Wegen der steigenden Corona-Infektionsfälle erhalten gerade viele Nutzerinnen und Nutzer der Corona-Warn-App eine rote Meldung: "Sie hatten Kontakt mit einer infizierten Person." Was sollten Sie dann tun?
Anke Domscheit-Berg: Die rote Meldung ist ungefähr so, als würde einem jemand sagen: Der Arbeitskollege, mit dem du gestern im Meeting warst, ist jetzt positiv getestet. Man betrachtet sich dann als potenziell infiziert. Man reduziert alle Kontakte und hält sich besonders von Risikopersonen fern – also kein Besuch bei Oma. Man sollte sich natürlich auch testen. Allerdings sind viele PCR-Teststellen und Labore gerade überlastet.
Mit der roten Warnung hätte man doch eigentlich Anspruch auf einen PCR-Test?
Domscheit-Berg: Im Gesetz heißt es, „grundsätzlich“ besteht bei einer roten Warnung ein Anspruch auf einen PCR-Test. „Grundsätzlich“ heißt aber, dass Gesundheitsämter und Ärzte das letzte Wort haben. Und die müssen aktuell priorisieren, weil viele Labore überlastet sind und entscheiden oft, dass sie bei Geimpften ohne Symptome keinen PCR-Test machen. Bedauerlich ist, dass aber nicht mal der grundsätzliche Anspruch allen Gesundheitsämtern und Hausärzten bekannt ist. Da heißt es oft, die Meldung könne man ignorieren, solange man keine Symptome hat. Einheitliche Kommunikation ist aber extrem wichtig. Deshalb muss die Politik in Bund und Ländern dafür sorgen, dass die Information in allen Gesundheitsämtern und bei allen Ärzten ankommt und dass da nicht so getan wird, als gäbe es keinen Zusammenhang zwischen so einer Meldung und dem Zugang zu einem PCR-Test. Natürlich gibt es den. Wenn irgendwie möglich, sollte man dann einen PCR-Test bekommen, auch als geimpfte Person. Es sind ja auch nicht alle Labore überlastet. Wenn man wirklich keinen PCR-Test bekommt, sollte man wenigstens einen Schnelltest machen. Am besten jeden Tag in der Hauptinkubationszeit.
Wann ist die?
Domscheit-Berg: Zwischen dem vierten und siebten Tag nach der potenziellen Ansteckung – das ist auch die Zeit, in der der PCR-Test am meisten Sinn macht. Die Corona-Warn-App zeigt bei der Warnung an, an welchem Tag man den Kontakt hatte, von diesem Tag an muss man zählen. Wenn man die Warnung also erst einige Tage nach dem Kontakt erhält, sollte man sich sofort testen lassen. Man kann, gerade wenn man geimpft ist, auch eine unerkannte Infektion haben, ohne Symptome oder mit superleichten. Ansteckend kann man trotzdem sein.
Die Warnung kann ja über zwei Wege zustande kommen. Entweder durch direkten Kontakt mit einer Person, die später ihre Kontakte warnt. Oder weil ich mit der Warn-App an einem Ort eingecheckt war, gleichzeitig mit einer infizierten Person. Zum Einchecken sieht man aber oft nur den Code für die Luca-App.
Domscheit-Berg: Das ist inzwischen kein Problem mehr. Seit einiger Zeit kann man mit der Corona-Warn-App auch die Luca-Codes scannen. Die Codes müssen nur seit Juni einmal aktualisiert worden sein.
Eigentlich ist es ja aber so gedacht, dass die Gesundheitsämter durch das Einchecken erfahren, wer an dem Ort eines möglichen Ausbruchs war, und die Personen dann informiert. Die Corona-Warn-App funktioniert anonym, da bekommt das Gesundheitsamt gar keine Kontaktdaten. Es kann mich also nicht informieren.
Domscheit-Berg: Das kann es auch dann nicht, wenn Sie sich über die Luca-App anmelden. Das Nachverfolgen über Kontaktdatenlisten kann bei der aktuellen Infektionslage gar nicht mehr funktionieren und sie hat immer eine untergeordnete Rolle gespielt. Die meisten Gesundheitsämter haben nur sehr selten solche Kontaktlisten abgefragt. Ihre Bedeutung in der Pandemiebekämpfung wird in der Öffentlichkeit überschätzt. Gerade über die Luca-App bekommt man vor allem unendlich viele Daten, die gar keiner abarbeiten kann.
In Restaurants in Bayern ist aktuell gar keine Kontaktdatenerfassung vorgesehen, da gilt nur 2G. Wo Kontakte erhoben werden müssen, muss das aber mit Namen erfolgen, sagt das bayerische Gesundheitsministerium – die Corona-Warn-App ist dann nicht ausreichend.
Domscheit-Berg: Andere Länder passen ihre Verordnung hingegen so an, dass man die Corona-Warn-App prioritär nutzen soll. In Sachsen, Baden-Württemberg und Brandenburg steht die Corona-Warn-App explizit in den Verordnungen als hinreichend für die Kontaktnachverfolgung. Gerade in der jetzigen Phase der Pandemie geht es um Geschwindigkeit. Es muss so schnell wie möglich jeder Risiko-Kontakt informiert werden. Das kann kein Gesundheitsamt leisten und auch die Betroffenen können das nicht. Die Person, die einem in der S-Bahn gegenübersaß, kann man ja gar nicht informieren, weil man sie nicht kennt. Da ist die Corona-Warn-App extrem hilfreich. Ab dem Moment, in dem ich meine Infektion selber kenne und hochlade, sind spätestens sechs Stunden später – so lange kann es dauern, bis sich die App aktualisiert – alle Kontakte informiert.
Wenn die auch selbst die App nutzen.
Domscheit-Berg: Ja. Dadurch, dass beide Beteiligten die Corona-Warn-App haben müssen, steigt der Nutzen der App mit der Anzahl der Nutzer im Quadrat. Deswegen ist es wirklich wichtig, dass möglichst viele Menschen die App installieren. Das ist am Ende genauso ein Akt der Solidarität wie das Impfen. Die 39 Millionen Downloads sind viel, aber 50 Millionen wären noch viel effektiver. Wichtig ist außerdem, im entscheidenden Moment das positive Testergebnis auch wirklich zu teilen. Das geht völlig anonym an alle anderen Smartphones, die mit dem eigenen in Kontakt waren. Da steht nie irgendwo ein Name dabei.
Die Omikron-Variante könnte noch einmal für weitere Probleme sorgen. Wir wissen vieles nicht über diese Variante, aber es wird befürchtet, dass sie deutlich ansteckender sein könnte. Könnte man die Corona-Warn-App darauf neu einstellen?
Domscheit-Berg: Das ist bei der Delta-Variante schon gemacht worden. Das kann man aber natürlich nur auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnis machen, die es für Omikron noch nicht im ausreichenden Maße gibt. Aber aktuell ist die vorherrschende Variante in Deutschland noch Delta. Wenn das irgendwann Omikron ist, wird auch die Corona-Warn-App angepasst werden.
Zur Person: Linkenpolitikerin Anke Domscheit-Berg, 53, ist Mitglied im Digitalausschuss des Bundestags und netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.