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Interview: Israelischer Politologe: "Der Iran ist die größte Gefahr"

Interview

Israelischer Politologe: "Der Iran ist die größte Gefahr"

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    "Wir nennen das in Israel einen Krieg zwischen den Kriegen", sagt Arye Sharzu Shalicar.
    "Wir nennen das in Israel einen Krieg zwischen den Kriegen", sagt Arye Sharzu Shalicar. Foto: M. Gambarini, dpa

    Herr Shalicar. Mit dem geplanten Abzug seiner Soldaten aus Syrien spielt US-Präsident Donald Trump Teheran in die Hände. Stehen bald noch mehr iranische Kämpfer an der syrisch-israelischen Grenze?

    Arye Sharuz Shalicar: Seit dem Abschluss des Atomabkommens vor drei Jahren tritt der Iran immer aggressiver auf – nicht nur in Syrien, sondern in der ganzen Region. In Syrien haben wir heute fast täglich Auseinandersetzungen mit iranischen Milizen oder vom Iran gesteuerten Legionärstruppen mit afghanischen, pakistanischen und irakischen Söldnern. Auf den ersten Blick spielt der Rückzug der Amerikaner dem Iran in die Hände, ja. Aber deswegen geben die USA den Nahen Osten doch nicht auf, sie sind im Irak präsent, in der Türkei, in Israel und in Jordanien. Um in Syrien eingreifen zu können, müssen sie nicht in Syrien selbst Truppen stationiert haben.

    Israel hat die jüngsten Angriffe mit einem harten Gegenschlag auf iranische Waffenlager und Stellungen in Syrien beantwortet. Eskaliert da gerade ein zweiter Nahostkonflikt?

    Shalicar: Wir nennen das in Israel einen Krieg zwischen den Kriegen. Nachdem wir lange beobachtet haben, wie der Iran seinen Einfluss in Syrien ausbaut, haben wir den Mullahs zweierlei gezeigt: Erstens wissen wir dank unserer Geheimdienste sehr genau, was sie wo machen. Und zweitens sind wir bereit, auch etwas dagegen zu tun. In dem Moment, in dem der Iran sich in Syrien militärisch etabliert, ist für uns Israelis eine rote Linie überschritten.

    Sind die Mullahs gefährlicher als die Hamas?

    Ist der Iran für Israel heute, was über Jahrzehnte die Palästinenser waren: der Feind vor der eigenen Haustür?

    Shalicar: Die Hisbollah im Libanon, die komplett vom Iran finanziert wird, ist für uns die deutlich größere Bedrohung als die Hamas im Gazastreifen, die im Übrigen auch aus dem Iran unterstützt wird. Wenn ich mir dann noch ansehe, wie der Iran Krieg im Jemen führt, kann ich daraus nur einen Schluss ziehen: Die größte Gefahr für den Nahen Osten ist der Iran. Ich erinnere nur an die Worte von Khomeini, der gesagt hat, die islamische Revolution solle aus dem Iran in die ganze Region exportiert werden. Diese schiitische Hegemonie strebt Teheran heute noch mehr an als damals.

    Israel schließt neue strategische Allianzen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war gerade im Oman, das Verhältnis zu den Saudis hat sich entkrampft. Ist das das neue Motto in der Region: Gemeinsam gegen den Iran?

    Shalicar: Ich war kurz nach Netanjahu auch selbst im Oman. Tatsächlich ist es so, dass sich die Golfregion vom Iran mindestens so herausgefordert fühlt wie wir Israelis. Die Huthis im Jemen, die der Iran stark gemacht hat, beschießen die Saudis und die Vereinigten Emirate genauso wie die Hisbollah uns.

    Was erwartet Israel in dieser angespannten Situation von Deutschland? Angela Merkel hat Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson erklärt.

    Shalicar: Einen Tag nach dem Holocaust-Gedenktag hat der stellvertretende Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden gesagt, Israel müsse von der Landkarte gelöscht werden. Wenn die Iraner so etwas immer häufiger und immer lauter sagen: Sollte Deutschland dann nicht den Druck auf den Iran erhöhen und schärfere Sanktionen in petto haben als ein Landeverbot für eine iranische Fluglinie? Dazu muss man nicht gleich wie die USA aus dem Atomabkommen aussteigen, man sollte aber klare Bedingungen formulieren: Kein Geld mehr für die Hisbollah, kein Waffenschmuggel mehr, keine nukleare Bewaffnung, keine Stationierung von Truppen in Syrien, keine Unterstützung mehr für die Huthis im Jemen.

    Im April wählt Israel. Zeigt Netanjahu auch deswegen Härte gegen den Iran – um wiedergewählt zu werden?

    Shalicar: Unsere Sicherheit ist bei jeder Wahl ein Thema. Ein Land wie Israel, das so großen Gefahren ausgesetzt ist, kann an der Spitze der Regierung keinen kleinen Jungen brauchen, der mit dem Feuer spielt. Deshalb wird es im Wahlkampf darauf ankommen, welcher Parteiführer den Menschen das Gefühl gibt, dass sie bei ihm buchstäblich in sicheren Händen sind.

    Zur Person: Arye Sharuz Shalicar (41) ist als Kind persischer Juden in Berlin aufgewachsen. 2001 wanderte er nach Israel aus. Er hat Politik studiert, war Sprecher der israelischen Armee und arbeitet heute als Abteilungsleiter für Außenpolitik im Büro des Ministerpräsidenten.

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