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Interview: Holetschek: "Wir müssen weg von der Ökonomisierung der Medizin"

Interview

Holetschek: "Wir müssen weg von der Ökonomisierung der Medizin"

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    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek warnt vor Klinik-Insolvenzen.
    Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek warnt vor Klinik-Insolvenzen. Foto: Armin Weigel, dpa

    Bund und Länder ringen derzeit um die Details der Krankenhausreform. Minister Karl Lauterbach ist nun den Ländern in vielen Streitfragen entgegenkommen. Wird nun Ende Juni wie geplant Klarheit über die Reform und ihre Folgen herrschen?

    Klaus Holetschek: Bayern setzt sich für einen Kompromiss bei der Krankenhausreform ein – aber nicht um jeden Preis. Zwar ist der Bund den Ländern in der Sitzung vergangene Woche entgegengekommen. Aber ich sehe noch erheblichen Korrektur- und Klärungsbedarf. Es sollte jetzt nicht versucht werden, den Zeitplan der Bundesregierung auf Biegen und Brechen einzuhalten. Entscheidend ist nicht das Tempo bei der Reform, sondern ihr Erfolg – und der gelingt bei einem Vorhaben von dieser Tragweite aber nur mit einer gründlichen Vorbereitung.

    Wo liegen noch die größten Streitpunkte?

    Holetschek: Es sind noch wichtige Fragen offen – beispielsweise besteht noch immer Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern über die "Level". Der Bundesgesundheitsminister will sie notfalls im Alleingang durchdrücken, während die Länder hier große Probleme sehen.

    Mit den "Leveln" wollte Minister Lauterbach die Kliniken in drei Stufen von der Grund- bis zur Maximalversorgung einteilen und finanzieren. Viele Kliniken fühlten sich dadurch in der Existenz bedroht. Jetzt soll es nur noch um Transparenz bei der Behandlungsqualität gehen. Wo sehen Sie das Problem?

    Holetschek: Ich halte die "Level" in der vom Bund nunmehr vorgesehenen Form für unnötig und sogar kontraproduktiv, weil sie die Gefahr von Fehlsteuerungen bergen: Die Zuordnung einer Klinik zu einem "Level" allein erlaubt kein Pauschalurteil über die Qualität der von der Klinik erbrachten Leistungen, dazu ist gerade bei großen Kliniken das Leistungsspektrum viel zu heterogen. Ich behaupte, dass etwa in einem 700 Betten-Haus mit acht Fachrichtungen nicht in allen Bereichen immer ein einheitliches Qualitätsniveau herrschen wird. Genau das gaukelt aber die pauschale Zuordnung dieses Hauses zu einem "Level" vor.

    Ist mehr Transparenz nicht hilfreich, welche Klinik die beste Versorgung bietet? 

    Holetschek: Für Transparenz aus Patientensicht sorgen aus meiner Sicht neben den bereits jetzt verfügbaren Qualitätsberichten der Kliniken vielmehr Informationen über die von der Klinik angebotenen Leistungsgruppen und die mit ihnen verbundenen Qualitätsanforderungen. Zudem kann die "Level-Einteilung" die Patientinnen und Patienten sehr schnell zu dem auch medizinisch gar nicht immer sinnvollen Wunsch verleiten, ausschließlich in einem Haus des "höchsten Levels" behandelt zu werden. Auch das ist weder im Sinne der Patienten noch im Sinne der Kliniken.

    Haben die bisherigen Verhandlungen inzwischen Fortschritte für die Sicherung der Grundversorgung auf dem Land erbracht?

    Holetschek: Aktuell drückt der Schuh bei zwei Aspekten am meisten: Pflegepersonal und Finanzierung. Wenn es nicht gelingt, mehr Menschen für den wertvollen Pflegeberuf zu begeistern und sie darin zu halten, dann werden wir mit Sicherheit einige Klinik-Schließungen sehen. Denn wenn keiner da ist, der den Menschen im Bett pflegt und versorgt, dann wird über kurz oder lang dieses Krankenhaus auch vom Netz gehen müssen. Ich habe Minister Lauterbach bei den Gesprächen vergangene Woche noch einmal aufgefordert, sich des Personalmangels anzunehmen. Dieses Thema treibt mich schon seit langem um – und nun erleben wir, wie dieses Problem nicht nur die vorhandenen Versorgungsstrukturen überlastet, sondern letztlich auch den Erfolg der Reform gefährdet.

    Wo sehen Sie weitere Knackpunkte aus bayerischer Sicht?

    Holetschek: Als zweiten Knackpunkt sehe ich die aktuelle Finanzierung, zumindest in der Phase bis zum Greifen der Reform. Der Bundesgesundheitsminister hat bei unserem Treffen unmissverständlich klargestellt, dass es kein frisches Geld für die Krankenhäuser gibt, abgesehen von den versprochenen Energiekostenhilfen. Ohne weitere finanzielle Unterstützung kann es aber angesichts der wirtschaftlichen Situation der Kliniken recht rasch zu Insolvenzen kommen. So manches Krankenhaus erlebt die Umsetzung der Reform dann nicht.

    Was passiert, wenn die Bundesregierung angesichts knapper Kassen hart bleibt?

    Holetschek: Ich appelliere an die Bundestagsfraktionen, die Krankenhäuser hier nicht im Stich zu lassen. Die Bundesregierung ist in der Verantwortung, die Betriebskosten der Krankenhäuser auch kurzfristig zu sichern. Langfristig halte ich die Vorhaltefinanzierung für eine gute Idee – dass wir uns vom Prinzip der ausschließlichen Fallpauschalen abwenden müssen, ist allen bewusst. Wenn die Vorhaltefinanzierung dann aber nicht die tatsächlichen Vorhaltekosten der Krankenhäuser abbildet, ist nichts gewonnen. Wir müssen weg von der Ökonomisierung der Medizin und auch der Pflege.

    Zur Person: Klaus Holetschek, 58, ist seit 2021 bayerischer Gesundheitsminister. Seine Karriere begann als Bürgermeister von Bad Wörishofen, der CSU-Politiker saß auch vier Jahre im Bundestag.

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