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Interview: Peter Altmaier: "Es gibt immer weniger Leute, die wissen, wer ich bin"

Interview

Peter Altmaier: "Es gibt immer weniger Leute, die wissen, wer ich bin"

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    Der CDU-Politiker Peter Altmaier war bis Dezember 2021 Bundeswirtschaftsminister. Er galt als enger Vertrauter von Angela Merkel.
    Der CDU-Politiker Peter Altmaier war bis Dezember 2021 Bundeswirtschaftsminister. Er galt als enger Vertrauter von Angela Merkel. Foto: Chris Emil Janssen, Imago

    Herr Altmaier, macht Macht glücklich?

    Peter Altmaier: Macht alleine macht nicht glücklich, aber sie ist unverzichtbar für erfolgreiche politische Gestaltung. Deshalb war Machtlosigkeit nie ein erstrebenswertes Ziel für mich. Es gab mir Kraft, Zufriedenheit und Ausdauer, wenn ich etwas für mein Land bewegen konnte.

    Sie sind seit gut einem Jahr machtlos. Wie sieht Ihr Leben heute aus?

    Altmaier: Ich bin froh, dass ich nach dem Regierungswechsel einen klaren Schlussstrich gezogen habe und nun – nach so vielen Jahren – wieder ein freier Mensch bin. Ich pendle zwischen meiner Heimat im Saarland und meinem alten Wirkungsbereich Berlin. Ich koche gerne für andere, verbringe Zeit mit Menschen, für die ich früher zu wenig Zeit hatte. Es tut gut, wenn man nicht mehr von morgens bis abends fremdbestimmt ist. 

    90 Prozent der Termine eines Ministers werden ja von anderen gemacht. Jetzt kann ich selbst entscheiden, welche Einladungen ich annehme. Gegen einen leeren Terminkalender kämpfe ich jedenfalls nicht. Ich bin im Gegenteil dankbar für freie Zeit, die ich früher vermisste.

    Dafür mussten Sie sich als Minister nicht um Flugtickets kümmern, noch schnell einkaufen gehen oder Wäsche machen...

    Altmaier: Stimmt schon, ich musste mich erst daran gewöhnen, dass ich jetzt selber schauen muss, wie ich möglichst effizient von A nach B komme und wo ich dann übernachten kann. Ich bügle jetzt übrigens auch meine Hemden selber. Spannende neue Erfahrung, kann ich Ihnen sagen...

    Kürzlich ist ein Porträt über Sie erschienen, das heftig diskutiert wurde, weil das Bild eines einsamen Mannes gezeichnet wurde, der nach dem Verlust der Macht nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Hat Ihnen das weh getan?

    Altmaier: Artikel, die über mich erschienen sind, habe ich noch nie kommentiert. Ich war und bin nun mal eine Person des öffentlichen Lebens und muss hinnehmen, dass alle möglichen Dinge über mich geschrieben werden, auch wenn sie mit der Wirklichkeit wenig gemein haben. Bekannte, denen ich in meiner neuen Lebensphase begegne, sind regelmäßig erfreut, wenn Sie sehen, wie es mir geht. Und: Auch als Privatmann bleibe ich natürlich ein politischer Mensch. Alles andere würde niemand verstehen.

    Peter Altmaier zählte zu den langjährigen Vertrauten von Angela Merkel.
    Peter Altmaier zählte zu den langjährigen Vertrauten von Angela Merkel. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Warum ist es Ihnen so wichtig, zu betonen, dass Sie immer noch ein gefragter Mann sind. Sie galten stets als uneitler Politiker. Hat das nun doch auch was mit dem Ego zu tun?

    Altmaier: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendwo mit meinen Terminen hausieren ging. Auch um dieses Interview habe ich mich nicht „beworben“, sondern Sie haben mich gefragt. Natürlich habe ich mich in meiner Zeit als Politiker gefreut, wenn die Leute im Bierzelt geklatscht haben, wenn meine Arbeit von anderen anerkannt wurde. Aber ich bin nun auch problemlos im Stande, auf die große Bühne und den großen Applaus zu verzichten.

