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Interview: SPD-Chefin Esken: „Scholz hat das Heft des Handelns in die Hand genommen“

Interview

SPD-Chefin Esken: „Scholz hat das Heft des Handelns in die Hand genommen“

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    SPD-Chefin Saskia Esken: „Der Kanzler entspricht damit auch dem klaren Wunsch der Bevölkerung.“
    SPD-Chefin Saskia Esken: „Der Kanzler entspricht damit auch dem klaren Wunsch der Bevölkerung.“ Foto: Michael Kappeler, dpa

    Frau Esken, an diesem Montag stellt Kanzler Scholz die Vertrauensfrage und wird sie aller Voraussicht nach verlieren. Ist das nicht ein schlechtes Signal für den Start in den Wahlkampf der SPD?
    Saskia Esken: Die vorzeitige Auflösung des Bundestags und vorgezogene Wahlen sind für uns zwar keine alltäglichen Ereignisse, aber normale demokratische Vorgänge, für die das Grundgesetz den Weg vorgibt. Olaf Scholz hat mit der Vertrauensfrage das Heft des Handelns in die Hand genommen und gibt dem Bundestag damit den Weg für vorgezogene Wahlen frei. Der Kanzler entspricht damit auch dem klaren Wunsch der Bevölkerung, nachdem die FDP aus reinen Parteiinteressen und auf verantwortungslose Art und Weise auf den Bruch der Koalition hingearbeitet hatte. Wir erleben eine Zeit, in der wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, die jedoch von der Opposition blockiert werden. Das Land kann unter diesen Bedingungen nicht über viele Monate von einer Minderheitsregierung geführt werden.

    Besteht nun die Chance, dass der Bundestag neben Kindergeld und Steuertarifanpassung weitere Projekte vor der Wahl beschließt?
    Esken: Mit der Klärung der Vertrauensfrage im Bundestag besteht die Hoffnung, dass wir bei dringenden Themen eine Zusammenarbeit zwischen den demokratischen Parteien erreichen können. Es ist ein starkes Zeichen, dass wir uns jetzt auf wichtige Steuerentlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Erhöhung des Kindergeldes einigen konnten. Diese Projekte betreffen Millionen Menschen und wir schaffen Planungssicherheit für Familien. Allein die Auswirkung der kalten Progression im Steuertarif macht auf dem Lohnzettel und im Geldbeutel von Familien 80 bis 100 Euro pro Monat aus. Bei der Frage der Entlastung bei den Strompreisen hängen wir leider noch in der Luft. Da müssten sich Friedrich Merz und seine CDU bewegen.

    Die Union kündigt eine Entlastung hier im Entwurf für das Wahlprogramm an. Sehen Sie Chancen, hier noch vor der Wahl einen Kompromiss zu finden?
    Esken: Der Bundeskanzler hat den Vorschlag der Deckelung der Netzentgelte auf drei Cent mit Branchenvertretern und Gewerkschaften der betroffenen Industriebereiche vereinbart. Wirtschaft und Verbraucher sind auf diese Stabilisierung der Strompreise dringend angewiesen. Angesichts der schwierigen Lage in der Industrie wäre es unverantwortlich, das Thema jetzt auf die Lange Bank zu schieben.

    Kommt das Paket für den Schutz des Verfassungsgerichts gegen Blockaden populistischer Parteien noch sicher vor der Wahl?
    Esken: Beim Schutz des Verfassungsgerichts hören wir aus der Opposition positive Signale. Es wäre wichtig, in diesen stürmischen Zeiten für unsere Demokratie das Bundesverfassungsgericht wetterfest zu machen.

    Die SPD will nach den Neuwahlen die Regierung erneut anführen. Was würde für die Menschen damit besser werden als heute?
    Esken: Die SPD steht für eine bessere Zukunft, weil wir sie gemeinsam mit den Menschen und für die Menschen gestalten. So werden wir mit einer aktiven Wirtschaftspolitik nicht nur für Arbeitsplatzsicherheit sorgen, sondern dafür, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft nach vorne entwickeln. Dafür müssen in Deutschland Innovationen und Investitionen wieder eine stärkere Rolle spielen. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Wir wollen keine Steuersenkungen mit der Gießkanne, sondern gezielte Anreize für Unternehmen, die in Deutschland in Arbeitsplätze investieren. Wir wollen die Unternehmen bei den Energiekosten und der Bürokratie entlasten. Es geht darum, dass wir in der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft wieder Mut und Zuversicht erzeugen. Das ist nur ein Beispiel der Themen, um Deutschland voranzubringen.

    Beim klassisch sozialdemokratischen Thema Wohnen, haben Sie große Versprechen gemacht, für 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu sorgen. Stattdessen gehen, die Zahlen gehen weiter sogar nach unten ....
    Esken: Wir haben massiv in den sozialen Wohnungsbau investiert. Aber durch Corona und dann auch durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sind die Baukosten durch die Decke gegangen – sowohl bei den Materialkosten als auch bei den Zinsen. Viele Bauvorhaben sind genehmigt, aber liegen auf Eis, weil Unsicherheiten über Kosten und Förderungen bestehen. Hier braucht es Sicherheit, stabile Fördermittel und eine Vereinfachung der Bauvorgaben. Angesichts der extremen Mietsteigerungen müssen wir Mieter schützen und deshalb dringend die Mietpreisbremse verlängern. Es wäre gegenüber den Mietern verantwortungslos, wenn Union und FDP dem Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Volker Wissing jetzt nicht zustimmen.

