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Interview: Stephan Thomae: "Ohne Einwanderung kein Ausweg aus der Sackgasse"

Interview

Stephan Thomae: "Ohne Einwanderung kein Ausweg aus der Sackgasse"

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    Stephan Thomae betont, dass die deutsche Wirtschaft dringend auf Zuwanderung angewiesen ist, um zukunftsfähig zu bleiben.
    Stephan Thomae betont, dass die deutsche Wirtschaft dringend auf Zuwanderung angewiesen ist, um zukunftsfähig zu bleiben. Foto: Ralf Lienert

    Deutsche Unternehmen klagen, dass sie bis zu zwei Millionen offene Stellen nicht besetzen können. Welche Folgen hat das und was will die Bundesregierung dagegen tun?

    Stephan Thomae: Der Arbeitskräftemangel gefährdet Wirtschaft und soziale Sicherheit in unserem Land. In den Unternehmen fehlen Arbeitskräfte, private Haushalte müssen lange auf Handwerkertermine warten, den Gaststätten und Geschäften geht das Service- und Verkaufspersonal aus. Die Renten sind nur dann sicher, wenn es auch in Zukunft genug Beitragszahler gibt, vor allem, wenn die geburtenstarken Jahrgänge jetzt in Rente gehen. Ohne Einwanderung aus anderen Ländern gäbe es wohl keinen Ausweg aus dieser Sackgasse. Daher müssen wir Deutschland zum attraktivsten Einwanderungsland Europas machen. Dazu braucht es in erster Linie ein modernes Einwanderungsrecht, das Einwanderung erleichtert, statt es den Menschen mit zusätzlichen bürokratischen Hürden schwer zu machen. Menschen mit tollen Ideen, mit dem Willen, etwas erreichen zu wollen, sollten wir mit offenen Armen empfangen und damit auch auf sympathieweckende Weise werben. 

    In Deutschland sind aktuell 2,4 Millionen Menschen arbeitslos, darunter viele, die zugewandert sind. Zwei Drittel der seit 2015 gekommenen Syrer leben laut Bundesanstalt für Arbeit etwa von Sozialleistungen. Woran scheitert bei so vielen Zuwanderern die Integration in den Arbeitsmarkt?

    Thomae: Hier hakt es noch an einigen Punkten, etwa bei Sprache, Bürokratie oder bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Ein Erfolg ist es, dass die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr den sogenannten Chancen-Aufenthalt eingeführt hat, der es langjährig Geduldeten ermöglicht, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Statt im Sozialsystem hängenzubleiben, geben wir diesen Menschen die Chance, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und etwas zu unserer Gesellschaft beizutragen. 

    Um die gut ausgebildeten Spitzenkräfte buhlen weltweit viele Länder. Ist Deutschland mit seinen hohen Abgaben und der Wohnungsnot überhaupt noch attraktiv genug für diese Kräfte?

    Thomae: Es gibt viele gute Gründe, nach Deutschland zu kommen. Wir sind der Wirtschaftsmotor Europas, es gibt bei uns gute Bildungs- und Weiterbildungschancen, einen starken Rechtsstaat. Dennoch gibt es immer noch zu viele Hemmnisse. Deutschland ist ein Hochsteuerland, zudem schreckt der bürokratische Aufwand viele Arbeitskräfte aus dem Ausland ab. Die Koalition hat schon wichtige Maßnahmen angestoßen, um dem entgegenzuwirken. Zum Beispiel haben wir für einen Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer gesorgt. Zudem hat Bundesaußenministerin Baerbock eine radikale Reform des Visumverfahrens angekündigt, damit ausländische Arbeitskräfte schnell an ein Visum kommen.

    Was will die Ampel-Koalition am Einwanderungsrecht verändern?

    Thomae: Wir müssen jetzt zügig ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem angehen. Das würde eine echte Trendwende bedeuten, um ausländische Arbeitskräfte gezielt an den deutschen Arbeitsmarkt zu bringen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Großen Koalition aus dem Jahr 2019 war dazu bei Weitem nicht ausreichend. Daneben setzen wir auch ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht um. Wir wollen Menschen, die bei uns leben, sich sprachlich, wirtschaftlich und kulturell gut integriert haben und einen echten Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten wollen, schneller die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglichen. Denn erfolgreiche Integration sollte belohnt werden. Das könnte auch dazu beitragen, dass Deutschland für ausländische Arbeitskräfte an Attraktivität gewinnt.

    Teile der Union warnen vor dem sogenannten Doppelpass, sehen ihn eher als Integrationshindernis. Zu Recht?

    Thomae: Eine Mehrstaatigkeit wollen wir dabei grundsätzlich ermöglichen. Denn vor allem für die erste und zweite Einwanderergeneration, die noch eine sehr starke Bindung an das Herkunftsland hat, kann es emotionale oder auch rechtliche Gründe geben, die Verbindung zur Heimat nicht direkt vollständig zu kappen. Der FDP ist dabei jedoch wichtig, dass sich Mehrstaatigkeit nicht unbegrenzt weitervererbt. In der Enkelgeneration sollten sich die Menschen für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Denn auch deutsche Auswanderer müssen ihren Herkunftspass in der Regel aufgeben, wenn sie im Ausland eine neue Staatsangehörigkeit annehmen.

    In CDU und CSU gibt es Kritik am Plan, Zuwanderern schneller die Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, demnach werde der deutsche Pass gewissermaßen "verramscht"...

    Thomae: Von Verramschen kann hier keine Rede sein. Niemand bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit einfach so geschenkt. Es gelten nach wie vor hohe Integrationsanforderungen, die erfüllt werden müssen, wie Straffreiheit, Sprachkenntnisse und die selbstständige Versorgung für sich und die eigene Familie. Anders als für die Union ist für uns nicht wichtig, woher jemand kommt, sondern wohin jemand will. Mit einem modernen Einwanderungsrecht und einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht tragen wir unserer festen Überzeugung Rechnung, dass jeder, der sich anstrengt und einen Beitrag leisten möchte, diese Chance auch bekommen sollte. 

    Zur Person: Stephan Thomae , 54, stamm aus dem Oberallgäu. Der Rechtsanwalt ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag.

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