    Also haben Sie keine Angst, irgendwann vergessen zu werden?

    Altmaier: Nein. Natürlich freut es mich, wenn ich in der Fußgängerzone erkannt und freundlich gegrüßt werde, wie vor einigen Wochen hier in Augsburg. Das ist doch menschlich. Aber es gehört zu den Gesetzmäßigkeiten der Politik und des Lebens, dass es im Lauf der Jahre immer weniger Leute geben wird, die noch wissen wer ich bin und was ich mal gemacht habe. Das bringt mir aber neue Freiheiten – und die nutze ich.

    Welche Freiheiten nehmen Sie sich?

    Altmaier: Ich setze mich gerne mal ein, zwei Stunden in eine Fußgängerzone oder verbinde Termine mit kleinen Abstechern. Neulich war ich zum Beispiel in einer Porzellanmanufaktur in Thüringen und habe mir Espressotassen gekauft. Im Frühjahr habe ich meine alte Liebe zu Italien neu entdeckt. Und: Ich wollte ja mal Historiker werden und lese gerne in alten Büchern. Früher habe ich diese Bücher aus Zeitnot im Internet bestellt, jetzt kann ich auch mal selbst in einem Antiquariat stöbern.

    Und dann ist da ja noch der Garten...

    Altmaier: Einer meiner frühesten Berufswünsche als Kind war es, Gärtner zu werden. Und ja, ich habe auch einen Garten, aber der hat nie die nötige Aufmerksamkeit bekommen. Dann war der Sommer im Saarland auch noch verdammt trocken, das war traurig, weil der Rasen und viele Sträucher und Büsche verdorrt waren. Aber im Frühjahr hoffe ich auf bessere Umstände: Hacke und Rechen stehen schon bereit!

    Peter Altmaier war Umwelt- und Wirtschaftsminister. Von 1994 bis 2021 saß der Saarländer im Bundestag.
    Peter Altmaier war Umwelt- und Wirtschaftsminister. Von 1994 bis 2021 saß der Saarländer im Bundestag. Foto: Tom Weller, dpa

    Sie sind einer der wenigen Spitzenpolitiker, die Kolleginnen und Kollegen oder auch mal Journalisten zu sich nach Hause eingeladen haben, um sie zu bekochen.

    Altmaier: Als Minister fehlte dazu fast immer die Zeit, jetzt kann ich es wieder häufiger tun. Ich bin entschieden der Meinung, dass es auch der Politik guttut, wenn man nicht nur in seelenlosen anonymen Sitzungssälen rumsitzt.

    Was kochen Sie am liebsten?

    Altmaier: Große Erfolge habe ich zuletzt mit meinem Avocado-Lachstatar-Törtchen erzielt. Inzwischen habe ich auch den Trick raus, wie das Ding in Form bleibt. Jetzt im Winter mache ich auch gerne eine Spezialität aus dem Saarland: Kartoffelklöße, mit Leberwurst und Käse gefüllt. Stolz bin ich auch auf meine Fischsuppe, mit viel Gemüse und noch mehr Fisch.

    Gab es den einen Moment, in dem Sie gespürt haben, dass es den Politiker Peter Altmaier nicht mehr gibt?

    Altmaier: Vielleicht war das auf einer Reise. Ich bin zum ersten Mal in Kanada gewesen. Das Land, die Natur, die Menschen, das war ein beeindruckendes Erlebnis. Dort kannte mich natürlich niemand, so dass ich mich ein halbes Leben zurückversetzt fühlte.

    Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass Sie von der politischen Bühne abgetreten sind. Ihre Partei wurde abgewählt. Sie selbst haben dann freiwillig auf ihr Bundestagsmandat verzichtet. Haben Sie das in der Zwischenzeit mal bereut?