    Ein breites Bündnis für bezahlbares Wohnen fordert ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den Wohnungsbau. Findet das die Unterstützung der SPD?
    Esken: Investitionen in dieser Größenordnung in den Wohnungsbau sind notwendig. Die aktuelle Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern über 45 Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Und wir werden da noch mehr machen. Das müssen wir auch. Heute schon haben wir einen massiven Mangel an bezahlbarem Wohnraum, den wir dringend beheben müssen. Wenn wir jedes Jahr 280.000 neue Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen wollen, wie Studien uns empfehlen, brauchen wir auch für sie zusätzliche Wohnungen.

    Wird die SPD eine Reform der Schuldenbremse zur Koalitionsbedingung machen?
    Esken: Wir haben einen Investitionsstau bei der Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, bei Schienen, Brücken, Straßen, aber auch in den Schulen und Kitas. Hier muss der Staat dringend mehr Geld in die Hand nehmen und in unsere Zukunft investieren. Doch in der nun gescheiterten Koalition hatten Christian Lindner und seine FDP aus der Schuldenbremse ja ein ideologisches Heiligtum gemacht, das sonst kaum noch jemand teilt. Bislang ziert sich Friedrich Merz noch, doch auch seine Ministerpräsidenten sind längst weiter. Die Schuldenbremse darf nicht weiter eine Zukunftsbremse sein, das ist ein zentrales Thema für uns.

    Was wollen Sie konkret bei der Schuldenbremse ändern?
    Esken: Die Schuldenbremse sollte künftig zwischen laufenden Ausgaben und Investitionen unterscheiden. Die viel zitierte schwäbische Hausfrau ist klug genug, ihren Kühlschrank nicht mit Kreditmitteln zu füllen. Aber wenn es zum Dach reinregnet und das ganze Haus kaputtzugehen droht, dann geht auch die schwäbische Hausfrau zur Bank und holt sich einen Kredit. Weil das besser für den Erhalt ihres Hauses und damit für die Zukunft ist.

    Die Inflation trifft sehr viele Menschen bis weit in die Mittelschicht hart. Bei den US-Wahlen hat dies zu einem politischen Erdbeben geführt. Was plant die SPD?
    Esken: Ganz klar müssen wir die Preise in Griff bekommen, das ist ein ganz wichtiges Thema. Die Inflation trifft nicht nur die unteren Einkommensschichten, sondern auch die breite Mitte sehr hart. Besonders Mieten, Energiekosten und Lebensmittelpreise belasten die Haushalte. Durch die Deckelung der Netzentgelte wollen wir die Energiekosten auch für Privathaushalte weiter senken. Doch gerade die Lebensmittel sind ein Problem: Trotz gesunkener Energiekosten gehen viele Preise nicht runter. Viele Lebensmittelkonzerne spielen hier Marktmacht aus und verlangen weiter hohe Preise. Da müssen und werden wir eingreifen. Zum einen muss das Kartellamt als Wettbewerbsaufsicht auf den Lebensmittelmarkt ein strenges Auge werfen. Außerdem wollen wir die Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln von sieben auf fünf Prozent absenken, um die Menschen direkt zu entlasten.

    Als CSU-Chef Markus Söder eine Senkung der Lebensmittel-Mehrwertsteuer gefordert hatte, wurde ihm Populismus vorgeworfen. Wie realistisch ist Ihr Vorschlag?
    Esken: Unser Ansatz ist durchdacht und finanzierbar, wie der Bundeskanzler zuletzt klargestellt hat. Entscheidend ist, dass diese Entlastung wirklich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt und nicht in den Kassen der Konzerne verschwindet. Dafür braucht es klare Mechanismen und starke Behörden, die die Umsetzung überwachen.

    Was ist für Sie das wichtigste Thema für die nächste Regierung?
    Esken: Eines der wichtigsten Themen für mich ist eine zeitgemäße, gerechte und verlässliche Bildung und Betreuung für unsere Kinder. Derzeit nehmen wir hin, dass ein Viertel aller Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. Wir nehmen hin, dass jedes Jahr 50.000 junge Menschen unsere Schulen ohne Abschluss verlassen. Das sollte uns wirklich alarmieren Zeichen – nicht nur für die betroffenen Kinder, sondern auch für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Wir müssen sicherstellen, dass kein Kind mit seinem Potenzial verloren geht. Bildungsgerechtigkeit ist der Schlüssel zu einer starken Zukunft und dafür brauchen wir endlich die nötigen Investitionen. Mit dem Startchancenprogramm haben wir einen guten Anfang gezielter Förderung gemacht, den wir jetzt fortsetzen und vertiefen wollen.    

    Zur Person Saskia Esken, 63, ist seit fünf Jahren eine der beiden Bundesvorsitzenden der SPD und führt die Partei mit Lars Klingbeil. Die gebürtige Stuttgarterin gilt als über Parteigrenzen hinweg anerkannte Digitalpolitikerin und vertritt als über die Liste gewählte Bundestagsabgeordnete seit 2013 den Wahlkreis Calw.

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    3 Kommentare
    Hans Meixner

    Ein nichtssagendes Interview, Floskeln, als wäre eine andere Partei/Kanzler in Regierungsverantwortung gewesen und nun sollen die Wähler eben diese SPD wieder als führende Partei einer Regierung wählen?!?

    Franz Wagner

    Liebe Frau Esken, Scholz ist ein vergesslicher Looser und wenn das schon zuviel Lobpreisung ist können sie mir jetzt die Polizei heimschicken!

    Franz Xanter

    "... Olaf Scholz hat mit der Vertrauensfrage das Heft des Handelns in die Hand genommen ..." Alleinig diese Aussage reizt doch schon zum Lachen! Scholz und Entscheidung? Zwei Sachen, welche definitiv nicht zusammen passen!

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