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Interview: USA-Experte: "Donald Trump darf sich als Sieger fühlen"

Interview

USA-Experte: "Donald Trump darf sich als Sieger fühlen"

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    "Trump ist innerhalb seiner Partei als Kandidat für 2020 gesetzt", sagt Thomas Jäger.
    "Trump ist innerhalb seiner Partei als Kandidat für 2020 gesetzt", sagt Thomas Jäger. Foto: Pablo Martinez Monsivais, AP/dpa

    Herr Professor Jäger, der Ausgang der wichtigen Kongresswahlen in Amerika wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich: Im Parlament des Repräsentantenhauses haben die oppositionellen Demokraten zugelegt, im Senat dagegen die Republikaner von Präsident Donald Trump. Was bedeutet dieses Ergebnis für Trump?

    Thomas Jäger: Donald Trump darf sich als Sieger fühlen. Der Wahlausgang bedeutet, dass Trump seine Position in der republikanischen Partei und seine Ausgangsposition für die Präsidentschaftswahl 2020 deutlich gestärkt hat. Es wurde ja vorher vermutet, dass dies für Trump eine Denkzettelwahl werden könnte. Dazu ist es nicht gekommen. Die Republikaner haben zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, aber ihre Mehrheit im Senat verteidigt und sogar ausgebaut. Viele seiner Kandidaten, für die er stark Wahlkampf gemacht hat, konnte Trump durchbringen. Damit ist Trump innerhalb seiner Partei als Kandidat für 2020 gesetzt. Das wäre bei einem überwältigenden Erfolg der Demokraten ganz anders gewesen, wenn die sogenannte blaue Welle über die USA geschwappt wäre und Trumps Kandidaten krachend verloren hätten.

    Wie bedeutend ist der Erfolg für die Demokraten, dass sie im Repräsentantenhaus die Mehrheit erobern konnten? Sie können ja dort in Zukunft Trump das Leben schwermachen. Einerseits in der Gesetzgebung. Andererseits ist bereits die Rede davon, dass sie nun die Macht haben, Trumps unter Verschluss gehaltene Steuererklärungen zu prüfen…

    Jäger: Die Demokraten dürfen sich ein bisschen als Sieger fühlen. Das ist ein Erfolg, aber man darf ihn nicht zu großschreiben. Denn was wurde alles gesagt: Trump sei der Präsident mit den schlechtesten Umfragewerten und der Präsident, der am stärksten seine Gegner mobilisiert. Eigentlich wunderbare Voraussetzung ihn zu schlagen. Das ist nicht passiert. Aber richtig ist, die Demokraten haben nun große parlamentarische Macht. Das Repräsentantenhaus ist für die Gesetze und insbesondere für den Haushalt zuständig. Hier wird entschieden, welche Politik finanziert wird. Die Demokraten stellen künftig alle wichtigen Ausschussvorsitzenden. Und zum ersten Mal seit Trump im Amt ist, wird der Präsident einer parlamentarischen Kontrolle unterzogen. Die Demokraten werden die Ausschüsse als etwas nutzen, was wir als Untersuchungsausschüsse bezeichnen würden. Sie werden Trump piesacken.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Trump nun seinen Stil ändert, weil er nun Kompromisse machen muss?

    Jäger: Das ist jetzt die große Frage. Er hat sich in den ersten zwei Jahren auf einen Konfrontationskurs festgelegt und ist damit ganz gut gefahren. Die Republikaner werden versuchen, bei Abstimmungen einige konservative Demokraten zu sich herüberzuziehen, um das Ergebnis zu drehen. Denn eine Reihe von Demokraten kommt aus konservativen und ländlichen Gegenden und müssen eine andere Politik machen, als ihre Kollegen aus den großen Metropolen. Man muss sehen, ob Trump Kompromisse macht. Wir haben aber an seiner Nordkorea-Politik gesehen, dass er dazu fähig ist.

    Die Demokraten haben ihre Wahlziele insbesondere in Florida und Texas nicht erreicht und sogar wichtige Senatorenposten verloren. Warum konnten sie bei der Senatswahl weniger punkten?

    Jäger: Die Mehrheit im Senat zu brechen, war für die Demokraten ungleich schwieriger als im Repräsentantenhaus. Es standen neun Senatoren der Republikaner, aber 26 von den Demokraten zur Wahl. Das hat die Ausgangslage ungleich gemacht. Und Trump hat in den Staaten, in denen die Demokraten jetzt verloren haben, massiv Wahlkampf gemacht. Das ist ein Erfolg für Trump. Die Demokraten hatten kein Mittel, das sie ihm entgegensetzen konnten.

    Ist diese Wahl wieder ein Ausdruck einer tiefen Spaltung Amerikas? Es fällt auf, dass sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern gerade die moderateren Kandidaten, die eher eine Politik der Mitte vertreten, besonders große Probleme hatten.

    Jäger: Ja, diese Wahl ist ein Beleg dafür, auch deshalb, weil Trump genau das befördert hat. Er hat im Wahlkampf eine aggressive Tonlage gegenüber den Demokraten angeschlagen und sie als eine Partei des Mobs und der Kriminalität beschimpft, die Verbrecher ins Land holen will. Das hat die Gräben weiter vertieft.