    Altmaier: Nein. Ich hatte ja schon länger mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören, wollte dann aber als amtierender Wirtschaftsminister inmitten der Corona-Krise meine Pflicht tun und keine lahme Ente sein. Deshalb habe ich noch einmal kandidiert. Nach der Wahlniederlage fand ich es besser für jemanden Jüngeres meinen Stuhl zu räumen, als noch einmal vier Jahre lang dazusitzen ohne etwas gestalten zu können. Aber ich gebe zu: Das war zunächst ein Sprung ins Ungewisse.

    Nicht umsonst können sich nur wenige freiwillig von der Politik trennen...

    Altmaier: Angela Merkel konnte es.

    Sie galten als enger Vertrauter der Kanzlerin. Haben Sie noch Kontakt?

    Altmaier: Wenn man so lange miteinander gearbeitet und so viel gemeinsam durchgestanden hat, wäre alles andere schwer verständlich. Aber dazu beantworte ich grundsätzlich keine Fragen. Sie brauchen gar nicht versuchen, mich auszufragen.

    Zuletzt gab es viel Kritik an Merkel, vor allem wegen ihrer Russland-Politik. Wie schauen Sie heute auf diese Ära?

    Altmaier: Angela Merkel hat mit ihrer Art, Politik zu machen, einen neuen Stil geprägt. Das ist es, was bleiben wird. Sie hat neue Politikfelder für die Union erschlossen. Es gab nie so wenige Beleidigungen und Ordnungsrufe im Bundestag wie in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft. Sie hat parteipolitische Gegensätze überwunden. Das hat mich beeindruckt. Und was Russland angeht: Wir haben in den 16 Jahren unserer Regierungszeit immer versucht, neue große kriegerische Konflikte zu verhindern, meistens mit Erfolg, aber nicht immer: siehe Georgien oder Syrien. Es ist bis heute die klare Politik der Nato, eine direkte militärische Konfrontation mit Russland zu verhindern, trotz allem. Das halte ich nach wie vor für richtig. Ebenso wie die konsequente Unterstützung der Ukraine durch Waffen und Hilfslieferungen.

    Sie sprachen von parteipolitischen Gegensätzen, die Angela Merkel überwunden hat. Man könnte auch sagen, der Union ist das klare Profil verloren gegangen. Würden Sie widersprechen?

    Altmaier: Natürlich müssen in der Politik klare Linien erkennbar sein. Aber Konfrontation als Selbstzweck halte ich für falsch. Demokraten können sich in der Sache streiten und trotzdem in den großen Fragen einig sein. Uns verbindet mehr, als uns trennt.

    Dann dürfte Ihnen der Stil des amtierenden CDU-Chefs, der auch mal gegen die Regierung austeilt, nicht gerade gefallen?

    Altmaier: Friedrich Merz gilt als Mann des klaren Wortes, aber man muss doch auch anerkennen, dass die CDU unter seiner Führung seit Beginn des Ukraine-Krieges in wichtigen Grundfragen einen Konsens mit der Regierung gefunden hat und eben nicht auf Konfrontation aus war. Und im übrigen widerstehe ich der Versuchung, ständig vom Spielfeldrand aus besserwisserische Kommentare abzugeben, so wie ich das in meiner Kindheit in der Muppets-Show gesehen habe (schmunzelt).

    Haben Sie aus den Jahrzehnten in der Politik echte Freundschaften mitgenommen?

    Altmaier: Ich habe mein ganzes Leben lang immer gerne mit Menschen zu tun gehabt. Einige wurden Freunde, und ganz wenige wurden sogar sehr enge Freunde. Einer von ihnen war der frühere CDU-Generalsekretär und Minister Peter Hintze, mit dem ich über zwei Jahrzehnte eng verbunden war. Auch nach seinem Tod vor sechs Jahren habe ich immer noch Kontakt mit seiner Familie. Manche Freundschaften sind mit der Zeit auch zerbrochen, einige haben bis heute gehalten.

    Welche sind das?

    Altmaier (lacht): Das geht Sie überhaupt nichts an.

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