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Interview mit Jan van Aken: Was macht den Erfolg der Linken aus?

Interview

Jan van Aken: „Warum sollten wir nicht stärkste Partei links von der CDU werden?“

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    Linken-Co-Chef Jan van Aken.
    Linken-Co-Chef Jan van Aken. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Herr van Aken, Sie sind für Die Linke in die Bütt gestiegen, als es düster aussah und es nur noch wenig Hoffnung gab. Ihre Partei hat das Wahl-Wunder geschafft und ist überraschend stark in den Bundestag eingezogen. Werden Sie sich nun um den Fraktionsvorsitz bewerben?
    JAN VAN AKEN: Über Personalfragen rede ich nicht öffentlich.

    Gibt es schon einen Zeitplan, wann die neue Fraktionsspitze bestimmt wird?
    VAN AKEN: Wir haben so viele neue Leute im Bundestag, die müssen sich erstmal kennenlernen. Das läuft ganz entspannt. Heidi Reichinnek und Sören Pellmann machen jetzt erstmal an der Fraktionsspitze weiter. Entweder vor oder nach der Sommerpause werden wir dann die Fraktionsvorsitzenden neu wählen. 

    Die Linke kommt in einer neuen Forsa-Umfrage auf 11 Prozent, die Grünen stehen bei 12, die SPD bei 14 Prozent. Können Sie sich vorstellen, stärkste Kraft im linken Spektrum zu werden?
    VAN AKEN: Ja, das ist unser Ziel. Nicht in den nächsten sechs Monaten oder nicht im nächsten Jahr. Aber für die Bundestagswahl in vier Jahren haben wir uns vorgenommen, auf jeden Fall unser bisher bestes Ergebnis aus dem Jahr 2009 zu toppen. Damals haben wir 11,9 Prozent geholt.

    Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass das glücken kann?
    VAN AKEN: Weil wir in so vielen Punkten der großen Mehrheit aus dem Herzen sprechen. Diese Mehrheit will die Ellenbogengesellschaft nicht, dieses Gegeneinander. Viele Menschen haben Angst, dass die Gesellschaft auseinanderfällt, politisch und sozial. Dagegen haben wir Rezepte.

    Zum Beispiel?
    VAN AKEN: Die steigenden Mieten sorgen für Verzweiflung und dagegen wollen wir den Mietendeckel durchsetzen. Wir kämpfen für höhere Renten und eine Aufstockung des Mindestlohns. Wenn wir das in einer Sprache tun, die die meisten Menschen verstehen, warum sollten wir dann nicht stärkste Partei links von der CDU werden?

    Das wird die SPD zu verhindern suchen. Können die Sozialdemokraten Ihrer Einschätzung nach an der Seite der Union linke Politik machen? In den Sondierungen mit Friedrich Merz hat die SPD viel herausgeholt.
    VAN AKEN: Abgesehen von der Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro haben sich SPD und Grüne in den letzten drei Jahren der Ampel-Koalition von der FDP vorführen lassen. Da gab es wenig linke Politik, obwohl die SPD den Kanzler stellte. Ich bin skeptisch, dass sich das ändert. Aber ich würde die Sozialdemokratie noch nicht abschreiben.

    Die Linke ist im Bundestag, das BSW nicht. Blicken Sie inzwischen milder auf Sahra Wagenknecht?
    VAN AKEN: Von mir werden Sie da nichts Negatives hören. Wir Linken treten nicht nach unten.

    In ihrem Leitantrag für den Parteitag im Mai heißt es: Die Linke muss eine organisierende Klassenpartei werden, die die vielfältige Mehrheit der Menschen anspricht und an ihrer Seite für ihre Interessen eintritt. Mit Verlaub, das klingt sehr nach SED und DDR.
    VAN AKEN: (lacht) Den Vorwurf haben wir auch im Parteivorstand gehört. Und deswegen haben wir in den Leitantrag auch genau reingeschrieben, was wir damit meinen. Im Englischen ist der Begriff working class nach wie vor gebräuchlich, bei uns in Deutschland nicht mehr. 

    Aber existiert diese Arbeiterklasse noch?
    VAN AKEN: Wir meinen die lohnabhängig Beschäftigten, die einem bestimmten Druck seitens des Arbeitgebers unterliegen. Natürlich bestehen große Unterschiede, je nachdem, ob jemand 8.000 Euro brutto verdient oder 2.000. Aber die allermeisten haben eben nicht 8.000 Euro. Und deren Partner wollen wir sein, die wollen wir unterstützen. Wenn sie einen Betriebsrat gründen wollen. Wenn sie sich gegen Wuchermieten wehren wollen. Das ist die organisierende Klassenpartei, von der wir sprechen. 

