selbstmordbomber nannte.

    Nach Angaben von Augenzeugen täuschte der erste Täter plötzliche Bauchkrämpfe vor. Als Passanten ihm zur Hilfe kamen, sprengte er sich in die Luft. Kurz darauf riss sein Komplize weitere Menschen in den Tod. Mehr als hundert Besucher und Händler des Open-Air-Marktes wurden verletzt. Fotos vom Tatort zeigten ein Bild der Verwüstung – blutende Opfer, abgerissene Gliedmaßen und zerfetzte Kleidertische. Am Freitag zog Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi erste Konsequenzen und entließ den für die Geheimdienste zuständigen Vize-Innenminister, den Direktor der Anti-Terror-Aufklärung sowie den Chef der Bundespolizei.

    Das Pentagon zählte im Irak 900 Anschläge in neun Monaten

    „Sicherheit ist nicht nur ein Wort für die Medien, es ist eine Verantwortung“, erklärte der sichtlich verärgerte Regierungschef, der selbst zuvor vier Jahre lang Leiter des Geheimdienstes war. Dieses schwerste Attentat in Bagdad seit drei Jahren ist Indiz dafür, dass von der IS-Terrormiliz nach dem Untergang ihres Kalifates auch in den Städten wieder akute Gefahr ausgeht. In ländlichen Regionen gehören Überfälle auf Kontrollpunkte, gezielte Hinrichtungen, Kidnappings und Straßenbomben längst zum Alltag.

    Mit Mustafa al-Kasimi hat der Irak einen Regierungschef mit großer Geheimdiensterfahrung.
    Mit Mustafa al-Kasimi hat der Irak einen Regierungschef mit großer Geheimdiensterfahrung. Foto: Iraqi Parliament Media Office, dpa

    Das Pentagon bezifferte die Zahl der Attentate im Irak für die ersten neun Monate 2020 auf fast 900, andere Quellen gehen von einer doppelt so hohen Zahl aus. Nach Erkenntnissen des UN-Weltsicherheitsrates operieren in Irak und Syrien nach wie vor 10.000 Dschihadisten, deren Kämpfer sich ungehindert zwischen beiden Ländern bewegen. Ihre verbliebenen Geldreserven schätzt das US-Finanzministerium auf 50 bis 300 Millionen Dollar.

    Die Armee ist angewiesen auf Drohnen und Luftschläge

    In dünn besiedelten Gebieten gebe es mittlerweile hunderte, wenn nicht tausende Verstecke, alle ausgestattet mit Kommunikationstechnik, Sprit, Generatoren, Sprengstoffvorräten und Bombenwerkzeug, erläuterte Michael Knights vom „Washington Institute“. In der Regel sind die Terrorkommandos nicht größer als fünf bis 15 Mann. Der IS sei nach wie vor eine Bedrohung, räumte kürzlich Iraks Außenminister Fuad Hussein ein und erklärte, sein Land brauche die Unterstützung der Region und der internationalen Gemeinschaft.

    Auch wenn die irakischen Anti-Terror-Einheiten in der Vergangenheit immer wieder IS-Zellen ausschalten konnten, alleine werden sie mit der Terrorgruppe nicht fertig. Sie sind angewiesen auf die Aufklärung durch amerikanische Drohnen und Luftschläge gegen IS-Verstecke. Trotzdem halbierte Präsident Donald Trump in der Schlussphase seiner Amtszeit die im Irak stationierten Spezialkräfte von 5200 auf 2500 Mann. Damit schuf er ein Sicherheitsvakuum, das den Irak jetzt mitten in einer politischen und wirtschaftlichen Multikrise trifft.

    Durch die Corona-Pandemie fielen die Öleinnahmen ins Bodenlose, die Arbeitslosigkeit grassiert und die Regierung muss einen unpopulären Sparkurs durchsetzen. Die für Juni geplanten Parlamentswahlen wurden wegen der angespannten Lage bereits auf Oktober verschoben.

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