Aus Ihrer Partei wurde in den vergangenen Tagen hart gegen die Union geschossen. Der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer hat der Union sogar Lügen und eine Vernichtungskampagne gegen die Liberalen vorgeworfen. Warum ist das Verhältnis zwischen Union und FDP so zerrüttet?
MARTIN HAGEN: Es ist normal, dass zwischen Regierung und Opposition manchmal die Emotionen hochkochen. Man sollte politische Bündnisse nicht romantisieren, aber eben auch nicht die Brücken zu möglichen Partnern einreißen. Das gilt insbesondere für Union und FDP. CDU und CSU sind für uns einerseits Rivalen, mit denen wir um bürgerliche Wähler konkurrieren, aber gleichzeitig sind und bleiben es eben auch potenzielle Koalitionspartner, mit denen wir größere inhaltliche Schnittmengen haben als beispielsweise mit den Grünen. Deshalb kann ich nur raten, nicht in Feindseligkeiten zu verfallen. Schwarz-Gelb muss immer eine Option bleiben.
Der Vorwurf aus Ihren Reihen lautet ja auch, dass die Union von der FDP Dinge einfordert, die sie selbst in der Regierung nicht gemacht hat. Nervt Sie das auch?
HAGEN: Ob das von CDU und CSU besonders glaubwürdig ist, müssen letztlich die Wählerinnen und Wähler entscheiden. Die Union hat 16 Jahre lang Probleme aufgehäuft, die jetzt die Ampel lösen muss – zum Beispiel in den Bereichen der Energieversorgung, der Bundeswehr oder der Migration. Das ist Merkels Vermächtnis. Wir gehen diese Baustellen nun an.
Wie erklären Sie sich, dass Markus Söder in Bayern offenbar gar nicht auf die Idee kommt, mit der FDP zu koalieren, obwohl er doch seine grüne Phase offenbar hinter sich hat?
HAGEN: Weil wir sicher nicht so pflegeleicht wären wie die Freien Wähler, die ja keinen politischen Gestaltungsanspruch haben. Wir wollen Aiwanger, Piazolo & Co. ablösen und gerade in der Wirtschafts- und Bildungspolitik neue Impulse setzen. Dass ein Ministerpräsident offiziell die Fortsetzung der bisherigen Regierung anstrebt, ist logisch. Sonst müsste er ja eingestehen, dass es nicht optimal läuft. Aber Söders Aussagen haben ohnehin eine geringe Halbwertszeit. Er wechselt ja oft seine Position und ich prophezeie jetzt schon, dass er in einem halben Jahr wieder Bäume umarmt, weil er insgeheim auf die Kanzlerkandidatur 2025 schielt – mit den Grünen als Koalitionspartner im Bund.
Wenn man sieht, wie breitbeinig die FDP in der Ampel als kleinster Partner teilweise auftritt, wirkt das vielleicht auch nicht besonders attraktiv auf einen möglichen Koalitionspartner.
HAGEN: Wir wollen ja nicht für andere Parteien attraktiv sein, sondern Gutes für die Bürger bewirken. Deshalb verhindern wir Unfug, wo es nötig ist, und treiben sinnvolle Projekte wie die Planungsbeschleunigung voran. Liberale werden als Korrektiv und Antreiber gebraucht. Auch in Bayern übrigens.
Zur Person
Martin Hagen, 42, wurde in La Spezia (Italien) geboren, wuchs in Bad Aibling auf und studierte Politik in München. Er sitzt seit 2018 für die FDP im Landtag und führt die Liberalen als Spitzenkandidat in die Landtagswahl im Oktober.