    Hinter diesem Klassenbegriff scheint der Gegensatz zwischen Besitzenden und Nicht-Besitzenden auf. Wir dachten, Die Linke hätte 25 Jahre nach der Wende ihren Frieden mit der Sozialen Marktwirtschaft gemacht?
    VAN AKEN: Wir sind eine sozialistische Partei. Wir sind die Verteidigerin des Sozialstaats, aber da bleiben wir nicht stehen. Ein Beispiel: Wir wollen den Mietendeckel bundesweit einführen. Das ist Sozialstaat. Aber wir wollen einen sozialen Wohnungsbau in genossenschaftlicher und kommunaler Hand. Investoren sollen kein Geld mehr mit dem Bau von Wohnungen machen. Das ist ein Schritt weiter als Sozialstaat. Und der dritte Schritt ist: Grund und Boden sollen nur noch in öffentlicher Hand sein, weil das eine absolut begrenzte Ressource ist. Alle bekommen Land nur noch auf Erbpacht zur Verfügung gestellt: Sie können darauf bauen oder Landwirtschaft betreiben. Aber Erbpacht ist kein Privatbesitz. Das ist sozialistisch.

    Man könnte die Unternehmen vergesellschaften.
    VAN AKEN: Nicht das Unternehmertum insgesamt. Aber wir haben dazu einige konkrete Punkte im Wahlprogramm gehabt. Uns geht es beispielsweise um Wohnungsbaugesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen. Es ist nicht richtig, dass mit Wohnungen, in denen Menschen leben müssen, an der Börse spekuliert wird.

    Viele Wohnungen werden inzwischen für Feriengäste untervermietet und damit dem Wohnungsmarkt entzogen. Was halten Sie von Unternehmen wie Airbnb?
    VAN AKEN: Ich finde es völlig in Ordnung, wenn man vier Wochen in Urlaub fährt und dann die Wohnung vermietet. Da geht kein Wohnraum verloren. Ich war kürzlich in Genf bei einer Abrüstungskonferenz und habe selbst Airbnb genutzt. Die Wohnung gehört jemandem, der bei der UNO arbeitet und zu dem Zeitpunkt unterwegs war. Ich nutzte allerdings nie Angebote von Superhosts. Die haben mehrere Wohnungen. Da wird Wohnraum zweckentfremdet, das muss verboten werden.

    Im Wahlprogramm der Linken war die Klage über ein Zuviel an Bürokratie im Vergleich zu anderen Parteien am kleinsten. Warum?
    VAN AKEN: Es gibt bürokratische Dinge, die wirklich unsinnig sind. Aber das, was FDP und CDU mit überbordender Bürokratie meinen, hat was mit dem Schutz von Menschen zu tun. Nehmen Sie die Mindestlohnkontrolle. Die Betriebe müssen die Arbeitsstunden dokumentieren. Das ist Bürokratie, ja. Aber sie verhindert, dass der Mindestlohn unterlaufen wird. Es gibt also neben der völlig verfehlten Bürokratie auch eine, die richtig und wichtig ist.
    Sie treten für eine diplomatische Lösung des Ukrainekrieges ein. Herr Trump redet mit Herrn Putin, beide wollen die Welt in Einflusssphären aufteilen. Ist es das, was Sie sich vorgestellt haben?
    VAN AKEN: Nein. Es gibt einen Satz von Trump, über den kaum berichtet worden ist. Er wäre dafür, sagte er, dass China, Russland und die USA ihre Militärausgaben halbieren. Hört sich super an, aber dahinter steckt, dass die drei Staaten das unter sich ausmachen. Das ist sein Weltbild und etwas, was uns am meisten Sorgen machen muss. Drei Weltmächte, die sich den Globus aufteilen. Doch dann stoßen ihre Grenzen aneinander. Und wenn zwei Nationalisten Grenzprobleme kriegen, bedeutet das Krieg.

    Die Folge ist, dass die europäischen Armeen massiv aufrüsten. Sie sind dagegen. Warum?
    VAN AKEN: Die richtige Frage ist: Wofür wird das Geld verwendet? Wenn es für die Landesverteidigung ist, bin ich dabei. Dafür brauchen wir allerdings kein zusätzliches Geld. Da reichen die rund 50 Milliarden aus dem laufenden Haushalt völlig aus. Vermutlich kann es deutlich weniger sein. Wenn es allerdings darum gehen soll, dass wir auch global mitmischen und zur vierten Weltmacht aufsteigen wollen, dann ist das grundfalsch. Diese Frage nach dem Wofür wird leider nirgendwo beantwortet. Deswegen ist diese ganze Diskussion völlig verlogen.