    Wird dieser Stil Donald Trumps die politische Auseinandersetzung dauerhaft verändern?

    Jäger: Diese starke Polarisierung hat sich schon vorher angedeutet. Der Versuch, die Wählerschaft stark zu spalten, hat im Prinzip schon seit George W. Bush begonnen, und sich auch bei Barack Obama fortgesetzt, auch wenn das bei ihm uns Europäern weniger aufgefallen ist. Einerseits geht die scharfe Form der kulturellen Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen in den USA weit zurück bis in die sechziger Jahre. Durch den technischen Fortschritt in der Wahlkampfführung kann man aber nun viel genauer die eigenen Anhängergruppen adressieren und aus der Polarisierung mehr Kapital schlagen.

    Nach der Midterm-Wahl: Was ist jetzt möglich?

    Amtsenthebungsverfahren: Die US-Verfassung gibt beiden Kammern Rechte und Pflichten vor. Die Demokraten könnten mit einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus beispielsweise ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump einleiten. Aber der Senat müsste das Verfahren führen und dann auch entscheiden - mit einer Zweidrittelmehrheit. Derzeit ist eine solche Mehrheit nicht vorstellbar.

    Untersuchungen: Die Demokraten können im Abgeordnetenhaus auch zahlreiche Untersuchungen gegen Trump einleiten, Zeugen vorladen und Dokumente einfordern. Solche Untersuchungen könnten für Trump unangenehm werden, wenn es beispielsweise um seine Steuererklärungen, die Wahlkampffinanzierung bei der Präsidentenwahl von 2016 und die mögliche Einmischung Russlands in die Wahl geht...

    ... Wie sensibel des  Thema für das Weiße Haus zu sein scheint, lässt sich erahnen, nachdem Trumps Sprecherin Sarah Sanders den Demokraten bereits zu einem sehr  frühen Zeitpunkt in der Wahlnacht empfahl, sie sollten keine Zeit mit Ermittlungen verschwenden.

    Blockadepolitik: Eine demokratische Mehrheit kann auch die Gesetzgebung blockieren oder den Präsidenten Rechenschaft ablegen lassen. Aber: Dies würde voraussetzen, dass die Demokraten als geschlossener Block abstimmen - was nicht unbedingt der Fall sein muss. Ein Beispiel: Demokraten aus landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten können schlecht gegen Farm-Gesetze stimmen, die für ihre Klientel gut wären. Ähnlich gespalten sind Demokraten vor allem in ländlichen Gebieten, wenn es beispielsweise um eine Verschärfung der Waffengesetzgebung geht...

    ... Eine Blockadepolitik birgt auch Risiken. Weil der Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2020 praktisch direkt nach dieser Zwischenwahl beginnt, könnte Trump die Demokraten dafür verantwortlich machen, wenn nichts mehr vorwärts geht. Schließlich könnte Trump - wie sein Vorgänger Barack Obama - seine Pläne per Dekret am Kongress vorbei durchboxen. Allerdings kann sein Nachfolger diese einfach per Anordnung rückgängig machen - so wie es Trump mit Obamas Politik in Teilen gemacht hat.

    Zusammenarbeit: Ein geteilter Kongress kann für Republikaner wie Demokraten auch die Chance bieten, Dinge gemeinsam anzupacken, beispielsweise um die Kosten für Medikamente zu senken oder aber die Infrastruktur im Land auf Vordermann zu bringen.

    Inzwischen macht das Modell Trump international immer mehr Schule, wie man zuletzt in Brasilien oder auch am Aufschwung der Populisten in Europa gesehen hat. Was steckt hinter diesem Phänomen?

    Jäger: Da gibt es gemeinsame Ursachen. In all diesen Gesellschaften geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander und die wirtschaftliche Kluft wird größer. Dazu kommt eine kulturelle Auseinandersetzung zwischen denen, die den Globalisierungsprozess als Zugewinn an Lebenschancen begreifen und denjenigen, die die Globalisierung ängstigt.

    Für wie hoch halten Sie die Chancen, dass Donald Trump auch nach 2020 Präsident sein wird?

    Jäger: Seine Chancen sind durch dieses Ergebnis jedenfalls nicht schlechter geworden. Die Vereinigten Staaten sind in der ausgezeichneten wirtschaftlichen Verfassung. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Das sind eigentlich genau die Bedingungen unter denen US-Präsidenten gewöhnlich wiedergewählt werden. Trump hat sich nicht in kriegerische Maßnahmen verwickeln lassen und sich aus internationalen Konflikten militärisch weitgehend herausgehalten. Wenn das so bleibt, sind die Aussichten Trumps trotz seinen Zustimmungsraten von nur knapp über 40 Prozent gut. Aber es gibt auch viele Unsicherheiten. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung der USA unter den von Trump befeuerten Handelskonflikten stark leiden würde, könnte das alles auf den Kopf stellen.

    Zur Person: Der USA-Experte Thomas Jäger, 58, lehrt als Professor für Außenpolitik und Internationale Politik an der Universität Köln. Bereits im Juli 2016 hatte er im Interview unserer Redaktion erklärt, warum Trumps Strategie in den wichtigen Swing States für einen Wahlsieg sorgen konnte.

    Mehr zur US-Wahl 2018:

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