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Interview: Wirtschaftsweise Grimm lobt Paket der Koalition: „Das geht in die richtige Richtung“

Interview

Wirtschaftsweise Grimm lobt Paket der Koalition: „Das geht in die richtige Richtung“

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    Die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm warnt vor zusätzlichen Belastungen der Rentenkasse.
    Die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm warnt vor zusätzlichen Belastungen der Rentenkasse. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Frau Professor Grimm, die Koalition hat sich bei den Haushaltsberatungen auch auf ein Wachstumspaket geeinigt, um die Konjunktur anzukurbeln. Wie bewerten Sie das Paket?
    PROF. VERONIKA GRIMM: Im Einzelnen gibt es viele plausible Entscheidungen. Es ist gut, dass die Senkung der Stromsteuer verlängert wird. Deren Abschaffung fordern verschiedene Beratungsgremien seit Jahren. Schnellere Abschreibungsmöglichkeiten und eine bessere Forschungszulage – das geht in die richtige Richtung. Auch Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind gut investiertes Geld. Bei den Maßnahmen zur Erleichterung der Belastung durch das Lieferkettengesetz bleibt abzuwarten, ob das wirklich deutliche Entlastungen für die Unternehmen bringt. Das Ansinnen ist auf jeden Fall zu begrüßen

    Die Koalition will angesichts des Fachkräftemangels auch Rentenbeziehern, die freiwillig weitarbeiten, die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung direkt als Lohn ausbezahlen lassen, was dem Nettoeinkommen auch bei weniger Arbeitsstunden zugutekäme. Eine gute Idee?
    GRIMM: Man muss vorsichtig sein, wenn man arbeitende Rentner von Abgaben entlasten will. Kurzfristig erhöht das die Arbeitsanreize von Rentnern. Mittel- und langfristig kann das dazu führen, dass die Menschen noch früher in den Ruhestand eintreten. Das würde die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung vor noch größere Herausforderungen stellen. Es ist bedenklich, dass die Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin nicht im Fokus der Politik ist.

    Die Regierung will auch, dass mehr Langzeitarbeitslose in Jobs wechseln. So sollen beispielsweise bisherige Bürgergeldempfänger beim Wechsel in die Arbeit im ersten Jahr nun deutlich mehr von ihrem Verdienst behalten dürfen. Wie bewerten Sie die Maßnahmen?
    GRIMM: Man plant im Bürgergeld eine Verschärfung von Sanktionen und die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Wenn das verfängt, wäre es positiv. Die Arbeitskraft derjenigen, die leistungsfähig sind, wird dringend gebraucht. Es entlastet zusätzlich finanziell das Transfersystem, wenn mehr Menschen in Arbeit kommen. Die geringeren Transferentzugsraten können daher auch in der Summe für Entlastung sorgen, wenn dadurch mehr Menschen aus dem Transfersystem wieder in den Arbeitsmarkt finden. Die Entlastung des Haushalts durch die so entfallenden Transferleistungen kann die höheren Ausgaben durch den geringeren Transferentzug mehr als kompensieren. Das ergeben aktuelle Simulationsstudien. Sinnvoll ist auch, das Schonvermögen abzusenken. In der aktuellen Haushaltslage ist es schwer zu verkaufen, hier sehr großzügig zu sein. Die Lage dürfte ja auch in den kommenden Jahren nicht entspannen – denn ab 2028 beginnt die Tilgung der Coronaschulden, was die Spielräume reduziert.

    Asylbewerber sollen in Zukunft arbeiten können, wenn die Ausländerbehörde nicht ausdrücklich widerspricht. Eine gute Idee?
    GRIMM: Es ist sehr zu begrüßen, dass man es für Asylbewerber erleichtern will, eine Arbeit aufzunehmen. Generell sollte man es für Zugewanderte erleichtern, eine Arbeit aufzunehmen. Das senkt die Belastung des Haushalts und erhöht die Produktivität.

    Die Koalition erwartet von dem Konjunkturpaket ein zusätzliches Wachstum von mindestens 0,5 Prozent. Ist das realistisch?
    GRIMM: Ob in der Summe der erwünschte Wachstumseffekt resultiert, muss man abwarten. Wichtig ist zunächst einmal, dass wir einen Haushalt haben.

    Zur Person Prof. Veronika Grimm, 52, ist Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der Uni Erlangen-Nürnberg. Seit 2020 gehört sie zum Sachverständigenrat der Bundesregierung, den sogenannten Wirtschaftsweisen.

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