    Die Ukrainer fordern Sicherheitsgarantien inklusive einer Friedenstruppe. Wir schließen aus Ihrer Antwort, dass die Bundeswehr nicht dabei sein sollte?
    VAN AKEN: Der Begriff Friedenstruppe und alles drum herum ist in der aktuellen Debatte so unklar, dass es mir Sorgen macht. Ich habe die Vermutung, dass es bewusst undefiniert gelassen wird, damit man in der Ukraine Kampftruppen stationieren kann, die im Zweifelsfall Russland zurückkämpfen können. Mein Begriff von Friedenstruppen hingegen ist der klassische Blauhelmeinsatz wie etwa in Zypern, das finde ich in Ordnung. Es gibt dann nach einer Vereinbarung zwischen beiden Seiten eine Waffenstillstandslinie, die von neutralen Kräften kontrolliert wird. Man entgegnet mir dann oft, dass die Russen sich einfach den Weg freischießen würden. Meine Antwort ist: Deswegen muss ein Teil dieser Blauhelme chinesisch sein, denn Russland würde dann nicht auf sie schießen.

    Kann man Russland und Wladimir Putin trauen?
    VAN AKEN: Nein. Das Vertrauen muss man erst mühsam wieder aufbauen.

    Ein Tipp bitte noch. Wie lange wird Gregor Gysi als Alterspräsident am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages reden: Unter einer halben Stunde oder drüber?
    VAN AKEN: Das ist einfach. Natürlich über eine halbe Stunde. Ich würde sogar sagen: Mehr als eine Stunde. Meine Tendenz geht eher in Richtung eine Stunde und zwanzig Minuten.

    Zur Person

    Jan van Aken wurde am 1. Mai 1961 in Reinbek geboren. Der promovierte Biologe war einige Jahre lang Gentechnikexperte und Aktivist bei Greenpeace, danach Biowaffeninspekteur für die UN. Im Jahr 2009 wurde er Mitglied des Bundestages für die Partei Die Linke und blieb dort zwei Legislaturperioden. Seit Oktober letzten Jahres ist er Co-Vorsitzender der Linkspartei.

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    6 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    Hätte nicht gedacht, daß ich den LINKEN, in persona Van Aken, mal zu 100% recht gäbe. Hier schon: "Die richtige Frage ist: Wofür wird das Geld verwendet? Wenn es für die Landesverteidigung ist, bin ich dabei. Dafür brauchen wir allerdings kein zusätzliches Geld. Da reichen die rund 50 Milliarden aus dem laufenden Haushalt völlig aus." Es gehört halt zu meiner "Philosophie" dem recht zu geben,. der m.e. recht hat, absolut unabhängig vom Parteibuch. Würden sich dem einige anschgliessen wären die Diskussionen sachlicher und nicht farbbezogen.

    Peter Pfleiderer

    >> Wenn es für die Landesverteidigung ist, bin ich dabei. Dafür brauchen wir allerdings kein zusätzliches Geld. Da reichen die rund 50 Milliarden aus dem laufenden Haushalt völlig aus. Vermutlich kann es deutlich weniger sein. << - Deutlich weniger! Der Aufstieg der Linken ist Resultat solcher Gefälligkeitsinterviews, wo praktisch jeder Unfug ohne Rückfrage weiter verbreitet wird.

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    Helmut Eimiller

    „In der Demokratie ist es wichtig, dass die Menschen mit ihren vielfältigen unterschiedlichen Meinungen und Ansichten anerkannt werden. Das bezeichnet man als Pluralismus.“ (Pluralismus | Politik für Kinder, einfach erklärt - HanisauLand.de). Bei Zustimmungswerten von 10 % oder darüber ist es m. E. die Pflicht der Medien, die Ansichten einer Partei darzustellen. Ein Interview mit einem Co-Vorsitzenden ist dafür sehr geeignet, zumal die Daten „Zur Person“ Kompetenz vermuten lassen.

    Rainer Kraus

    Jan van Aken: „Warum sollten wir nicht stärkste Partei links von der CDU werden?“ ....und was nutze es und vor allem wem?

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    Helmut Eimiller

    Ganz die Linie von Aiwanger, mit seiner Frage gestern im „heute journal“: „Was, wenn ich dann ein toter Held bin?“ Ab sofort bin ich mir ganz sicher, ein Held ist Aiwanger nicht, ob aber er und seine FW nach seinem „erneuten Einknicken“ (so Martin Zeil von der FDP, einer seiner Amtsvorgänger) noch eine Zukunft haben, ist höchst fraglich.

    Maria Reichenauer

    Ich schätze Herrn van Aken sehr und ich traue der Linken durchaus zu, noch ein paar Prozent zuzulegen. ICh hoffe sehr, dass sie die jungen Menschen noch mehr begeistern können und sie aus dem Wirkungskreis der AfD herausmanövrieren können. Die SPD kommt zusehends unter die Merz'schen Räder, da hebt sich die Linke wohltuend ab. In Sachen Verteidigung würde ich sie mir etwas kooperativer wünschen, denn ein zahnloser Tiger muss Deutschland nicht sein, wenn die Bedrohung wächst. Allerdings ist die Arbeit am Frieden immer noch die beste Verteidigung, das wird heute oft vergessen. Der Lebenslauf van Akens zeigt jedenfalls, dass er kein souialistischer Phantast ist, sondern durchaus kompetent, wenn es um die Fragen der Zukunft geht.

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